Politik

Keine Bestechlichkeit, keine Vorteilsannahme Landgericht Hannover spricht Wulff frei

Christian Wulff am Morgen auf dem Weg ins Landgericht. Am Revers trägt er sein Bundesverdienstkreuz.

Christian Wulff am Morgen auf dem Weg ins Landgericht. Am Revers trägt er sein Bundesverdienstkreuz.

(Foto: dpa)

Zwei Jahre nach dem Rücktritt von Christian Wulff als Bundespräsident spricht ihn das Landgericht Hannover vom Vorwurf der Vorteilsannahme frei. Ganz ausgestanden ist die Sache für den 54-Jährigen aber möglicherweise noch nicht: Die Staatsanwaltschaft könnte Revision gegen das Urteil einlegen.

Er hat es geschafft: Ex-Bundespräsident Christian Wulff ist vom Landgericht Hannover freigesprochen worden. Einen Freispruch erhielt auch sein mitangeklagter Freund, der Filmunternehmer David Groenewold. Damit folgte Richter Frank Rosenow, wie allgemein erwartet, den Anträgen der Verteidiger.

Ein letzter Händedruck: An jedem Prozesstag hat Wulff den Justizbeamten Günter Burmeister mit Handschlag begrüßt - auch an diesem Donnerstag.

Ein letzter Händedruck: An jedem Prozesstag hat Wulff den Justizbeamten Günter Burmeister mit Handschlag begrüßt - auch an diesem Donnerstag.

(Foto: dpa)

Die Staatsanwaltschaft wollte nicht nur keinen Freispruch, sie wollte zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Urteil. In seinem Plädoyer hatte Oberstaatsanwalt Clemens Eimterbäumer eine Fortsetzung des Prozesses gefordert. Daher hatte Eimterbäumer auch das Strafmaß offengelassen, das seiner Ansicht nach angemessen gewesen wäre.

Schon die gesamte Geschichte des Verfahrens war höchst ungewöhnlich: Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft Wulff Bestechlichkeit vorgeworfen, Groenewold wollte sie wegen Bestechung anklagen. Vom Gericht zugelassen wurden jedoch nur Klagen auf Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung.

Es ging um rund 750 Euro

Politisch war Wulff über eine Vielzahl von Geschichten gestolpert, angefangen von Berichten über seinen Hauskredit, dessen Hintergrund er als niedersächsischer Ministerpräsident im Landtag verschleiert hatte, bis hin zu Urlauben bei Freunden und einem Telefonat mit der Mailbox des "Bild"-Chefredakteurs. Auslöser für seinen Rücktritt am 17. Februar 2012 war dann der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Aufhebung seiner Immunität - ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Am Ende der Ermittlungen blieben als möglicherweise strafbare Handlung nur ein paar Rechnungen, die Groenewold im September 2008 für Wulff übernommen hatte, darunter ein Besuch auf dem Oktoberfest. Dabei ging es um einen "Vermögensvorteil" von rund 750 Euro für Hotel, Essen und Babysitter.

Darf man Freunde einladen?

Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass Groenewold Wulff eingeladen hatte, weil er den Ministerpräsidenten dazu bringen wollte, sich für den Film "John Rabe" einzusetzen. Dies hat Wulff auch tatsächlich getan: Wenige Monate nach dem Oktoberfestbesuch, im Dezember 2008, schrieb er einen Brief an den damaligen Siemens-Chef Peter Löscher und warb darin für das Filmprojekt.

Allerdings bestätigten Zeugen, dass Wulff und Groenewold gut befreundet sind. So besuchte der Unternehmer Wulffs Frau Bettina am Wochenbett, nachdem sie ihren Sohn Linus zur Welt gebracht hatte - ein Zeichen der Nähe, die man zwischen einem Lobbyisten und einem Politiker eher nicht vermuten würde. "In Krisensituationen waren die beiden Angeklagten einander wertvolle Ratgeber", sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung.

Die Verteidigung konnte ebenfalls plausibel machen, dass Wulff sich für den Film über John Rabe wirklich interessierte, dass er sich also mutmaßlich aus eigenem Antrieb an Löscher wandte. Außerdem hätte Wulff die Unkosten seiner Reise nach München wegen politischer Termine, die er dort ebenfalls wahrnahm, auch über die niedersächsische CDU oder die Staatskanzlei abrechnen können. Und schließlich sagten Groenewolds Geschäftspartner, dieser sei Ende 2008 an der Filmgesellschaft, die "John Rabe" produzierte, gar nicht mehr beteiligt gewesen.

Revision wäre ein Risiko für den Staatsanwalt

Die meisten Prozessbeobachter waren sich einig, dass dieses Verfahren eigentlich gar nicht hätte stattfinden dürfen. Die Verteidigung spekulierte sogar über politische Motive der Ankläger, die in Frontlinien der niedersächsischen CDU zu suchen seien.

Wulff selbst hat das Verfahren als Chance betrachtet, seine verlorene Ehre wiederherzustellen. Zum Prozess kam es auch deshalb, weil er eine Einstellung gegen die Zahlung von 20.000 Euro abgelehnt hatte. "Wir kämpfen für die Würde und die Rechte des Bundespräsidenten Christian Wulff", erklärten seine Verteidiger Bernd Müssig und Michael Nagel.

Möglicherweise müssen sie diesen Kampf noch ein wenig fortsetzen. Eimterbäumer hat in seinem Plädoyer gesagt, das Gericht habe "die vorliegenden Erkenntnisquellen nicht ausgeschöpft". Mit anderen Worten: Der Oberstaatsanwalt hätte gern weitere Zeugen gehört, weitere Beweise vorgelegt. Wahrscheinlich wird Eimterbäumer beim Bundesgerichtshof Revision einlegen. Dafür muss er dem Oberlandesgericht Hannover Fehler im Verfahrensablauf nachweisen. Eimterbäumer riskiert mit einer Revision allerdings viel - allein schon ein Antrag auf Revision dürfte medial auf großes Unverständnis stoßen. Denn die öffentliche Stimmung, die im Februar 2012 zu Wulffs Rücktritt führte, hat sich längst zugusten des früheren Politikers gedreht.

Quelle: ntv.de, mit dpa

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