Lafontaines letzter Akt Linke will Verstaatlichung
20.03.2010, 18:43 UhrDie Linkspartei legt den Entwurf für ein Grundsatzprogramm vor und setzt dabei auf die Überwindung des Kapitalismus. So sollen unter anderem Strom-, Telekommunikations- und Schienenverkehrsnetze aber auch Großbanken verstaatlicht werden. Die Partei will zudem mehr Volksabstimmungen.
Mit einem Bekenntnis zu radikalen Wirtschaftsreformen und zu mehr direkter Demokratie will die Linkspartei nach schwierigen Personaldebatten ihr politisches Profil schärfen. Die scheidenden Parteivorsitzenden Lothar Bisky und Oskar Lafontaine stellten den Entwurf eines neuen Grundsatzprogramms vor, das unter anderem die Verstaatlichung von Großbanken vorsieht. "Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte", heißt es in dem 25-seitigen Entwurf. SPD und CDU reagierten mit Kritik.
Lafontaine sagte nach einer Sitzung des Parteivorstands, angesichts der Tatsache, dass immer weniger Bürger zu Wahlen gingen, sei es wichtig, diese stärker am politischen Prozess zu beteiligen und den Einfluss von Interessenvertretern einzuschränken. Deshalb werde sich die Linke für mehr direkte Demokratie etwa in Form von Volksabstimmungen einsetzen.
"Andere Wirtschaftsordnung"
In dem Grundsatzprogramm, an dem länger als zwei Jahre gearbeitet wurde, fordert die Linke zudem eine "andere, demokratische Wirtschaftsordnung", in der Großbanken und für die Infrastruktur wichtige Betriebe in Besitz von Staat, Kommunen oder Genossenschaften überführt würden. "Wir sind der Meinung, dass der private Bankensektor die Demokratie aushöhlt", sagte Lafontaine. Wirtschaftliche Interessen nähmen immer stärker Einfluss auf politische Entscheidungen. "Im Gegensatz zu anderen Parteien haben wir Vorschläge, wie der Lobbyismus eingeschränkt werden könnte", sagte der scheidende Parteichef. Die Belegschaften von Betrieben sollten durch Mitarbeiterbeteiligungen von Gewinnen profitieren.

Bisky und Lafontaine geben die Richtung vor - ihre Nachfolger werden das Programm umsetzen müssen.
(Foto: dpa)
Der erste große Versuch im 20. Jahrhundert eine "nicht-kapitalistische Ordnung" aufzubauen sei an mangelnder Demokratie, Überzentralisation und ökonomischer Ineffizienz gescheitert, heißt es in dem Programm. "Unter Pervertierung der sozialistischen Idee wurden Verbrechen begangen. Dies verpflichtet uns, unser Verständnis von Sozialismus neu zu bestimmen."
Die Linke will unter anderem Strom-, Telekommunikations- und Schienenverkehrsnetze verstaatlichen, tritt für ein Bankensystem aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und staatlichen Großbanken ein und will den Eigentumsbegriff neu definieren. Bisky betonte aber, es gehe nicht um die Rückkehr zum Staatssozialismus nach DDR-Vorbild. "Der Staatssozialismus ist gescheitert ... und er wurde abgewählt", sagte er.
Politische Streiks und Mitbestimmung
Neben Volksentscheiden soll die Bevölkerung nach Vorstellung der Programmkommission auch über Streiks Einfluss auf die Politik nehmen können. In Deutschland ist das bisher verboten, in anderen europäischen Ländern wie Frankreich dagegen bereits erlaubt.
Bisky sagte, er erhoffe sich nun eine Programmdebatte, die den "identitätsstiftenden Kern" für die Linke finden solle. Das Grundsatzprogramm soll nach ausgiebigen Diskussionen auf einem Parteitag oder in einer Urabstimmung beschlossen werden. Diese Frage wird ab in einem Mitgliederentscheid geklärt, dessen Ergebnis im April vorliegen soll. Medienberichten zufolge könnte sich die Debatte bis Ende 2011 hinziehen.
Koalitionseinschränkungen
Lafontaine sieht durch das Programm die Koalitionsfähigkeit der Linken nicht eingeschränkt: Wenn die Voraussetzungen stimmten, sei seine Partei auch in Nordrhein-Westfalen bereit zur Mitverantwortung. Gerade mit SPD und Grünen habe die Linke auf Landesebene viele Gemeinsamkeiten. Die Signale aus der SPD seien aber widersprüchlich, die NRW-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft habe sich noch gar nicht geäußert.
Auf Bundesebene hingegen befanden die Linken-Chefs ein Bündnis für unwahrscheinlich. Wer meine, die Linken müssten erst einem Krieg zustimmen, bevor man mit ihnen reden kann, könne es "gleich sein lassen", sagte Bisky. Die Partei bleibe bei ihrer Ablehnung von Kriegseinsätzen wie in Afghanistan sowie von militärischen Einsätzen zur Sicherung von Rohstoffquellen. "Wir können nicht Grundsätze täglich neu definieren, weil wir koalieren wollen."
Andere Parteien reagierten kritisch auf das Linken-Programm: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisierte den Entwurf als "widersprüchliches Sammelsurium" aus DDR-Nostalgie und kleinbürgerlichen Allmachtsphantasien. Die Linke mache die Vergangenheit zum Programm, "deshalb kann sie auch keine Zukunft gestalten". Der Chef der CSU-Fraktion im Bundestag, Hans-Peter Friedrich, erklärte, der Entwurf zeige "das wahre Gesicht der Sozialisten". Die Linke wolle den freiheitlichen Staat bekämpfen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa