Politik

Von "Bad Banks" bis zum Schulobst Marathonsitzung im Bundesrat

62 Gesetzesbeschlüsse standen auf der Tagesordnung. Viele Vorhaben bekamen bereits grünes Licht. So sind die massiven Steuerentlassungen und das "Bad-Bank"-Gesetz beschlossene Sache, die Spätlese ist gerettet, kostenloses Obst hingegen wird es vorerst nicht an deutschen Schulen geben.

Ein wahres Mammutprogramm hatte sich die Länderkammer für den letzten Arbeitstag vor der Sommerpause aufgehoben.

Ein wahres Mammutprogramm hatte sich die Länderkammer für den letzten Arbeitstag vor der Sommerpause aufgehoben.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Mit der Verabschiedung von mehr als 60 Gesetzen arbeitet der Bundesrat heute seine längste Tagesordnung seit Jahren ab. Die Gesetzesvorhaben der Regierung, die jetzt nicht von den Ländern gebilligt werden, können wegen des Ablaufs der Legislaturperiode im September kaum mehr in Kraft treten. Es ist die letzte Bundesratssitzung vor der Sommerpause. Am 18. September kommen die Ländervertreter ein letztes Mal vor der Bundestagswahl zusammen.

Bad-Banks

Das umstrittene "Bad-Bank"-Gesetz hat die letzte Hürde genommen: Der Bundesrat billigte in Berlin die Pläne, nach denen Banken ihre Bilanzen im großen Umfang von Risikopapieren befreien können. Ziel der Auslagerung der "Schrottpapiere" und teils ganzer Geschäftsfelder in eine "Bad Bank" ist es, das schleppende Kreditgeschäft anzukurbeln und die Sanierung der teils maroden Landesbanken voranzutreiben.

Länder können selbst entscheiden, ob sie Landesbanken in Eigenregie oder mit Hilfe des Bundes sanieren. Der Bund kann so weniger Druck ausüben bei der Neuordnung der sieben Landesbanken. Sparkassen als Miteigentümer der Landesbanken hatten wie Kommunen die Pläne scharf kritisiert und vor hohen Belastungen gewarnt.

13-Milliarden-Steuerentlastung

Auch die massiven Steuerentlastungen für Bürger und Unternehmen sind beschlossene Sache: Danach können Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 2010 an in größerem Umfang als bisher steuerlich abgesetzt werden. Arbeitnehmer werden damit um rund 9,5 Milliarden Euro pro Jahr entlastet. Teil des Gesetzes sind auch rasche, aber befristete Erleichterungen für Unternehmen von drei Milliarden Euro als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise. Die größte Steuersenkung seit dem Start der großen Koalition ist damit auf den Weg gebracht.

Kurzarbeitergeld

Arbeitgeber müssen künftig nach sechs Monaten für Kurzarbeiter keine Beiträge mehr zu den Sozialversicherungen bezahlen. Der Bundesrat billigte einen entsprechenden Beschluss des Bundestages. Die Neuregelung soll den Betrieben einen Anreiz geben, auch bei länger andauernder Auftragsflaute auf Entlassungen zu verzichten. Die Zahlung des Kurzarbeitergelds wurde erst kürzlich von 18 auf maximal 24 Monate ausgedehnt.

Rentengarantie

Die Renten werden auch bei Lohnrückgängen nicht gekürzt. Der Bundesrat billigte die schon vom Bundestag beschlossene Rentengarantie. Die rund 20 Millionen Rentner bleiben damit auch in wirtschaftlich schlechten Zeiten von Kürzungen verschont. Sie müssen dies aber bei Besserung der Lage später durch Nullrunden oder reduzierte Erhöhungen selbst bezahlen.

Schulobst

Die Länder haben das europäische Schulobst-Programm für Deutschland vorerst blockiert. Der Bundesrat forderte, den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Länderkammer einzuschalten. Die Länder wehren sich dagegen, dass sie die EU-Hilfen von 20 Millionen Euro mit 12,5 Millionen Euro aufstocken sollen. Sie fordern, dass der Bund die Kosten für das Programm übernimmt. Dies hatte der Bundestag zurückgewiesen. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) hatte die Länder davor gewarnt, dass die EU-Gelder verfallen könnten. Mit dem Schulobst-Programm sollen sich Kinder und Jugendliche gesünder ernähren.

Spätlese gerettet

Die Spätlese darf auch weiter Spätlese heißen. Der Bundesrat beschloss das Weingesetz, nach dem bestimmte Bezeichnungen der deutschen Weine trotz der EU-Weinreform erhalten bleiben. Dagegen fällt der Tafelwein von August an weg. Die Winzer müssen sich im nächsten Jahr entscheiden, ob sie auf die neuen Bezeichnungen "geschützte Ursprungsbezeichnung" oder die "geschützte geografische Angabe" umstellen. Wenn ein Wein keine Herkunftsangabe hat, soll es möglich sein, die Rebsorte und den Jahrgang auf dem Etikett anzugeben. Das Weingesetz ist Teil der EU-Weinreform, mit der der europäische Wein wettbewerbsfähiger gemacht werden soll.

