Präsidial und kämpferisch Letzter Akt im Bundestag
08.09.2009, 17:16 UhrIn der stark vom Wahlkampf geprägten Aussprache betonen Merkel und Steinmeier auch Gemeinsamkeiten. Merkel gibt sich dabei gewohnt präsidial, Steinmeier erstaunlich kämpferisch. Sein Hauptgegner ist aber nicht Merkel, sondern die FDP.
Zweieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl haben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier eine betont positive Bilanz der Großen Koalition gezogen. Union und SPD hätten das Land erfolgreich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise geführt und Handlungsfähigkeit bewiesen, zeigten sie sich in der letzten Sitzung des Bundestags in dieser Wahlperiode überzeugt.
"Absolut richtig"
"Wir können stolz darauf sein, was unser Land in den letzten zwölf Monaten geleistet hat", sagte Merkel in der Sondersitzung des Parlaments 19 Tage vor der Bundestagswahl. Genau ein Jahr nach Ausbruch der Finanzkrise sei die Talsohle in Deutschland offensichtlich durchschritten. Dies zeige, dass die Rezepte der Koalition wie das Konjunkturprogramm oder die Abwrackprämie "absolut richtig" gewesen seien. Auch sonst habe das Bündnis einiges zu Stande gebracht, betonte Merkel.
Dazu gehöre der Abbau der Arbeitslosigkeit oder die Aufnahme der Schuldenbremse ins Grundgesetz. Auch der umstrittene Gesundheitsfonds habe sich als richtig erwiesen, um die Kosten stabil zu halten. Für die nächste Wahlperiode signalisierte Merkel Entlastungen für die Wirtschaft im Zuge einer weiteren Unternehmenssteuerreform. Klatschen wollten die Sozialdemokraten nach der Rede der Kanzlerin nicht.
"Deutschland ist ein sozialdemokratisches Land"
"Wir haben das Beste daraus gemacht", sagte Steinmeier über die Arbeit der Koalition, die nach seinen Worten von einer "sozialdemokratischen Handschrift" geprägt war. Die Politik habe sich in der Krise bewährt. Er warf Union und FDP leere Versprechungen im Wahlkampf vor: "Wer in einer solchen Situation massive Steuersenkungen verspricht, der täuscht die Wähler. Das kostet Vertrauen in die Demokratie."
Der Außenminister warnte davor, den Ausstieg aus der Atomenergie rückgängig zu machen. Ansonst drohe ein "gesellschaftlicher Großkonflikt". "Wir stehen vor Jahren, in denen der Rückzug des Staates nicht mehr auf dem Programm steht", erklärte der Vizekanzler. "Das werden Jahre der Gestaltung, die vor uns liegen, oder verlorene Jahre sein". An die Adresse von Union und FDP gerichtet fügte er hinzu: "Deutschland ist ein sozialdemokratisches Land. .. Deshalb werden sich ihre Blütenträume einer neuen Regierung nicht erfüllen".
Seine Koalitionsabsichten lässt Steinmeier im Vagen. Im Grunde empfiehlt er die SPD an diesem Tag aber in erster Linie als notwendiges Korrektiv in einer neuen Großen Koalition. Linksfraktionschef Gregor Gysi gibt sich später künstlich verwirrt und fragt sich, ob der Außenminister Vize-Kanzler bleiben oder wirklich eine neue Koalition anführen wolle?
"Vier verlorene Jahre"
FDP-Chef Guido Westerwelle hielt der Koalition Versagen auf ganzer Linie vor: "Es waren vier verlorene Jahre". Staatsverschuldung und Steuern seien auf Rekordhöhen gestiegen. Wegen Zerrüttung stehe dies "Zwangsehe" nun kurz vor dem Ende. Westerwelle stellte bereits Bedingungen für eine Zusammengehen mit der Union nach dem 27. September: "Diese Gesundheitspolitik von Ulla Schmidt wird in einer Koalition von Union und FDP beendet. Das muss klar sein."
Für die Linkspartei forderten ihre Fraktionschefs Oskar Lafontaine und Gregor Gysi die endgültige Abkehr vom Neoliberalismus mit seinen "verheerenden" Folgen. Seine Partei sei die einzige, die für die Überwindung von Hartz IV oder das Verbot Waffenexporten kämpfe, sagte Gysi.
Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete Merkels Auftritt als "typische Valium-Rede". Die Regierungschefin benenne zwar die Probleme, drücke sich aber um konkrete Antworten. "Das reicht definitiv nicht aus", meinte Künast.
Quelle: ntv.de