"Blutleer und ohne Vision" Medwedew verspricht Besserung
30.11.2010, 13:42 Uhr
Medwedews Rede wurde live übertragen.
(Foto: AP)
In seiner mit Spannung erwarteten alljährlichen Rede an die Nation betont Russlands Präsident Medwedew die Annäherung an den Westen. Andernfalls drohe ein neuer Rüstungswettlauf. Medwedew appelliert an seine Landsleute, das in vielen Bereichen weiter rückständige Land zu reformieren - und sieht erste Erfolge seiner Arbeit.

Noch immer bemüht sich Medwedew um die Abgrenzung von Amtsvorgänger und Ministerpräsident Putin.
(Foto: dpa)
Kremlchef Dmitri Medwedew hat in einer Rede an die Nation die Bereitschaft Russlands zur Zusammenarbeit mit der Nato und der Europäischen Union bekräftigt. Zugleich warnte er vor der Gefahr eines neuen Rüstungswettlaufes, sollte die begonnene Annäherung mit dem Westen scheitern. "Entweder schaffen wir es, uns auf ein Raketenabwehrsystem zu einigen (...) oder es beginnt eine neue Spirale der Aufrüstung. Und wir werden dann gezwungen sein, neue Angriffswaffen zu stationieren", sagte der russische Präsident in seiner live im Fernsehen übertragenen Ansprache im Kreml.
Die und damit ein neues Kapitel ihrer Beziehungen aufgeschlagen. Der geplante NATO-Raketenschirm soll weite Teile Europas schützen.
Belohnung für Reformen
An die EU appellierte er erneut, endlich die Visapflicht für Russen aufzuheben. Brüssel sollte helfen. In seiner dritten Programmrede forderte Medwedew den Westen zudem auf, Russland auf seinem Modernisierungskurs zu unterstützen. Dazu gehörten der Austausch von Technologien und qualifizierten Wissenschaftlern, sagte er vor seiner Teilnahme am EU-Russland-Gipfel in der nächsten Woche in Brüssel.
Medwedew versprach seinen Landsleuten, entschlossene Schritte für eine Modernisierung der Wirtschaft und die Stabilisierung der Preise zu unternehmen. Künftig müsse mindestens die Hälfte der Ausgaben der Regierung in Reformprogramme fließen. Weiterhin sagte er zu, die Inflationsrate innerhalb der kommenden drei Jahre auf unter fünf Prozent zu drücken. Es wird erwartet, dass die Rate in diesem Jahr rund neun Prozent erreicht.
"Moderne Weltmacht" mit Problemen
Zugleich zog Medwedew eine positive Bilanz seiner drei Jahre im Amt des Staatschefs. Diese Zeit habe "Russlands Status als moderne Weltmacht bestätigt, die mittels Modernisierung Erfolge erzielt". "Wir haben es geschafft, die Wirtschaft zu stabilisieren", sagte er.
Für dieses Jahr sagte er ein Wirtschaftswachstum von vier Prozent voraus. Derzeit gebe es in Russland fünf Millionen Arbeitslose und damit zwei Millionen weniger als zum Höhepunkt der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2009. "Wir müssen uns für das Land, das wir unseren Kindern und Enkeln übergeben, keineswegs schämen", sagte Medwedew.
Den Strafverfolgungsbehörden warf Medwedew Verbindungen zur Mafia vor und . Die Geldstrafen sollten hundertmal so hoch wie die Höhe des Schmiergeldes sein. Außerdem müsse die Vergabe von Staatsaufträgen geändert werden, um die Korruption einzudämmen.
Sorge um Geburtenrate
Den Schwerpunkt legte Medwedew auf die demografischen Probleme des größten Landes der Erde. Man werde in den kommenden 15 Jahren die niedrige Geburtenrate der 90er Jahr zu spüren bekommen. "Das ist eine Herausforderung für unser ganzes Land." Er wies die Regierung an, Schritte zur Erhöhung der Geburtenrate zu ergreifen und Familien besser als bisher zu fördern. Familien mit drei oder mehr Kindern sollten ein kostenloses Grundstück erhalten sowie Steuererleichterungen von monatlich umgerechnet 70 Euro pro Kind.
Russland hat eine ähnlich niedrige Geburtenrate wie Deutschland. Nach offiziellen Angaben sank die Bevölkerungszahl zwischen seit Mitte der 90er Jahre um mehrere Millionen. Der Trend konnte im vergangenen Jahr mit einem kleinen Plus gestoppt werden. Anders als in Ländern wie Deutschland oder Japan ist die Lebenserwartung in Russland sehr niedrig.
Kommentatoren sprachen in einer ersten Reaktion von einer insgesamt blutleeren und schwachen Rede ohne Visionen. Traditionell ist die Ansprache vor etwa 1000 Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Kultur sowie vor Religionsvertretern ein Rundumschlag zu innen- und außenpolitischen Fragen sowie zur wirtschaftlichen Entwicklung.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts