Grünes Licht für Untreue-Ermittlungen Landtag hebt Lieberknechts Immunität auf
11.09.2013, 16:24 Uhr
Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und ihr früherer Regierungssprecher Peter Zimmermann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Anfang Juni versetzt Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ihren Sprecher in den Ruhestand. Das sichert ihm weiter Bezüge, obwohl er bereits einen neuen Job hat. Nun macht der Landtag den Weg frei für Ermittlungen gegen die Regierungschefin.
Der Justizausschuss des Thüringer Landtags hat erwartungsgemäß die Immunität von Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht aufgehoben. Damit ist der Weg frei für Ermittlungen wegen Untreueverdachts. Die Entscheidung geht auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft Erfurt zurück. Grund ist eine Klage der Thüringer Grünen. Sie wollen klären lassen, ob die CDU-Politikerin bei der Frühpensionierung ihres Ex-Sprechers und verbeamteten Staatssekretärs Peter Zimmermann durch Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gegen Gesetze verstoßen und möglicherweise Geld verschwendet hat. Der 38-Jährige ist ins Management eines Leipziger Internet-Unternehmens gewechselt.
Die Aufhebung der Immunität als Abgeordnete hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf Lieberknechts Arbeit als Regierungschefin und Parlamentsmitglied. Allerdings sieht der Koalitionspartner SPD eine mögliche Belastung der Regierungsarbeit, sollte es ein Ermittlungsverfahren geben.
Verstimmung beim Koalitionspartner
Die Affäre gilt - wenige Wochen vor der Bundestagswahl und ein Jahr vor der Landtagswahl - inzwischen als eine der größten Krisen in der Amtszeit der 55-Jährigen, die seit 2009 an der Spitze der Landesregierung steht. Sie hatte Zimmermann Ende Juni in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Bereits zu diesem Zeitpunkt war jedoch klar, dass er einen neuen Job beim Leipziger Internetdienstleister Unister hat. Lieberknechts Entscheidung hatte ihm den Anspruch auf weitere staatliche Bezüge von rund 1400 Euro im Monat eröffnet.

Der Ex-Regierungssprecher Peter Zimmermann zwischen Regierungschefin Christine Lieberknecht (l) und ihrem Vize Christoph Matschie (SPD).
(Foto: picture alliance / dpa)
Grünen-Landessprecher Dieter Lauinger sprach von einer "politisch skandalösen Vorgehensweise", der Fraktionschef von Koalitionspartner SPD, Uwe Höhn, von einer "unsäglichen und krassen Fehlentscheidung der Ministerpräsidentin". Ebenso wie Vize-Regierungschef Christoph Matschie (SPD) drängt er auf umfassende Aufklärung. Einen Schritt weiter geht Linke-Fraktionsvorsitzender Bodo Ramelow. In der "Berliner Zeitung" sagte er, dass im Fall einer Anklage ein Rücktritt unausweichlich wäre. "Denn das würde ja bedeuten, dass sie ihr Kabinett belogen hätte."
Die einen mitunter präsidialen Regierungsstil pflegende Lieberknecht indes verteidigt ihr Vorgehen. Sie sehe den Ermittlungen gelassen entgegen. Die Staatsanwaltschaft dürfe sich nicht dem Verdacht aussetzen, "in dieser Angelegenheit weniger konsequent vorzugehen als in anderen", hatte sie bereits zuvor erklärt. Sie sei überzeugt, dass die Rechtmäßigkeit ihres verwaltungsrechtlichen Handelns bestätigen werden wird.
Mit Zimmermann unzufrieden
Allerdings hatte sie erst nachdem die Staatsanwaltschaft Erfurt beim Landtag die Aufhebung ihrer Immunität beantragte, erstmals offiziell Stellung zu dem Fall genommen. Zu dem Termin war auch die halbe Belegschaft der Staatskanzlei gekommen. Sie begründete die Pensionsregelung für Zimmermann mit einem längerfristig geplanten personellen Umbau in der Staatskanzlei. Zudem deutete sie an, mit der Arbeit ihres früheren Sprechers nicht völlig zufrieden gewesen zu sein.
Zimmermann, der zuvor Regierungssprecher in Sachsen war, aber wollte den Posten wohl nicht ohne Weiteres räumen. Ihrer Ansicht nach hatte sie keine andere Möglichkeit, als dessen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Allerdings hatte der "Spiegel" unter Berufung auf Gutachten berichtet, dass selbst die eigenen Fachleute frühzeitig Bedenken anmeldeten. "Ich hätte vielleicht eher die Öffentlichkeit suchen sollen." Trotz ihrer Schutzfunktion gegenüber dem Beamten Zimmermann hätte sie ihre Beweggründe nennen sollen. "Da habe ich die Dynamik in der Tat unterschätzt."
Inzwischen ist die Frühpensionierung zurückgenommen. Zimmermann hatte Ende Juli seinen Rücktritt eingereicht. Zuvor hatte er in der Debatte angekündigt, seine Bezüge spenden zu wollen. Seinen Posten übernahm CDU-Fraktionssprecher Karl-Eckhard Hahn.
In einer ähnlichen Situation wie Lieberknecht befindet sich im Übrigen Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU): Seine Immunität wurde bereits aufgehoben. Im Fokus stehen Aussagen Haseloffs in einem Landtags-Untersuchungsausschuss zu einem Müllskandal; damals war er noch Wirtschaftsminister. Die Linken bezichtigten Haseloff in einer Anzeige der Falschaussage.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP