Politik

Einmischung in Chodorkowski-Prozess Medwedew rügt Putin

Russlands Präsident Medwedew übernimmt mal wieder die Rolle des liberalen Mahners und kritisiert Premier Putin wegen dessen öffentlichen Aussagen zum Fall Chodorkowski. Niemand dürfe den Ex-Oligarchen vorverurteilen, erklärt Medwedew. Derweil wird ein offener Brief des Angeklagten an Putin veröffentlicht.

Der russische Präsident Dmitri Medwedew hat Politiker und Beamte davor gewarnt, sich schon vor der Urteilsverkündung zum Verfahren gegen den früheren Ölunternehmer Michail Chodorkowski zu äußern. "Als Präsident denke ich Folgendes: Weder der Präsident, noch irgendein anderer Staatsbediensteter hat das Recht, seine Meinung zu diesem oder anderen Fällen zu äußern, bevor das Urteil gefällt ist, ob schuldig oder unschuldig", sagte Medwedew bei einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit Vertretern der größten russischen Fernsehsender.

Medwedew dürfte damit auf Äußerungen seines Vorgängers und jetzigen Ministerpräsidenten Wladimir Putin anspielen, der vergangene Woche gesagt hatte, er sei von der Schuld Chodorkowskis überzeugt. Es sei davon auszugehen, dass das Gericht "die Verbrechen von Herrn Chodorkowski" bewiesen habe. Putin verglich Chodorkowski mit dem US-Milliardenbetrüger Bernard Madoff. Dieser sei für "ähnliche Verbrechen zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt" worden. Da sei die russische Justiz, die gegen Chodorkowski 14 Jahre fordert, "sehr viel liberaler".

Medwedew wehrte sich bei dem Treffen zugleich gegen Vorwürfe, die russische Justiz sei selektiv, weil sie andere Oligarchen verschone. "Bringen Sie die Beweise, ich sehe sie vorerst nicht", forderte der Präsident.

Chodorkowski schreibt offenen Brief

Unterdessen veröffentlichte die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta" einen offenen Brief Chodorkowskis an Putin. Er wünsche dem Ex-Kremlchef "Herzensgüte und Toleranz", heißt es darin. Die Liebe zu Hunden sei das einzige Gefühl, das Putin öffentlich zeige, schrieb der Ex-Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos. Er hatte seinen Erzfeind wiederholt scharf kritisiert und zum Rücktritt aufgefordert.

Die russische Justiz wollte ursprünglich vergangene Woche das Urteil im Fall Chodorkowski verkünden, hat dies aber auf den 27. Dezember verschoben. Ihm wird vorgeworfen, 218 Millionen Tonnen Öl abgezweigt und illegal weiterverkauft zu haben. In einem ersten Prozess war er wegen Betrugs und Steuerhinterziehung bereits zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafe läuft nächstes Jahr aus. Würde Chodorkowski wie von der Staatsanwaltschaft gefordert zu weiteren 14 Jahren verurteilt, käme er im Jahr 2017 aus dem Gefängnis frei, weil seine bisherige Haftstrafe angerechnet würde. Beobachter vermuten, dass die russische Führung den weiterhin einflussreichen und finanzstarken 47-Jährigen über die Präsidentenwahl 2012 hinaus politisch kaltstellen will.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen