Erdbeben in Frankreichs Senat Linke Parteien haben Oberhand
26.09.2011, 06:58 Uhr
Es wird eng für Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy.
(Foto: dpa)
Die routinemäßige Wahl der Hälfte aller Mandate im Pariser Senat endet mit einer Sensation: Sieben Monate vor der Präsidentenwahl verliert die konservative französische Regierung von Nicolas Sarkozy die Mehrheit im Senat. Die oppositionellen Sozialisten erringen erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg die Mehrheit.
Erstmals seit 1958 bekommt die politische Linke Frankreichs im Oberhaus eine absolute Mehrheit. Für den um seine Wiederwahl kämpfenden und in Umfragen schwächelnden Präsidenten Nicolas Sarkozy ist der Verlust der Senatsmehrheit eine schwere symbolische Niederlage. Dessen bürgerliches Lager hatte seit dem Bestehen der Fünften Republik 1958 die zweite Parlamentskammer dominiert.
Sarkozys Amt nahm den Wahlausgang zur Kenntnis und sprach von einer logischen Konsequenz des politischen Vormarsches der Linken in den Gemeinderäten. Premierminister François Fillon kritisierte Differenzen im konservativen Lager und rief zur Geschlossenheit auf.
Laut dem offiziellen Ergebnis eroberte sich die Opposition 177 der insgesamt 348 Sitze im Oberhaus. Bei der indirekten Wahl hatten am Sonntag knapp 72.000 Wahlmänner die Hälfte der Senatoren neu bestimmt. Die Senatoren werden nicht direkt vom Volk, sondern von kommunalen Vertretern gewählt. Senatspräsident Gérard Larcher von der Regierungspartei UMP hatte einen Sieg der Sozialisten im Vorfeld als politisches Erdbeben bezeichnet.
Jubel bei linken Parteien
"Der 25. September 2011 wird in die Geschichte eingehen", jubelte der Fraktionschef der Sozialistischen Partei (PS) im Senat, Jean-Pierre Bel, der nun Präsident des Oberhauses werden könnte. "Die Linke hat zum ersten Mal den Wechsel geschafft."
Der sozialistische Parteichef Harlem Désir sprach von einer schallenden "Ohrfeige für Sarkozy". "Der Wechsel ist im Gange", sagte der sozialistische Spitzenpolitiker François Hollande, der mögliche SP-Präsidentschaftskandidat im kommenden Jahr. Der frühere Parteichef der Sozialisten sprach von einem "Zerfall des Systems Sarkozy". Die Chefin der mit den Sozialisten verbündeten Grünen, Cécile Duflot, sprach von einem "historischen Moment für die Fünfte Republik".
"Die Schlacht beginnt"
Regierungschef Fillon räumte einen "starken Auftrieb" für die Linke ein. "Mit diesem Abend beginnt die Schlacht", sagte er im Hinblick auf die Präsidentenwahl im Frühjahr. Eine Parteisprecherin versuchte, die Auswirkungen zu relativieren. Die Regierungsarbeit könne nicht blockiert werden, denn schließlich sei die Nationalversammlung für die Gesetzgebung zuständig. "Regionalwahlen begünstigen selten den Amtsinhaber."
Die neue Mehrheit könnte Sarkozy in den kommenden Monaten das Regieren erschweren. Stehen doch Abstimmungen über so wichtige Dinge wie den Haushalt 2012 an. Das Oberhaus kann jedes Votum der Nationalversammlung durchkreuzen, indem es gegen ein bereits von den Parlamentariern verabschiedetes Projekt stimmt. Das passierte beispielsweise mit dem Haushalt 2011, bei dem der Senat einige Punkte änderte, so dass ein Vermittlungsausschuss einen Kompromiss finden musste. Falls die Vermittlung scheitert, hat allerdings die Nationalversammlung das letzte Wort.
Mit einer linken Mehrheit im Senat müsste Sarkozy seinen Plan beerdigen, in der Verfassung ein Schuldenverbot festzuschreiben, mit dem das Land die Bestnote AAA bei den Ratingagenturen besser verteidigen könnte.
Die Wahl des neuen Senatspräsidenten ist für kommenden Samstag angesetzt. Falls der Präsident ausfällt, ist es der Vorsitzende des Oberhauses, der die Geschicke Frankreichs bis zu Neuwahlen lenkt. Das war zum Beispiel 1969 nach dem Rücktritt von Charles de Gaulle der Fall.
In jüngsten Umfragen zur Präsidentschaftswahl 2012 liegt derzeit der frühere sozialistische Parteichef Hollande um mehrere Prozentpunkte vor dem konservativen Amtsinhaber Sarkozy, der seine Kandidatur für die Wiederwahl nächstes Jahr noch nicht offiziell verkündet hat. Die Sozialisten hoffen, im kommenden Frühjahr nicht nur die Präsidentschaftswahl zu gewinnen, sondern anschließend auch noch die Parlamentswahl.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP