Politik

Kanzlerin hat "volles Vertrauen" Macht Merkel Schluss?

Die beiden Frauen halten zusammen und werden kämpfen, das war die Botschaft der vergangenen Wochen. Aber wie geht's weiter?

Die beiden Frauen halten zusammen und werden kämpfen, das war die Botschaft der vergangenen Wochen. Aber wie geht's weiter?

(Foto: picture alliance / dpa)

Annette Schavan und Angela Merkel gelten als enge Vertraute. Doch die Kanzlerin steht nach der zweiten Plagiats-Affäre in ihrem Kabinett unter Zugzwang. Schavan will nicht zurücktreten und die Kanzlerin bekundet ihr "volles Vertrauen". Dabei sind die Spekulationen um ihren Nachfolger gar nicht aufzuhalten.

März 2011 bei der Cebit: Merkel reicht ihr Handy an Schavan weiter.

März 2011 bei der Cebit: Merkel reicht ihr Handy an Schavan weiter.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am Morgen des 1. März 2011 stehen Angela Merkel und Annette Schavan zusammen. Beide besuchen gerade die Computermesse Cebit in Hannover. Plötzlich zeigt die Bundeskanzlerin auf ihr Handy. Die beiden Frauen tauschen verschwörerisch-verschmitzte Blicke aus. Karl-Theodor zu Guttenberg hat gerade per SMS seinen Rücktritt als Bundesverteidigungsminister mitgeteilt. Wegen seiner Plagiatsaffäre.

Zwei Jahre nach der Kurzmitteilung von Hannover klagt Schavan, die damals zu Protokoll gegeben hatte, sich "nicht nur heimlich" für Guttenberg zu schämen, selbst gegen den Entzug ihrer Doktorarbeit. "Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen", sagte die Bildungsministerin während einer fünftägigen Südafrikareise. Die Ministerin hatte Plagiate und eine Täuschungsabsicht in den vergangenen Monaten stets bestritten und die Prüfung selbst angeregt.

Die Qual vor der Wahl

Doch das Urteil der Universität Düsseldorf fiel eindeutig aus. Im zuständigen Fakultätsrat votierten 12 von 15 stimmberechtigten Mitgliedern für die Aberkennung des Titels. Es gab zwei Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Wegen "vorsätzlicher Täuschung" in ihrer Promotionsarbeit entzog die Uni Schavan nach neunmonatiger Prüfung ihren vor 33 Jahren erworbenen Doktortitel. Sie habe "systematisch und vorsätzlich gedankliche Leistungen vorgegeben, die sie in Wirklichkeit nicht selbst erbracht hat", erklärte Dekan Bruno Bleckmann.

Als die Welt noch in Ordnung war: Merkel und Schavan im Jahr 2000.

Als die Welt noch in Ordnung war: Merkel und Schavan im Jahr 2000.

(Foto: Associated Press)

Anders als Guttenberg will Schavan jedoch nicht zurücktreten und um ihren Titel kämpfen. Rechtlich ist das nicht aussichtlos: Die Uni-Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Für ihre Klage hat Schavan nun einen Monat Zeit. Der Prozess könnte durch mehrere Instanzen gehen und sich über Monate hinziehen. Eventuell bis zur Bundestagswahl.

Die Kanzlerin bringt die Affäre daher in ernste Bedrängnis. Zwar gilt Schavan als eine der wenigen Vertrauten von Merkel, aber sie ist bereits das zweite Kabinettsmitglied, das über seine Doktorarbeit stolpert. Regierungssprecher Steffen Seibert versicherte am Tag nach der Aberkennung, die Kanzlerin habe weiterhin "volles Vertrauen". Sie stehe mit Schavan "in gutem Kontakt" und schätze "ihre Leistung als Ministerin außerordentlich". Vor einigen Tagen hatte er betont, im Falle eines Wahlsiegs bei der Bundestagswahl werde sie Forschungs- und Bildungsministerin bleiben.