Steuerflucht

Steuerflucht wird in Deutschland stärker bekämpft. Nach dem Bundestag billigte auch der Bundesrat die Gesetzespläne für Geschäfte mit sogenannten Steueroasen. Für Unternehmen gelten damit schärfere Auflagen, falls sie mit Ländern Geschäfte machen, die sich nicht an entsprechende Standards der Wirtschaftsorganisation OECD halten. Auch für Bürger mit hohen Einkommen sind erweiterte Erklärungspflichten geplant. In Kraft treten sollen die Regeln per Rechtsverordnung nach dem Willen von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück möglichst noch vor der Bundestagswahl Ende September.

Mehr Rechte für Opfer

Die Interessen von Opfern und Zeugen vor Gericht werden künftig besser geschützt. Der Bundesrat billigte eine Reform der Strafprozessordnung. Damit wird unter anderem das Recht auf einen kostenlosen Opferanwalt ausgeweitet. Opfer von Zwangsheirat und sexueller Nötigung dürfen bei einem Verfahren künftig als Nebenkläger auftreten. Zeugen erhalten zudem häufiger als bisher die Möglichkeit, die Angabe ihres Wohnorts aus Sicherheitsgründen zu verweigern. Ferner werden bestimmte Schutzmechanismen, die bislang nur für Jugendliche unter 16 Jahren galten, auf 16- und 17-Jährige ausgeweitet.

Datenaustausch mit den USA

Bei der Bekämpfung von Verbrechen wird Deutschland künftig stärker mit den USA zusammenarbeiten und persönliche Daten austauschen. Das gebilligte Abkommen ermöglicht den automatisierten Abruf von DNA- und Fingerabdruckdaten sowie den Austausch von Daten terrorverdächtiger Personen. In beschlossenen Antrag fordert die Länderkammer jedoch eine Überarbeitung verschiedener Datenkategorien. Dazu gehören etwa die Fragen zur Mitgliedschaft in Gewerkschaften, zur Gesundheit und zum Sexualleben. Darüber müsse die Bundesregierung mit den USA erneut verhandeln, hieß es. Erforderlich sei auch, dass Betroffene das Recht auf Auskunft, Sperrung und Löschung ihrer Daten erhielten.

Datenschutz

Persönliche Daten wie Adressen können nicht mehr völlig frei gehandelt werden. Auslöser für das vom Bundesrat nun teilweise verschärfte Datenschutzgesetz war eine Serie von Datenschutzskandalen. Ursprünglich war vorgesehen, einen Handel mit persönlichen Daten generell nur noch dann zu erlauben, wenn die Betroffenen ausdrücklich zugestimmt haben. Das Gesetz lässt jetzt viele Ausnahmen zu. Auch nicht mehr im Gesetz enthalten ist eine zunächst geplante freiwillige Überprüfung des Datenschutzes von Unternehmen, die dann ein Datenschutzsiegel erhalten sollten.

Strahlenschutz

Der Besuch in Sonnenstudios ist für Jugendliche künftig verboten. Grund für diese Maßnahme ist, dass bei ihnen das Risiko von Hautkrebs beim regelmäßigen Besuch der Sonnenbank durch künstliche UV-Strahlung als besonders hoch gilt. Auch Patienten in Arzt- und Zahnartzpraxen sollen künftig besser vor Strahlung geschützt werden. Dabei sollen bestimmte Grenzwerte nicht überschritten werden, die gesondert geregelt werden. Nur Fachärzte sollen eine Strahlen-Therapie veranlassen dürfen. Wenn ein Sonnenstudio-Betreiber einem Jugendlichen doch den Besuch der Sonnenbank erlaubt, droht eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro. Wer im Alter von unter 30 Jahren beginnt, sich regelmäßig im Solarium zu bräunen, erhöht sein Risiko der gesamten Lebenszeit für Hautkrebs um 75 Prozent, schätzt die Deutsche Krebshilfe.

Internet-Sperren

Auf Internet-Seiten mit Kinderpornografie werden künftig rote Stoppschilder erscheinen. Das beschlossene Gesetz, das zunächst auf drei Jahre befristet ist, gilt als umstritten. Mit dem Warnhinweis soll Benutzern klar gemacht werden, dass ein Umgehen dieser Sperre für sie strafbar ist. Das reine Anklicken der Stopp-Seiten ist strafrechtlich folgenlos. Das Bundeskriminalamt (BKA) will den Internet-Unternehmen ständig aktualisierte Listen einschlägiger Web-Adressen zur Verfügung stellen. Bevor sie auf der Sperrliste auftauchen, soll aber versucht werden, die Porno-Seiten löschen zu lassen.

Managergehälter

Top-Manager sollen künftig angemessener nach ihrer Leistung bezahlt werden und für Verluste auch persönlich haften. Danach sollen sich die Gehälter der Firmenchefs stärker an der nachhaltigen und langfristigen  Unternehmensentwicklung orientieren: Das Einkommen eines Managers muss sich zudem künftig an der branchen- und landesüblichen Vergütung ausrichten und im Unternehmen selbst vergleichbar sein. Aktienoptionen sollen Firmenvorstände außerdem künftig vier statt nur zwei  Jahre halten müssen, bevor sie die Papiere einlösen dürfen.

Quelle: ntv.de, dsi/kkl/dpa

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