Politik

McCain in der Bredouille Kritische Fragen an Sarah Palin

Mit der Benennung der wenig bekannten Gouverneurin Sarah Palin als seine Kandidatin für die Vizepräsidentschaft hat der US-Republikaner John McCain das Land überrascht. Nun mehren sich die Anzeichen, dass die Personalie auch für den Präsidentschaftskandidaten selbst Überraschungen bereit hält, und zwar solche der unangenehmen Sorte. Eine Reihe von Enthüllungen über Palin beherrschte die Gespräche auf dem republikanischen Wahlparteitag in St. Paul, der doch eigentlich der glanzvollen Präsentation McCains dienen sollte. In Frage steht nicht nur Palins Image, sondern vor allem McCains Urteilsvermögen.

Viel Neues über Palin wurde in den vergangenen Stunden bekannt: Zunächst erfuhr man, dass die 17-jährige Tochter der streng konservativen Alaska-Gouverneurin unverheiratet schwanger geworden ist. Dann berichteten Medien, dass Palin in den 90er Jahren Mitglied der Unabhängigkeitspartei gewesen sei, die ein Referendum über Alaskas Loslösung von den USA forderte. Und es kochte USA-weit eine Geschichte hoch, die Palin in ihrer Heimat seit längerem verfolgt. Palin soll dort einen Polizeichef gefeuert haben, weil dieser sich geweigert habe, einen gewissen Mitarbeiter zu entlassen: Palins Ex-Schwager, der damals in einem bitteren Sorgerechtsstreit mit ihrer Schwester stand.

Nachweis von Urteilsvermögen

Nicht einmal die gegnerischen Demokraten wollen Palin die frühe Schwangerschaft der Tochter vorhalten, doch laufen die Enthüllungen in ihrer Häufung genau jenem Image zuwider, dass McCains Team von ihr zeichnet. Palins Familiendinge passen nicht zu ihrer Rolle als Aushängeschild der Konservativen: Palin ist etwa gegen Sexualaufklärung, stattdessen befürwortet sie Programme, die Teenagern zu Enthaltsamkeit raten. Deren Wirksamkeit hat ihre eigene Tochter nun möglicherweise widerlegt. Palins etwaige Mitgliedschaft in der Alaska-Partei vertrüge sich nicht mit McCains Wahlkampf, der ganz auf USA-Patriotismus zugeschnitten ist. Und die Polizisten-Affäre riecht nach Amtsmissbrauch.

"Dies alles scheint die sorgfältigen Bemühungen der McCain-Kampagne zu hinterlaufen, sie als sozial konservative, gegen Korruption kämpfende Hockey-Mutter mit fünf Kindern zu porträtieren", urteilt der Wahlkampfexperte Adam Nagourney von der "New York Times". Und das ausgerechnet in dem kritischen Moment, "an dem die Öffentlichkeit gerade erst beginnt, sich ein Bild von Frau Palin zu machen."

Vor allem der konservative Flügel der Partei war zunächst begeistert von Palins Nominierung. Als der Parteitag in St. Paul am Montagabend eröffnet wurde, reagierten die Delegierten im Saal auf jede Nennung ihres Namens mit Jubel. Doch die Frage, warum er ausgerechnet die 44-Jährige aus Alaska ausgewählt hat, muss McCain erst noch überzeugend beantworten. Immerhin gilt die Vize-Nominierung als wichtigste Personalentscheidung eines US-Kandidaten, sie soll Nachweis von Urteilsvermögen und Führungsstärke sein.

Nominierungsrede mit Spannung erwartet

McCains Sprecher Tucker Bounds betonte, der Kandidat habe vor seiner Entscheidung gewusst, dass Palins Tochter schwanger ist. "Er hat das nicht als Ausschlusskriterium betrachtet", sagte Bounds auf CNN. Parallel berichteten US-Medien freilich, dass die Repubikaner ein Juristen-Team nach Alaska entsandten, um Palins Biografie nach möglichen Angriffspunkten zu durchleuchten - nach ihrer Nominierung. Dies könnte als Beleg für eine Fahrlässigkeit McCains bei der Wahl seiner Stellvertreterin gewertet werden.

"Weil McCain die Gouverneurin praktisch in letzter Minute und mit wenig persönlichem Kontakt gewählt hat, dürften die nun hochkochenden Widersprüche ein negatives Licht auf sein Urteilsvermögen werfen", prophezeit Kommentator John Dickerson vom Internetmagazin "Slate". Offenbar hat McCain seine Kandidatin nur ein Mal ausführlich unter vier Augen gesprochen: Mitte letzter Woche, ehe er ihr die Kandidatur anbot. Am Mittwochabend wird Palin die Chance haben, vieles zurechtzurücken: Dann hält sie in St. Paul ihre mit Spannung erwartete Nominierungsrede.

Quelle: ntv.de, Peter Wütherich, AFP

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