Politik

Ägyptens Opposition kritisiert Referendum Mehr als 90 Prozent stimmen für Verfassung

Die Ägypter hatten die Wahl - Experten gehen davon aus, dass vor allem diejenigen abstimmten, die ohnehin für die neue Verfassung waren.

Die Ägypter hatten die Wahl - Experten gehen davon aus, dass vor allem diejenigen abstimmten, die ohnehin für die neue Verfassung waren.

(Foto: AP)

Nach dem zweitägigen Referendum über die neue ägyptische Verfassung berichten Medien von einer überwältigenden Zustimmung. Diese soll bei mehr als 90 Prozent liegen. Die Regierung sieht damit den Weg zu Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geebnet. Die Opposition spricht von einer "Maskerade".

Bei der Volksabstimmung über eine neue Verfassung in Ägypten haben die Wähler staatlichen Medien zufolge den umstrittenen Text mit überwältigender Mehrheit gebilligt. Die Zustimmung liege laut ersten Hochrechnungen bei mindestens 90 Prozent, hieß es. In einer Erklärung der Präsidentschaft war ohne konkrete Angaben von einer "hohen Wahlbeteiligung" die Rede. Das amtliche Ergebnis wird bis spätestens Samstagabend erwartet.

Ein Soldat bewacht ein Wahllokal in Kairo.

Ein Soldat bewacht ein Wahllokal in Kairo.

(Foto: AP)

Das regierungsnahe Nachrichten-Portal "Al-Ahram" berichtete gar von 98 Prozent Zustimmung. Das Ergebnis basierte auf der Grundlage vorläufiger Auszählungsergebnisse in 26 von 27 Provinzen. Mit 36,7 Prozent enttäuschte die Beteiligung aber die Erwartungen der Befürworter des neuen Grundgesetzes. Nach diesen Angaben stimmten 18,6 Millionen Bürger für die neue Verfassung und 366.000 dagegen.

In der Erklärung der Präsidentschaft hieß es jedoch, die "hohe Wahlbeteiligung" bedeute eine "Absage an den Terrorismus" und eine Zustimmung zu "Wirtschaftsentwicklung und Stabilität". Die staatliche Tageszeitung "Al-Achbar" titelte: "Die Menschen sagen Ja." Das Blatt nannte allerdings keine Zahlen.

Ein Armeesprecher dankte den "Massen" von Wählern, die sich am Dienstag und Mittwoch an der "heroischen Schlacht des Referendums" beteiligt hätten. Die vom Militär eingesetzte Übergangsregierung erhofft sich von einer hohen Wahlbeteiligung eine Stärkung ihrer Legitimität. Die Volksbefragung gilt zudem als wichtiger Stimmungstest für Armeechef Abdel Fattah al-Sisi. Der Vizeregierungschef und Verteidigungsminister ist seit der Entmachtung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch die Armee im Juli Ägyptens starker Mann. Al-Sisi kündigte bereits an, bei der Präsidentschaftswahl zu kandidieren, wenn "das Volk dies will".

Mursi-Anhänger rufen zu Protesten auf

Das Referendum soll nach den Worten von Interimspräsident Adli Mansur den Weg für baldige Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bereiten und so ein halbes Jahr nach Mursis Sturz die "Rückkehr zur politischen Normalität" ermöglichen. Mursis Anhänger, die zum Boykott des Referendums aufgerufen hatten, sprachen erneut von einer "Maskerade" und riefen zu weiteren Protestdemonstrationen auf. Mehrere Aktivisten, die für ein "Nein" geworben hatten, wurden verhaftet. Beobachtern zufolge erklärt dies, warum am Ende fast nur Menschen ihre Stimme abgaben, die für die Verfassung waren.

Bei Protesten gegen die Volksabstimmung wurde derweil in Kairo ein Student getötet. Bereits am Dienstag waren neun Menschen am Rande von Demonstrationen für Mursi getötet worden. Landesweit gab es mehr als 450 Festnahmen wegen "Störung der Wahlaktivitäten".

Die Staatsführung legt Wert darauf, dass die Wahlbeteiligung höher liegt als beim letzten Verfassungsreferendum unter Mursi im Jahr 2012, bei dem 33 Prozent der 53 Millionen registrierten Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben. 63 Prozent davon stimmten damals mit "Ja". Nach Mursis Sturz war das Militär mit voller Härte gegen die Anhänger des entmachteten Staatschefs vorgegangen. Mehr als Tausend Menschen wurden getötet, Tausende wurden verhaftet.

Der neue Verfassungsentwurf beruht zwar zu einem großen Teil auf der im Dezember 2012 verabschiedeten Verfassung, welche die Handschrift der islamistischen Muslimbruderschaft trug. Formuliert wurde der überarbeitete Text aber von Vertretern der Übergangsregierung und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Er enthält Fortschritte bei Bürger- und Frauenrechten und macht die unter den Islamisten beschlossenen Änderungen rückgängig, die dem Islam mehr Gewicht verliehen hatten. Gleichzeitig schreibt die neue Verfassung aber Privilegien des Militärs fest. Menschenrechtler und Experten beanstanden, dass Freiheitsrechte schwierig durchsetzbar seien, weil der Bürger gegenüber Justiz und Polizei das Nachsehen habe.

Quelle: ntv.de, mli/AFP/dpa

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