"Schande, Schande, Silvio tritt zurück" Massendemo gegen Berlusconi
05.11.2011, 18:42 Uhr
Das nennt man Völkerfreundschaft: Auch Mitglieder der ukrainischen Frauenrechtsbewegung Femen protestierten gegen Berlusconi.
(Foto: REUTERS)
"Silvio, hau ab!" In Rom demonstriert die größte italienische Oppositionspartei gegen Premier Berlusconi. Parteichef Bersani verlangt angesichts der horrenden Verschuldung einen Kurswechsel. SPD-Chef Gabriel ist auch da, äußert sich aber nicht zur Innenpolitik des Landes. Stattdessen will er "Europa aus den Fesseln dieser Märkte befreien".
Zehntausende Menschen haben in Rom gegen die Politik des demonstriert. "Silvio, hau ab!" und "Schande, Schande, Silvio tritt zurück", riefen die Demonstranten, die auch mit Schildern und Spruchbändern den Rücktritt des Regierungschefs forderten.
Auf einem Spruchband waren Fotos von Ministern der Mitte-rechts-Regierung und der Spruch "Je schneller wir sie entsorgen, desto besser" zu sehen. Die Demonstranten waren einem Aufruf der größten Oppositionspartei, Demokratische Partei (PD), gefolgt. SPD-Chef Sigmar Gabriel trat dabei als prominenter Redner auf.
Andere Schilder richteten sich direkt gegen Äußerungen Berlusconis beim G-20-Gipfel in Cannes, wo dieser erklärt hatte, die Krise in Italien sei nicht schwerwiegend, "alle Restaurants und Flugzeuge" seien "voll". "Ich gehe ins Restaurant, aber um abzuwaschen", stand auf einem Schild. Italien gilt wegen seiner Gesamtverschuldung von rund 120 Prozent seiner Wirtschaftsleistung als das nächste Krisenland in der Eurozone.
"Wiederaufbau"
Die dramatische Krise in Europa und weltweit sei in Italien noch viel tiefgreifender, sagte der PD-Vorsitzende Pierluigi Bersani. Er verlangte einen Kurswechsel. "Wir versprechen, Italien wieder dorthin zu bringen, wo es hingehört", rief er aus. "Wiederaufbau - im Namen des italienischen Volkes", lautete das Motto der Kundgebung, zu der die PD-Anhänger mit 700 Bussen und 14 Zügen nach Rom gebracht worden waren. Offizielle Angaben zur Teilnehmerzahl lagen zunächst nicht vor.
Gabriel ging dagegen über die heikle italienische Innenpolitik hinweg: Er forderte auf der Kundgebung den Kampf der sozialdemokratische Kräfte in Europa "für die Rückkehr der Demokratie und gegen die Herrschaft der Finanzmärkte". Der Neoliberalismus habe Europa und die Welt an den Rand der Katastrophe geführt. Jetzt müsse man sich "aus der Gefangenschaft der Kapitalmärkte befreien".
Die politische Rechte, Konservative und Liberale hätten die Freiheit der Märkte gepredigt und seien heute unfähig, "Europa aus den Fesseln dieser Märkte zu befreien", sagte Gabriel. Es sei ein Skandal, dass die Staats- und Regierungschefs in Cannes "auf einem ihrer nutzlosen Gipfeltreffen (G20) wieder einmal die Kosten der Krise den Steuerzahlern aufgebürdet haben", kritisierte er die fehlenden Fortschritte auf dem Weg zu einer Transaktionssteuer.
"Italien ist mehr wert als die Regierung"
Gabriel setzt angesichts der italienischen Regierungskrise um Berlusconi auf einen Neuanfang in Rom. "Italien ist mehr wert als die Regierung, die es repräsentiert", sagte er vor der Kundgebung vor Journalisten. "Hier gibt es fleißige Menschen, die es nicht verdient haben, von einer Regierung vertreten zu werden, die international jeden Kredit verspielt hat."
In Rom geht es seit Wochen darum, ob der angeschlagene Chef der Mitte-Rechts-Regierung seinen Platz räumt und den Weg entweder für Neuwahlen oder für eine Übergangsregierung freimacht. Obwohl er derzeit keine absolute Mehrheit im Parlament mehr hat, sträubt sich Berlusconi gegen einen Rücktritt. Zum nächsten wichtigen Showdown kommt es am Dienstag, wenn die Abgeordnetenkammer erneut über den bereits einmal durchgefallenen Rechenschaftsbericht 2010 abstimmt.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP