Schröder-Brüning-Vergleich Lafontaine unter Beschuss
19.11.2002, 18:59 UhrDer rechte Flügel der SPD hat dem ehemaligen Bundeschef Oskar Lafontaine den Parteiaustritt nahe gelegt. Der Seeheimer Kreis reagierte damit in Berlin auf Lafontaines Vergleich von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit dem von 1930 bis 1932 amtierenden Reichskanzler der Weimarer Republik, Heinrich Brüning.
Lafontaine hatte in seiner "Bild"-Kolumne Schröders Sparkurs heftig kritisiert. Staat und Tarifparteien müssten dafür sorgen, dass Geld ausgegeben werde. Nur so lasse sich die Wirtschaft wieder ankurbeln. Andernfalls drohten Deutschland Verhältnisse wie zum Ende der Weimarer Republik. Lafontaine schrieb: "Es ist so, als wäre Heinrich Brüning wiederauferstanden, jener Reichskanzler, der mit seiner Sparpolitik Massenarbeitslosigkeit verursachte und Hitler den Weg bereitete."
Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Reinhold Robbe, erklärte, wer die Regierungspolitik mit den Notstandsgesetzen der Weimarer Republik vergleiche, sollte sich "dringend die Frage stellen, ob er denn in der von ihm kritisierten Sozialdemokratischen Partei überhaupt noch einen Platz findet". Der Vergleich sei nicht nur historisch falsch, sondern auch im höchsten Maße unverantwortlich und durch nichts zu rechtfertigen.
Scholz: Ökonomischer Blödsinn
SPD-Generalsekretär Olaf Scholz erklärte, es sei absolut unangemessen, die "vernünftige und gerechte Politik" Schröders mit einem Mann zu vergleichen, der in der Weimarer Republik durch seine Deflationspolitik großen Schaden angerichtet habe. Lafontaines Sicht sei auch "ökonomischer Blödsinn". Die SPD sorge parallel zur Konsolidierung der Staatsfinanzen dafür, dass die Investitionstätigkeit des Bundes im nächsten Jahr von 22,9 auf 29 Milliarden Euro ansteige. Lafontaine disqualifiziere sich jetzt endgültig selbst.
Außenminister Joschka Fischer wies Lafontaines Ausführungen als "historisch abwegig" zurück. "Der Vergleich ist das Allerletzte", fügte der Grünen-Politiker hinzu.
"Der Bundestag hat abgedankt"
Dagegen erklärte der Historiker Arnulf Baring in der "Bild"-Zeitung, die heutige Krise sei vergleichbar mit dem Ende der Weimarer Republik. Zwar warte kein Demagoge wie Hitler auf die Machtübernahme, aber die "Symptome der wirtschaftlichen und politischen Zerfalls der Republik sind ähnlich". Der Bundestag habe abgedankt. Politik werde nur noch in Hinterzimmern oder Büros von Gewerkschaftsfunktionären gemacht.
Baring wies darauf hin, dass Brüning als "Totengräber der Demokratie" gilt. Er habe es nicht geschafft, die Republik aus der Wirtschaftsdepression zu führen.
Quelle: ntv.de