"Paradies Europa" Lampedusa vor dem Kollaps
21.01.2009, 17:47 UhrDie Zustände in einem völlig überfüllten Flüchtlingslager auf der süditalienischen Insel Lampedusa sorgen für Aufruhr. Zahlreiche Menschen harrten Medienberichten zufolge bereits seit mehr als 24 Stunden vor dem Lager aus, um gegen die Zustände zu protestieren. Zuletzt waren mehr als 700 Einwanderer auf der Insel gelandet und nicht wie sonst in andere Zentren in Süditalien ausgeflogen worden. Damit drängten sich über 1800 Insassen in dem Lager mit seinen rund 800 Betten.
"Sollten Unruhen ausbrechen, bestünde eine ernsthafte Gefahr nicht nur für die Insassen des Auffanglagers, sondern auch für die Polizisten und für uns", warnte Insel-Bürgermeister Bernardino De Rubeis. "Wie viele müssen noch ankommen, bis wir Hilfe von der Regierung bekommen: 2000, 3000 oder gar 6000 - so viel wie die Insel Bewohner hat?" Die EU-Kommission in Brüssel erklärte, die Lage der Flüchtlinge auf Lampedusa und anderswo am Mittelmeer habe politischen Vorrang: "Das lässt uns überhaupt nicht kalt", sagte ein Sprecher.
Sprungbrett nach Europa
EU-Justizkommissar Jaques Barrot will den Angaben zufolge bald nach Lampedusa reisen, um sich ein Bild von der Situation zu machen. Nach einer vor kurzem erteilten Anweisung des italienischen Innenministers Roberto Maroni sollen alle illegalen Einwanderer auf der Insel bleiben, um sie dann von dort direkt wieder nach Nordafrika abzuschieben. Die Demonstranten kündigten an, ihre Proteste fortzusetzen, bis eine Lösung gefunden worden sei.
Die 20 Quadratkilometer große Insel zwischen Sizilien und Nordafrika gilt vielen Verzweifelten als Sprungbrett in ein besseres Leben in Europa. Jedes Jahr treten Zehntausende von Nordafrika aus die gefährliche Überfahrt über das Mittelmeer an. Spanien hat Abkommen mit einigen Herkunftsländern geschlossen, um die Zahl der Ankömmlinge zu senken. Seither versuchen viele Afrikaner ihr Glück an anderen Orten am Mittelmeer. Allein auf Lampedusa strandeten im Jahr 2008 rund 31.000 Bootsflüchtlinge.
Im Europäischen Parlament wurde unterdessen Kritik an den Aufnahmezentren für Flüchtlinge in Europa laut. "Was wir gesehen haben, ist zum Teil erschreckend", sagte der SPD-Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler zu einem Bericht über die Zustände in manchen Zentren, den der Innenausschuss verabschiedete. "Wir fordern die Mitgliedstaaten und die EU-Kommission auf, dringend für menschenwürdige Bedingungen in den Einrichtungen zu sorgen", sagte der Asylexperte der SPD-Fraktion.
Quelle: ntv.de