Nur wie lange gilt Merkels Treue noch? Auch Guttenberg stützte sie noch nach Bekanntwerden der massiven Plagiate. Dem damaligen Verteidigungsminister Franz-Josef Jung sprach sie einen Tag vor seinem Rücktritt ihr Vertrauen aus. Und auch hinter Christian Wulff stellte sie sich, als schon vielen klar war, dass er als Bundespräsident kaum zu halten sein würde. Ob Annette Schavan nun wirklich Ministerin bleiben und vielleicht sogar bei der Wahl wieder antreten darf, ist darum noch längst nicht entschieden. Am Ende wird es darauf ankommen, ob sie die Wiederwahl der Koalition gefährdet.

"Geschummelt ist geschummelt"

Die Opposition ist in ihrem Urteil bereits recht eindeutig: "Frau Schavan hat nicht so dreist getäuscht wie zu Guttenberg. Aber geschummelt ist geschummelt", sagte Thomas Oppermann, der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer der SPD. Als Vorbild für junge Doktoranden, die die wissenschaftlichen Regeln unbedingt einhalten wollen und müssen, sei Schavan nun denkbar ungeeignet. "Frau Schavan muss deshalb zurücktreten."

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sagte dem "Tagesspiegel", sie gehe davon aus, dass Schavan "sich und der Wissenschaft die Verlängerung dieser Affäre erspart und ihren Rücktritt erklärt". Der politische Geschäftsführer der Piratenpartei, Johannes Ponader, sagte: "Der Rücktritt von Frau Schavan ist überfällig." Die Grundlage von aufrichtiger Politik sei Glaubwürdigkeit. "Diese Glaubwürdigkeit kann Frau Schavan nicht länger verkörpern."

Tatsächlich zweifeln jedoch selbst in den Regierungsparteien viele, ob die Ministerin den Druck auf Dauer aushält. So ist die Zahl der Solidaritätsgesten am Tag nach der Entscheidung überschaubar. Der bayerische FDP-Fraktionschef Thomas Hacker legte der Bildungsministerin sogar den Rücktritt nahe. Schavan müsse an sich die gleichen Maßstäbe anlegen wie an Guttenberg. "Gerade wenn man sich gedanklich zurückholt, was Frau Schavan in der Causa Guttenberg gesagt und getan hat, muss sie die Konsequenzen ziehen", sagte Hacker.

Der talentierte Mr. McAllister

Auch wenn in der CDU derzeit noch keiner offen darüber sprechen will: Tatsächlich wird jedoch schon seit Ausbruch der Plagiatsaffäre im Mai 2012 über mögliche Nachfolger spekuliert. Zu diesen zählt auch Julia Klöckner, die derzeit CDU-Chefin in Rheinland-Pfalz ist. Sie wird in der Parteispitze seit längerer Zeit für höhere Aufgaben gehandelt. Eine weitere Option ist CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der sich zuletzt bereits mehrfach in der Bildungspolitik profilierte.

Populärster Kandidat ist jedoch wohl der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister. Im CDU-Vorstand hieß es zuletzt: Hätte McAllister die Wahl gewonnen, wäre er jetzt die Nummer zwei hinter Merkel. Fraglich ist, ob der 42-Jährige so kurz nach der Wahlniederlage schon nach Berlin wechselt.

Doch am Morgen nach dem Wahlsonntag gab Merkel ein für ihre Verhältnisse beeindruckendes Bekenntnis zu ihm ab. McAllister gehöre zu den fähigsten, besten Köpfen der CDU. "Er ist ein junger Mann im Vergleich zu meinem Alter. Insofern gehört ihm die Zukunft, an welcher Stelle auch immer." Daraufhin legte die 58-Jährige ihm kurz die Hand auf die Schulter und warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. Sie sagt: "Wir gewinnen gemeinsam, wir verlieren gemeinsam."

Quelle: ntv.de, mit che/dpa

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