Übler Beigeschmack Mehr Geld für's Mandat
05.11.2007, 08:20 UhrTrotz der politischen Streitereien in der Koalition haben sich Union und SPD überraschend auf eine fast zehnprozentige Erhöhung der Abgeordnetendiäten im Bundestag bis 2009 geeinigt und wollen dies im Schnelldurchgang durchsetzen. Im Gegenzug zu der Diätenerhöhung sollten die Altersbezüge leicht sinken und die Rente mit 67 auch für Abgeordnete eingeführt werden. Der entsprechende Gesetzentwurf werde voraussichtlich schon an diesem Freitag erstmals im Bundestag beraten, kündigte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Norbert Röttgen, in Berlin an.
FDP, Grüne und die Linke äußerten sich empört über den Alleingang der Koalition. Sozialverbände sprachen von einem "unanständigen" Verhalten angesichts ständig neuer Belastungen für Normalverdiener. Die Opposition hielt Union und SPD entgegen, sie seien offenbar nur noch auf dem Gebiet der Bezahlung von Abgeordneten handlungsfähig. FDP-Chef Guido Westerwelle warnte davor, den öffentlichen Unmut über die Selbstversorgung weiter anzuheizen. Die Koalitionäre verteidigten ihr Konzept als gerechtfertigt.
Nach Nullrunden seit 2003 sollen die Diäten bis 2009 in zwei fast gleichen Schritten auf knapp 7.700 Euro pro Monat angehoben werden. Die entspricht einem Zuwachs um 9,4 Prozent. Damit würden die Bundestagsabgeordneten unter dem Strich 659 Euro mehr erhalten. Zurzeit erhalten die Parlamentarier 7.009 Euro brutto. Mit der Gesetzesänderung soll das Ziel erreicht werden, die Gehälter der 613 Parlamentarier an die Einkommen von Bürgermeistern mittlerer Städte oder Bundesrichtern anzugleichen. Danach sollen die Diäten regelmäßig wie die Besoldungsanpassungen dieser beiden Beamtengruppen steigen, verkündeten Röttgen, sein SPD-Kollege Olaf Scholz sowie der Parlamentsgeschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Hartmut Koschyk.
Etwas weniger Ruhegeld
Im Gegenzug sollen Abgeordnete bei den Ruhegeldern für jedes Jahr der Mitgliedschaft im Parlament nur noch 2,5 statt drei Prozent der Monatsdiäten erhalten. Der Höchstsatz von 67,5 Prozent der Diäten würde dann erst nach 27 Jahren (bislang 23) erreicht. Derzeit bekommt ein Parlamentarier als Altersversorgung nach acht Jahren oder zwei Legislaturperioden 24 Prozent der Diäten. Künftig sollen es nur 20 Prozent sein. Scholz räumte ein, dass bei der Kürzung "schlechtes Gewissen Vater des Gedankens" gewesen sei, da in der Vergangenheit die Altersversorgung "zu üppig" ausgefallen sei.
Trostpflästerchen aber schon in Planung
Bei den Altersgeldern plant die Koalition auch eventuell vorteilhafte Neuregelungen für Abgeordnete. Sie sollen künftig schon ab dem ersten Jahr im Parlament - bei Wegfall der bisherigen Abfindungen - einen Pensionsanspruch haben. Bislang waren dafür acht Jahre vorgeschrieben. Weiter soll zwar die Rente mit 67 auch für Bundestags-Mitglieder schrittweise eingeführt werden. Bei einer Tätigkeit von mindestens acht Jahren können ausgeschiedene Abgeordnete aber auch schon ab dem 57. Lebensjahr eine Pension in Anspruch nehmen.
Röttgen: "Unbequem, aber richtig"
Röttgen wies auch einen Vorschlag Westerwelles zurück, der die Festlegung von Diäten einer unabhängigen Kommission beim Bundespräsidenten zuweisen will. Der CDU-Politiker sagte, es sei "zwar unbequem, aber richtig, dass sich Bundestagsabgeordnete dafür rechtfertigen müssen, was sie bekommen". Sie dürften sich nicht "hinter einer Kommission verstecken" können. Westerwelle hatte erklärt, die Kommission sei der einzige Weg, sich von dem Vorwurf der Selbstversorgung zu befreien.
Das Bundesverfassungsgericht entschied vor rund drei Jahrzehnten, dass die Bundestagsabgeordneten verpflichtet seien, über ihre Bezüge selbst und öffentlich zu entscheiden. Versuche, das Grundgesetz so zu ändern, dass die Entscheidung etwa von einer Kommission gefällt werden kann, scheiterten den Angaben zufolge.
Opposition ist stinksauer
Die FDP kündigte die Ablehnung der Koalitionspläne an. Abgeordnete sollten selbst für ihre Rente aufkommen, sagte Parteichef Westerwelle. Er hielt der Koalitionsparteien vor, es habe schon ein "Geschmäckle", wenn sie sich über fast jedes Politikthema stritten "wie die Kesselflicker" und andererseits sich in der Diätenfrage überraschend schnell einig seien. Linke-Fraktionschef Oskar Lafontaine nannte den Erhöhungsplan angesichts fehlender Netto-Gewinne in der Bevölkerung in den vergangenen zehn Jahren nicht begründbar. Der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, erklärte, die Einigung komme zur Unzeit. Die Grünen würden dieses "Herumdoktern" am gegenwärtigen System nicht mittragen. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer nannte es zynisch, dass die Koalition ausgerechnet bei diesem Thema so viel Handlungskraft beweist. "Das muss natürlich in der Öffentlichkeit den denkbar schlechtesten Eindruck machen, wenn die Koalition nur, wo es um Diäten geht, funktioniert", sagte er bei n-tv. Auch der Bund der Steuerzahler forderte einen Systemwechsel.
"Kein schlechtes Gewissen"
Die Vertreter von Union und SPD zeigten sich jedoch entschlossen, das "vernünftige und austarierte" Konzept gemeinsam zu verabschieden. Man sei bereit, vorher über mögliche Änderungen mit der Opposition zu sprechen, betonten sie. Wenn sich keine breite Mehrheit abzeichne, müsse man am Ende auch zu den Plänen "stehen", betonte Röttgen. Scholz sagte: "Wir haben kein schlechtes Gewissen." Die Neuregelung sei vielmehr längst überfällig.
Quelle: ntv.de