Landtagswahlen im Nordosten MV sucht den Juniorpartner
03.09.2011, 06:08 UhrGeht es nach den Umfragen, liegt die SPD von Ministerpräsident Sellering in Mecklenburg-Vorpommern klar vorn. Für eine absolute Mehrheit reicht es aber nicht, so bleibt die Frage: Wer gewinnt die Brautschau, die Linke oder die CDU? Für negative Schlagzeilen sorgt der Wahlkampf der NPD, die um den Einzug in den Landtag zittern muss.
Der Mecklenburger gilt gemeinhin als gemütlich, Veränderungen steht man im Nordosten eher skeptisch gegenüber. Und so nimmt es auch wenig Wunder, dass bei den Landtagswahlen am Sonntag nichts auf einen Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten hindeutet. Die SPD von Erwin Sellering liegt in den Umfragen mit 35 Prozent komfortabel vorn. Spannung verspricht der Wahltag dennoch, schließlich harren wichtige Fragen noch ihrer Beantwortung: Wer wird zweitstärkste Kraft im Schweriner Landtag? Wer darf mit der SPD koalieren? Schafft es die rechtsradikale NPD erneut ins Parlament?

Storch Heinar ist eine Parodie auf die in rechten Kreisen beliebte Modemarke "Thor Steinar".
(Foto: REUTERS)
Vor allem der massive Wahlkampf der Rechten treibt Mecklenburg-Vorpommern um. Die dumpfen Parolen der NPD säumen die Straßen von Rostock bis Stralsund. Das bringt das ganze Land in Verruf, fürchtet die Tourismusbranche. "Wir können nicht Weltoffenheit propagieren, wenn auf Plakaten in fast jedem Dorf 'Ausländer raus' steht", beklagte der Vorsitzende des Tourismusverbandes, Wolf-Dieter Ringguth. Ausländische Starter beim Lauf um die Müritz sowie Musiker aus Asien und den USA bei den Musikfestspielen hätten sich sehr irritiert über die vielen NPD-Plakate gezeigt. Abhilfe schafft der heimliche Star des Wahlkampfes, der Storch Heinar. Der Vogel mit dem markanten Oberschnabelbart dient dem SPD-nahen Projekt "Endstation Rechts" als Satire-Figur. Mit ihr tingelt die Initiative durchs Land und wirbt für die Wahl einer demokratischen Partei, sogar eigene Plakate mit dem Storch finden sich - wenngleich viel seltener als die der NPD.
Der hohe finanzielle Aufwand, den die Rechten betreiben, hat einen Grund: Die Meinungsforscher sehen die NPD derzeit nur bei 4,5 Prozent, die sechs Landtagsmandate sind in Gefahr. Auch in der direkten Konfrontation agieren die rechten Wahlkämpfer deshalb wie angeschlagene Boxer. Bei einer tauchte plötzliche der Landtagsabgeordnete Udo Pastörs auf und forderte den Gast aus Berlin zu einem Duell auf. Gysi lehnte ab, der Veranstalter verwies Pastörs des Platzes.
CDU und Linke werben um SPD
Der Fraktionschef der Linken befand sich auf einer Wahlkampftour, um den Spitzenkandidaten Helmut Holter zu unterstützen. Der hegte noch bis vor einem Jahr die Hoffnung, der erste linke Ministerpräsident in Deutschland zu werden. Doch der Sturzflug in den Umfragen verschonte auch die Genossen in Mecklenburg-Vorpommern nicht, die Partei kann derzeit nur mit 16,5 Prozent der Stimmen rechnen. Holter scheint sich damit abgefunden zu haben und umgarnt die SPD, mit der er "viele Gemeinsamkeiten etwa bei Mindestlohn und Bildung" sieht. Seine Appelle an Sellering, sich vorzeitig auf Rot-Rot festzulegen, verhallten jedoch ungehört - genau wie andersherum die Forderungen der CDU nach einer Absage der SPD an die Linke.
"Nur eine starke CDU kann dafür sorgen, dass die Linken nicht in die Regierung kommen", sagte die prominente Wahlhelferin Angela Merkel bei einer Kundgebung in Neustrelitz. Die CDU hat es schwer, Gründe zu benennen, warum die Wähler ihr Kreuz bei den Christdemokraten machen sollten. Die Union habe maßgeblichen Anteil daran, dass Mecklenburg-Vorpommern seit dem Amtsantritt der Großen Koalition 2006 keine neuen Schulden mehr gemacht hat, meinte Merkel noch. Eine Bewerbung um den Platz als Juniorpartner, mehr ist nicht drin mit 28 Prozent in den Umfragen. Spitzenkandidat Lorenz Caffier blieb blass, der einzige Aufreger war sein missglücktes Wahlplakat, auf dem das C in seinem Namen für "Zukunft" stehen sollte. "Immerhin hat es meinen Bekanntheitsgrad gesteigert", versuchte Caffier dem PR-Fiasko eine gute Seite abzugewinnen, doch genutzt hat es ihm wohl kaum: In einer Direktwahl würde er Erwin Sellering mit 17 zu 62 Prozent der Stimmen unterliegen.
Sellering hat die Qual der Wahl
Der Amtsinhaber kann sich also entspannt zurücklehnen und die möglichen Koalitionen abwägen. Zu einem Bündnis mit den Grünen wird es nicht kommen - zwar sehen die Grünen ihrem ersten Einzug in den Schweriner Landtag entgegen, die voraussichtlich rund acht Prozent werden aber nicht für die Regierungsbänke reichen. Die FDP, bei den Wahlen 2006 mit 8,6 Prozent noch die große Überraschung, muss sich gewaltig strecken, um überhaupt die Fünf-Prozent-Hürde zu nehmen, nur vier Prozent weisen die Umfragen derzeit aus.
CDU und Linkspartei bieten Sellering genügend Anknüpfungspunkte: Mit der Union regiert der SPD-Mann seit 2008, als er das Amt des Ministerpräsidenten von Harald Ringstorff übernahm. Gerade mit seinem Innenminister Lorenz Caffier verbindet ihn eine professionelle Partnerschaft, wie beide Seiten immer wieder betonen.
Aber auch eine Partnerschaft mit den Linken und dem "Realo" Holter wäre denkbar. Der spricht sich deutlich gegen jegliche Ostalgie in den eigenen Reihen aus und hat die Fundamentalopposition in seinem Landesverband gezügelt und auf die hinteren Listenplätze verbannt. Sellering wiederum, gebürtiger Westfale, punktete beim Wahlvolk vor einiger Zeit mit der Bemerkung, er würde nicht uneingeschränkt von der DDR als "Unrechtsstaat" sprechen wollen. Mit seiner Kritik am Bundeswehreinsatz in Afghanistan und an Hartz IV zählt der Ministerpräsident überdies zum linken Flügel der Partei. Gut möglich also, dass die rot-rote Koalition, die von 1998 bis 2006 in Schwerin regierte, eine Neuauflage erfährt. Damals Arbeitsminister und Stellvertreter von Harald Ringstorff: Helmut Holter.
So beliebt wie der pragmatische Sellering bei den Mecklenburgern ist, stehen ihm beide Varianten offen, ohne dass er politischen Schaden nehmen dürfte. Zurück in die Zukunft oder weiter mit : Die genügsamen Mecklenburger könnten sich sicher mit beiden Optionen arrangieren.
Quelle: ntv.de, mit dpa/AFP