Merkel watscht ihren Vize ab "Man sieht sich wieder"
24.02.2010, 17:14 Uhr
Westerwelle ließ Merkel und Seehofer warten.
(Foto: dpa)
Viel gelangt nach dem Krisentreffen der drei Parteivorsitzenden Merkel, Seehofer und Westerwelle zunächst nicht an die Öffentlichkeit. Der Grund dafür könnte sein, dass Merkel und Westerwelle lieber über die Medien miteinander kommunizieren.
Mit der Konzentration auf Inhalte wollen die drei Parteivorsitzenden der schwarz-gelben Koalition Ruhe in ihr zerstrittenes Bündnis bringen. "Das Gespräch war sehr konstruktiv, sachlich und ruhig", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle nach einem dreistündigen Spitzentreffen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer. "Von der Energie- bis zur Sozialpolitik wurde ein kompletter Themenkreis angesprochen. Man sieht sich wieder im März." Ähnliche Angaben wurden in Koalitionskreisen gemacht. Es sei auch über die Gesundheitspolitik und die Lage des Euro gesprochen worden. Der nächste "Dreier-Gipfel" werde in rund fünf Wochen sein, hieß es. Seehofer und Merkel äußerten sich zunächst nicht.
Unmittelbar vor dem Gespräch im Kanzleramt war es zu einem erneuten Schlagabtausch gekommen. Merkel wies FDP-Chef Guido Westerwelle via Zeitung in die Schranken. Der Außenminister legte seinerseits nach und wies Kritik an seinen Äußerungen zum Missbrauch von Hartz-IV-Leistungen zurück. Am Abend ließ er Merkel und Seehofer zunächst demonstrativ warten, so dass das Gespräch mit leichter Verspätung begann. Das Trio wollte versuchen, das Koalitionsklima zu verbessern.
Westerwelles Äußerungen in der Diskussion über Hartz-IV-Leistungen hatten auch Merkel auf den Plan gerufen. Sie wandte sich gegen Profilierungsversuche von Westerwelle. "Ich möchte aber vermeiden, dass durch bestimmte Formulierungen wie etwa 'Man muss noch sagen dürfen' der Eindruck entstehen kann, es werde etwas ausgesprochen, was nicht selbstverständlich ist", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu konfrontativ vorgetragenen Forderungen Westerwelles in der Sozialstaats-Debatte. Schärfere Sanktionen für den Missbrauch von Hartz-IV-Leistungen lehnte sie ab.
Kein Profit in Umfrage
Die FDP verübelt der Union Angriffe auf Westerwelle und wirft ihr ein mangelndes Bekenntnis zu gemeinsamen Projekten vor. Der FDP-Chef hatte einem Bericht der "Stuttgarter Zeitung" zufolge wegen Angriffen gegen ihn aus der Union erwogen, dem Gipfel der Parteichefs fernzubleiben. Dies wurde in der FDP-Spitze nicht ausdrücklich dementiert. Westerwelle wies in einem Beitrag für die Zeitung "Die Welt" Merkels Kritik an seinem Diskussionsstil zurück. "Wenn die Kritiker dann sehen, dass diese Debatte bei einer sehr großen Mehrheit der Bevölkerung ebenfalls als notwendig und angemessen angesehen wird, konzentrieren sie sich auf die Tonalität. Nach der Methode: Er hat ja eigentlich Recht, aber so deutlich muss er es doch nicht sagen."

Erkennungszeichen der Kanzlerin: lange überlegen, bis man etwas sagt. Sie teilt ihrem Vize ihre Ansicht per Zeitung mit.
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Das Gespräch war das zweite Treffen dieser Art seit dem Start der schwarz-gelben Regierung. Eine Art Stillhalteabkommen bei der ersten Runde vor fünf Wochen hatte nur wenige Tage gehalten. Allgemein herrscht in der Koalition die Erwartung, dass der öffentliche Dauerstreit eingedämmt werden müsse. "Die Stimmungslage ist überhaupt nicht friedlich", hieß es vor Beginn des Spitzentreffens aus der FDP.
Vizekanzler Westerwelle hatte mit seiner Warnung vor "spätrömischer Dekadenz" in der Hartz-IV-Debatte für Unmut in der Union gesorgt. Merkel hatte ihn zur Mäßigung im Tonfall gemahnt. Die Parteispitzen wollten auch über die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze und bessere Zuverdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose sprechen. Strittig ist vor allem in der CSU der FDP-Plan einer einkommensunabhängigen Pauschale statt prozentualer Kassenbeiträge.
Die FDP profitiert dem "Stern-RTL-Wahltrend" zufolge in der Wählergunst bisher praktisch nicht von der Sozialstaat-Debatte. Nach der Umfrage legt sie zwar im Vergleich zur Vorwoche um einen Punkt zu, bleibt aber mit 8 Prozent im Stimmungstief.
Quelle: ntv.de, dpa