Rebellen kündigen Kämpfe an Massenflucht im Tschad
04.02.2008, 08:03 UhrHeftige Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen um die tschadische Hauptstadt N'Djamena haben eine Massenflucht in das Nachbarland Kamerun ausgelöst. In einer dramatischen Rettungsaktion brachten französische Streitkräfte in N'Djamena auch zahlreiche Bundesbürger aus der deutschen Botschaft in Sicherheit. Von dort seien auch andere Europäer, die sich in die Vertretung geflüchtet hatten, zum Flughafen gebracht worden, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit. Insgesamt waren am Sonntag rund 50 Deutsche, darunter Botschafter Helmut Rausch, ausgeflogen worden. Tausende Einheimische nutzten das Abflauen der Gefechte, um über den Grenzfluss nach Kamerun zu fliehen.
Bei einer Dringlichkeitssitzung verurteilte der Weltsicherheitsrat in New York die Rebellenangriffe scharf. In einer Präsidentenerklärung forderte das Gremium ein Ende der Gewalt. Gleichzeitig rief der Rat die Nachbarstaaten zur stärkeren Zusammenarbeit auf, um die Angriffe der bewaffneten Gruppen und ihr Bestreben nach einer gewaltsamen Machtübernahme zu stoppen.
Die meisten Bundesbürger wurden von der französischen Luftwaffe in Sicherheit gebracht, die auch andere Europäer ausflog. Die Ausländer wurden Berichten zufolge mit Schützenpanzern durch das Kreuzfeuer zu den Sammelpunkten gebracht. Nach Schätzungen halten sich aber immer noch mehrere Dutzend Deutsche im Tschad auf.
US-Botschaft geräumt
Inzwischen haben die USA ihre Botschaft im Tschad evakuiert. In der diplomatischen Vertretung in der Hauptstadt N'Djamena arbeiteten mehrere Dutzend US-Bürger, wie Außenamtssprecher Sean McCormack mitteilte. Von den mehreren hundert Amerikanern, die sich im Tschad aufhielten, hätten bisher aber weniger als hundert das zentralafrikanische Land verlassen.
McCormack warnte die Aufständischen, in das Gelände der diplomatischen Vertretung einzudringen. Zugleich nannte er Berichte über eine Unterstützung der Rebellen durch die sudanesische Regierung als "sehr besorgniserregend". Der Sudan sei aufgefordert worden, jegliche Hilfen für die Rebellen sofort einzustellen, sagte der Sprecher.
Frankreich zum Eingreifen bereit
Die Rebellen zogen sich zwar aus N'Djamena zurück, kündigten aber eine erneute Offensive nach dem Abzug der Zivilisten an. Frankreich erklärte sich zum militärischen Eingreifen bereit, wenn es dafür ein Mandat der UN oder der Afrikanischen Union gebe.
Der tschadische Außenminister Ahmat Allam-Mi drohte dem Nachbarland Sudan mit einer Militärintervention. "Wir werden in den Sudan gehen, wenn das für die Sicherheit des Tschads nötig ist", sagte Allam-Mi dem französischen Sender RFI. N'Djamena wirft dem Sudan vor, die Rebellen ausgerüstet und bei einem Angriff auf die osttschadische Stadt Adr mit Hubschraubern unterstützt zu haben. Der Sudan weist dies zurück. Die französischen Streitkräfte erklärten, sie hätten keine Hubschraubereinsätze beobachtet.
Am Wochenende hatte die tschadische Regierung nach eigenen Angaben Angriffe der Rebellen auf den Präsidentenpalast mit Hilfe von Panzern und Kampfhubschraubern zurückgeschlagen. Die französischen Streitkräfte sicherten den Flughafen, um Ausländer auszufliegen. Bis Montag wurden nach Angaben des Pariser Außenministeriums 881 Menschen nach Libreville in Gabun ausgeflogen. Rund 570 seien weiter nach Paris gebracht worden, 200 Menschen befänden sich noch in französischer Obhut in N'Djamena. Hunderte Zivilisten waren am Wochenende zwischen die Fronten geraten und verletzt worden.
Versorgung ist gefährdet
Das Welternährungsprogramm (WFP) warnte in Berlin, wenn sich die Lage im Tschad nicht schnell beruhige, sei die Versorgung von 400.000 Flüchtlingen im Osten des Landes mit Lebensmitteln zunehmend gefährdet. Mehrere Hilfsorganisationen zogen ihre Helfer wegen der Kämpfe ganz oder teilweise aus N'Djamena ab.
Die Europäische Union will eine 3700 Mann starke Truppe EUFOR zum Schutz der Flüchtlinge bereitstellen. Wegen der Kämpfe wurde die Entsendung aufgeschoben. EU-Chefdiplomat Javier Solana machte aber klar, dass Brüssel an der EUFOR festhält. Der irische EUFOR-Kommandeur General Pat Nash hatte betont, dass die EU-Truppe sich nicht in den tschadischen Bürgerkrieg einmischen werde. Frankreich stellt mit rund 2000 Soldaten das größte EUFOR-Kontingent, Deutschland ist vor Ort nicht beteiligt.
Der französische Verteidigungsminister Herv Morin erklärte dem "Figaro", Paris sei bereit, mit einem Mandat der UN auf Seiten der Regierung in den Bürgerkrieg im Tschad einzugreifen. Der UN- Sicherheitsrat konnte sich am Sonntagabend noch nicht darauf einigen, wollte aber am Montagabend erneut zusammentreten. Außenminister Bernard Kouchner erklärte, auch ein Mandat der Afrikanischen Union könne die Lage ändern. Bundesminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich in einem Telefonat mit Kouchner erleichtert über die erfolgreiche Evakuierung und rief zu einer politischen Lösung des Konflikts auf.
Quelle: ntv.de