Politik

Sie umarmt alle Merkel 2009 keine Reizfigur

Angela Merkel führt ein Wahlkampf ohne Ecken und Kanten. Die Geburtstagsfeier für Ackermann im Kanzleramt ist das einzige, womit ihre Gegner Stunk machen können. Ansonsten hat sie allen die Angriffsthemen weggenommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht am 25. August 2009 in Bonn bei einem Wahlkampfauftritt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht am 25. August 2009 in Bonn bei einem Wahlkampfauftritt.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

In der Wahlnacht vor vier Jahren stand Angela Merkel kurz vor dem politischen Aus. Als Kanzlerin hat die CDU-Vorsitzende alles daran gesetzt, nie wieder in eine solche Lage zu kommen. Der SPD hat sie systematisch die Themen genommen. Im Wahlkampf tritt Merkel nun als große Umarmerin, als Kanzlerin für alle, auf. Konkurrent Frank-Walter Steinmeier lässt das nur wenig Raum. Doch nun ist der Wahlkampf auch für Merkel schwieriger geworden: Die Debatte um das Abendessen für Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kratzt leicht an ihrem Image als bodenständiger Politikerin. Und am Superwahlsonntag wird die Union Stimmverluste einfahren.

Der Marktplatz in Bonn ist an diesem Dienstagnachmittag mit nach Polizeiangaben rund 6000 Zuhörern gut gefüllt, obwohl kurz vorher ein heftiger Regenschauer niedergegangen ist. Die Kanzlerin, die neuerdings zu Rolling-Stones-Klängen in ihre Wahlveranstaltungen einzieht, ist selbst erstaunt, dass so viele gekommen sind.

Der Pfeffer fehlt

Der Moderator hat Merkel als "Die Frau, der wir in der Krise vertrauen" angekündigt. Die Stimmung ist nicht euphorisch, mehr freundlich interessiert, als Merkel redet. Sie polarisiert nicht, was ihren Gegnern auch die Möglichkeit nimmt, gegen sie zu polarisieren. So fehlt etwas der Pfeffer. Dass es neben ihr und der Union noch andere Parteien oder einen Kanzlerkandidaten der SPD gibt, ist allenfalls zu erahnen, wenn man ihren Worten folgt. Auch dem Wunschkoalitionspartner FDP widmet sie keine Silbe.

Ihre Rede ist ein gut halbstündiges Erklärstück, wohin sie das Land als Regierungschefin demnächst führen will. Im Mittelpunkt steht die Krise. "Wie kommen wir wieder aus der Talsohle heraus", fragt sie rhetorisch. Am Ende einer Kette weiterer selbstgestellter Fragen kommt die Feststellung, wichtig sei, auf Wachstum zu setzen. "Wachstum schafft Arbeit."

Sie kocht, er kauft ein

Jubel sieht anders aus. Es hat nicht geknistert auf dieser Veranstaltung. Das Publikum wirkt aber am Schluss doch ganz zufrieden. Merkel hat anscheinend seine Erwartungen erfüllt. Selbst die Protestierer von Greenpeace und die paar Studenten von der nahen Universität sind zum Ende ihrer Rede immer stiller geworden. Merkels Leute wundern sich, dass überhaupt einmal ein paar Gegner zu einer Merkel-Kundgebung gekommen sind. "Das gab es noch nie in diesem Wahlkampf!", sagt einer. Die Angela Merkel des Jahres 2009 ist keine Reizfigur, sondern allenfalls eine Politikerin, mit der man mal verschiedener Meinung sein kann.

Hat keinen Grund allzu skeptisch zu gucken: Angela Merkel.

Hat keinen Grund allzu skeptisch zu gucken: Angela Merkel.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Dazu beigetragen hat auch, dass die Kanzlerin mittlerweile und im Wahlkampf verstärkt in kleinen Dosen immer wieder mal etwas über ihr Privatleben preisgibt. So war kürzlich zu erfahren, dass sie als Kind in der heimischen Uckermark Blaubeeren gesammelt hat. Als Höhepunkt der Einblicke durch das private Schlüsselloch kann freilich die Beschreibung der Arbeitsteilung im Hause Merkel/Sauer gelten. "Mein Mann kocht nicht, er kauft meist ein und ich schreibe ihm am Freitag einen Zettel - dann kauft er für das Wochenende ein."

Demut als Zeichen der Persönlichkeit

Sie hat nie das Großspurige eines Gerhard Schröder gehabt. Und so wie sie die Zettelwirtschaft beschreibt, wird es daheim wirklich zugehen. Dazu passt auf den ersten Blick aber nicht das Abendessen für Ackermann, dem Super-Banker, Millionenverdiener und Victory-Zeichen-Zeiger. "Das ist nicht gut", sagt am Abend in Bonn auch ein Fraktions-Oberer nachdenklich. Obwohl das Essen für die vielen Gäste eher einen bescheidenen Umfang hatte, könnte es in den Augen mancher Merkels Image widersprechen, "normal", auf dem Boden geblieben zu sein. Sie hat doch zu allen sonst Mächtigen bis hin zu US-Präsident Barack Obama eine gewisse Distanz gehalten. Gerade diese Unabhängigkeit und Demut vor dem Amt machen einen Teil ihrer Popularität aus. Die Ackermann-Geschichte ist ein Achtungszeichen, dass in den letzten Wochen bis zur Wahl für Merkel nicht alles nach Plan laufen muss.

Die Kanzlerin ist in diesem Wahlkampf die CDU oder soll es sein. Noch kleben die Fotos der Unions-Minister auf den Plakatwänden. Zum Ende des Wahlkampf wird nur noch Merkel zu sehen sein. Die Wahl wollen die Parteistrategen im Konrad-Adenauer-Haus zu einem Kanzlerplebiszit machen.

Dazu muss die Partei jedoch die Ruhe behalten, wenn die CDU am 30. August in Thüringen oder dem Saarland die Macht verlieren sollte. In ihren Aussagen deutet Merkel schon an, dass sie dann im Ton anziehen dürfte, um gar keine innerparteiliche Diskussion über ihren bisherigen Wahlkampf aufkommen zu lassen. Die Warnung vor Rot- Rot-Grün wird dann mehr in ihre Rede einfließen. Schon das wird die Union wieder einen.

Kandidiert ohne großen Politikentwurf

Am Hauptmotiv ihres Wahlkampfs wird sich aber nichts ändern. Sie verkauft keinen großen Politikentwurf. Sie streitet anders als 2005 nicht um irgendwelche Einzelheiten zum Kündigungsschutz und Steuerrecht. Reizthemen wie Mindestlöhne hat sie in der Legislaturperiode zudem entschärft. Es gibt keine gravierenden Unterschiede zwischen Union und SPD mehr, jedenfalls nichts, was zum Wahlkampfknüller für die Sozialdemokraten taugen könnte.

Merkel geht es in erster Linie um die Vermittlung des Gefühls, dass die Interessen, Sorgen und Hoffnungen der Bürger bei ihr gut aufgehoben sind. "Es geht darum, die Gesellschaft zusammenzuhalten", ruft sie am Ende der Kundgebung. "Lasst uns in dieser entscheidenden Zeit zusammenhalten." Sie versucht, die Wähler zu umarmen und die Gegner danebenstehen zu lassen.

Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack, dpa

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