Nur wenige Ärzte streiken Mediziner werden Mangelware
25.03.2008, 12:02 UhrDie Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) befürchtet einen Medizinermangel. Fast jeder fünfte niedergelassene Arzt in Deutschland befinde sich kurz vor dem Ruhestand, sagte KBV-Chef Andreas Köhler. Unterstützung der Politik sei nötig. "Denn der drohende Ärztemangel ist letztlich eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft." Der Anteil der Praxisärzte, die 60 Jahre und älter sind, habe von 8,8 Prozent 1993 auf zuletzt mehr als 17 Prozent zugelegt. Bei den Hausärzten seien es sogar 19 Prozent, so Köhler. 1993 waren rund 9100 niedergelassene Ärzte 60 Jahre und älter. Mittlerweile seien es rund 20.600 Ärzte.
"Wir rechnen damit, dass bis 2012 rund 34.000 niedergelassene Ärzte altersbedingt ihre Praxistätigkeit aufgeben werden", sagte Köhler. "Junge Ärzte sind also gefragt wie nie, sowohl in Krankenhäusern als auch in den niedergelassenen Praxen." Sichere wirtschaftliche Verhältnisse seien für ausreichend medizinischen Nachwuchs nötig. Die geplante Honorarreform 2009 müsse kommen.
Nur wenige Praxen für eine Woche zu
Unterdessen haben die niedergelassenen Ärzte mit ihrem Streik begonnen. Bis einschließlich Freitag wollen sie ihre Praxen schließen und so gegen die Gesundheitspolitik protestieren. Initiator ist der Verein "Freie Ärzteschaft". Schätzungsweise bis zu einem Fünftel der Ärzte hätten ihre Praxis zum Wochenstart geschlossen gehalten, sagte der Präsident der "Freien Ärzteschaft", Martin Grauduszus. Das wären rund 20.000 der insgesamt 100.000 Praxen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen mehrerer Bundesländer berichteten hingegen, es gebe keine Hinweise auf umfangreiche Praxisschließungen.
Ein Sprecher des in Abgrenzung zu den großen Ärzteorganisationen gegründeten Vereins sagte, Bilanz könne erst Mitte der Woche gezogen werden. Er begründete den Protestaufruf damit, dass Politik und Gesundheitskonzerne die gesamte Versorgung in Kliniken und Versorgungszentren verlegen wollten.
Amerikanisierung der Gesundheitsversorgung
"Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass uns eine Industrialisierung und Amerikanisierung der Gesundheitsversorgung bevorsteht. Das heißt, es wird für die Patienten viel teurer werden, die Arztpraxen werden reihenweise verschwinden, die Versorgung wird anonym in medizinischen Versorgungszentren an Kliniken durchgeführt werden", sagte Grauduszus dem Sender n-tv. Das wolle man der Bevölkerung aufzeigen und darüber diskutieren, ob das der richtige Weg ist.
Die SPD-Fraktionsvize Elke Ferner entgegnete in der "Saarbrücker Zeitung", die Proteste seien unbegründet. Die Kliniken seien nur in begrenztem Umfang für die ambulante Versorgung geöffnet worden. Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte, die erste Pflicht der Ärzte sei es, die medizinische Versorgung sicherzustellen. Protestierende Ärzte müssten mit Honorareinbußen rechnen.
Keine Lücken in der Versorgung
Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein erklärte am Mittag, es gebe keine Lücken in der Versorgung: "Wir haben auch von unseren Kreisstellen keine Informationen, dass es irgendwo Schwierigkeiten gibt". Auch aus anderen Bundesländern gab es keine Angaben über Schließungen. In der Branche war man dem Vernehmen nach skeptisch, dass die "Freie Ärzteschaft" über die Ressourcen verfügt, um allein einen Protest zu organisieren, der mit den Aktionen 2006 gegen die Gesundheitsreform vergleichbar ist. In so einem Fall müssten zum Beispiel aufwendige Vertretungspläne erstellt werden.
Die Freie Ärzteschaft hatte zuvor erklärt, durch Vertretungsregelungen die Versorgung der Patienten sicher zu stellen. Nach Ansicht des Vereins zielt der Sparkurs der Bundesregierung darauf ab, die gesamte Versorgung von den niedergelassenen Ärzten in die Kliniken zu verlagern.
Die Ärzte fordern, schnellstmöglich eine Honorarreform in Angriff zu nehmen. Sie wollen für kränkere Patienten und schwierige, langwierige Fälle mehr Geld bekommen. Die Bezahlung soll zudem nicht mehr nach einem komplizierten Punktwertsystem und mit festgelegten Budgets, sondern nach Euro und Cent erfolgen und den tatsächlichen Aufwand honorieren.
Beiträge klettern
Der Chef der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), Ingo Kailuweit rechnet "spätestens zum 1. Juli mit einer neuen Beitragserhöhungswelle". Als Gründe nannte er im die schwächere Konjunktur sowie steigende Gesundheitsausgaben. Auch hätten viele Kassen zum 1. Januar ihre Beiträge nicht so erhöht, wie es zur Deckung der erwarteten Ausgaben erforderlich gewesen wäre.
Quelle: ntv.de