UN berät über Sanktionen gegen Syrien Menschenrechtler verschwunden
11.08.2011, 21:17 Uhr
Vor der Beerdigung von getöteten Sicherheitskräften Assads.
(Foto: dpa)
Während im UN-Sicherheitsrat Vertreter westlicher Staaten auf eine härtere Linie gegen Syriens Präsidenten Assad drängen, wird der Chef der Menschenrechtsliga in der Hauptstadt Damaskus festgenommen. Nach wie vor scheint Assad nicht an einer Verständigung mit Oppositionellen im eigenen Land interessiert. US-Präsident Obama stimmt sich mit dem türkischen Präsident Erdogan ab.
Der Präsident der syrischen Menschenrechtsliga, Abdel Karim Rihawi, ist nach Angaben von Mitstreitern festgenommen worden. Rihawi sei in einem Café in der Hauptstadt Damaskus abgeführt worden, sagten Menschenrechtsaktivisten der Nachrichtenagentur AFP. Seither hätten sie kein Lebenszeichen von Rihawi erhalten.
Der 43-jährige Rihawi leitet die Menschenrechtsliga seit 2004. Mit ihrem Netz an Mitgliedern in vielen syrischen Städten ist die Nichtregierungsorganisation eine wichtige Informationsquelle über die Protestbewegung in dem arabischen Land. Ausländische Journalisten können nur sehr eingeschränkt über die Ereignisse in Syrien berichten.
Obama und Erdogan telefonieren
US-Präsident Barack Obama und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigten sich bei einem Telefonat beunruhigt über die Lage in Syrien. Nach Angaben des Weißen Hauses brachten beide Politiker ihre "tiefe Sorge" über die anhaltende Gewaltanwendung der Regierung gegen Zivilisten zum Ausdruck. Wie es zudem hieß, vereinbarten Obama und Erdogan, die weiteren Aktionen der syrischen Regierung "genau zu verfolgen" und sich in den kommenden Tagen eng abzusprechen.
In dieser Woche hatte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu vergeblich versucht, im Nachbarland Syrien den dortigen Präsident Baschar al-Assad von der Gewalt gegen Regimegegner abzubringen.
Obamas Sprecher Jay Carney bekräftigte die US-Position, wonach Assad seine "Legitimität" verloren habe "und dass Syrien ohne ihn ein viel besserer Ort wäre". Obama hat bei aller Kritik Assad bisher nicht ausdrücklich zum Rücktritt aufgerufen.
UN berät über Sanktionen
Wegen der neuen tödlichen Übergriffe auf Demonstranten erwägen die westlichen Staaten im UN-Sicherheitsrat härteres Vorgehen gegen das Regime in Damaskus. Der Sicherheitsrat müsse "weitergehendere Schritte" erörtern, wenn die Führung weiter mit Gewalt gegen ihr eigenes Volk vorgeht und sich Reformen verweigert, sagte Großbritanniens Vize-Botschafter Philip Parham nach einer geschlossenen Sitzung des mächtigsten UN-Gremiums.
Parham sprach auch im Namen seiner Amtskollegen aus Frankreich, Portugal und auch Deutschland. Welcher Art diese "Schritte" sein sollten, sagte er jedoch nicht. Im Diplomatenjargon steht die Formulierung "weitgehendere Schritte" meist für Sanktionen.

Philip Parham will im UN-Sicherheitsrat offenbar Sanktionen gegen Assad durchsetzen.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, kündigte an, die Regierung in Washington arbeite mit ihren internationalen Partnern zusammen, um den Druck auf Assad durch "weitere koordinierte diplomatische und finanzielle Maßnahmen" zu erhöhen. Als Veto-Mächte haben Russland und China sich bislang skeptisch zu UN-Sanktionen gegen Syrien geäußert.
Die Vereinten Nationen gehen inzwischen von 2000 toten Zivilisten seit Beginn der Unruhen im März aus. Weitere 3000 Menschen seien verschwunden. Die Nachrichten über die Gewalt gegen Oppositionelle seien "entsetzlich". "Wir fordern das syrische Regime auf, die Rufe zu hören, die vom Sicherheitsrat, aus der Region selbst und von anderen Teilen der internationalen Gemeinschaft kommen", so Parham.
Bisher habe Präsident Baschar al-Assad die einstimmige Forderung des Sicherheitsrates nach Reformen und einem Ende der Gewalt ignoriert. Stattdessen seien 13.000 Syrer von der Geheimpolizei festgenommen worden, Zehntausende seien geflohen. Allein 8000 von ihnen würden in Flüchtlingslagern in der Türkei ausharren.
Mindestens 27 Tote
Syriens UN-Botschafter Baschar Jaafari bezeichnete die Darstellung der vier europäischen Botschafter als "fehlerhaft": "Meine Kollegen, die verantwortungsbewusste Diplomaten sein sollten, haben die sogenannte Situation in Syrien falsch verstanden und falsch gedeutet", sagte der Vertreter der Regierung in Damaskus. "Sie versuchen, die Wahrheit zu manipulieren und halten wichtige Fakten und Bestandteile zurück."
Unterdessen sind bei anhaltenden Offensiven der syrischen Streitkräfte gegen Oppositionshochburgen in der Nacht mindestens 27 Menschen getötet worden. 19 Bürger starben in der Stadt Homs, acht weitere in Deir al-Zor und Idlib, berichteten die Lokalen Koordinationskomitees der Syrischen Revolution, ein Dachverband der syrischen Protestbewegung. In Deir al-Zor sollen die Truppen ein Minarett beschossen und zerstört haben. Die Berichte können von unabhängiger Seite nicht bestätigt werden, weil das Regime Journalisten nicht frei arbeiten lässt.
In den Nachtstunden gingen die Kundgebungen gegen das Assad-Regime weiter. Videos, die von Aktivisten ins Internet gestellt wurden, zeigten Demonstrationen in mehreren Städten, darunter in Homs, in der südlichen Provinz Daraa und in der Vorstadt Hersta bei Damaskus.
Nach dem am Mittwoch groß in Szene gesetzten Truppenabzug aus der Protesthochburg Hama sind nach Augenzeugenberichten einige Panzer wieder dorthin zurückgekehrt. Diese seien am Abend auf dem Assi-Platz in Stellung gegangen, berichtete ein Bewohner dem Nachrichtensender Al-Dschasira. Der Platz im Zentrum der Stadt ist der Mittelpunkt der Proteste in Hama.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts