Politik

Im Kanzleramt nichts Neues Merkel: Es bleibt, wie es ist

Merkel will die  Ethik-Kommission tagen lassen.

Merkel will die Ethik-Kommission tagen lassen.

(Foto: dpa)

Das schwarz-gelbe Wahldebakel fordert Antworten in Sachen Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Umweltminister Röttgen will den Ausstieg nun beschleunigen. Druck macht auch die CSU. Die SPD fordert einen Ausstieg bis "spätestens 2020". Und Kanzlerin Merkel? Sie spricht wieder vom "Ausstieg mit Augenmaß".

Das Atom-Moratorium der Bundesregierung legt einen kleinen Teil der deutschen Meiler bereits lahm.

Das Atom-Moratorium der Bundesregierung legt einen kleinen Teil der deutschen Meiler bereits lahm.

(Foto: dpa)

Trotz der schweren Wahlniederlagen für Schwarz-Gelb will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Atompolitik nicht zu raschen Entscheidungen drängen lassen. Es bleibe dabei, dass bis Mitte Juni die Konsequenzen aus der Japan-Katastrophe für die künftige Nutzung der Kernenergie gezogen würden, sagte Merkel. Die Sicherheit der Meiler sei dabei am wichtigsten, aber auch die Bezahlbarkeit des Stroms und die Versorgungssicherheit.

Die Kanzlerin betonte, die Mehrfach-Katastrophe in Fukushima habe ihre persönliche Sicht auf die Kernenergie verändert. Die Meiler hätten Erdbeben und Flutwelle nicht standgehalten. "Ich bin belehrt worden durch Japan, dass die Auslegung nicht ausgereicht hat."

Diese Erkenntnisse müssten in die Sicherheitsüberprüfung der 17 deutschen AKW einfließen. In Deutschland solle es einen "Ausstieg mit Augenmaß" geben, wiederholte sie einen bekannten Ausspruch. Allerdings stellte sie auch parteiübergreifende Gespräche zumindest in Aussicht. Diese würden "zum gegebenen Zeitpunkt" gebraucht. Auf die Frage, ob die im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für deutsche AKW ein Fehler gewesen sei, sagte Merkel: "Nach der damaligen Situation würde ich sagen: nein."

Umweltminister Röttgen will das Wahldebakel für eine Politikveränderung nutzen.

Umweltminister Röttgen will das Wahldebakel für eine Politikveränderung nutzen.

(Foto: dpa)

Nach Angaben des Umweltministeriums wird die Reaktor-Sicherheitskommission in Kürze den Fragenkatalog zur AKW-Überprüfung weitgehend abstimmen. Am kommenden Montag will Merkel sich erstmals mit der von ihr eingesetzten Ethik-Kommission treffen. Deren Sitzungen werden künftig möglicherweise im Internet oder Fernsehen übertragen, um eine breite Bürgerbeteiligung zu ermöglichen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen geht unterdessen auf einen anderen Kurs. Er will den Atomausstieg beschleunigen und stellt die längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke infrage. "Jetzt geht es darum zu zeigen, dass man schneller aus der Kernenergie raus kann", sagte der CDU-Vize. Die Union müsse dies zu ihrem Projekt machen. Die Energiewende zum Vorteil von Wirtschaft und Verbrauchern sei machbar. "Ich glaube nicht, dass man, wenn man eine solche Wahlniederlage erleidet, sagen kann, es ist alles richtig und es geht so weiter wie bislang."

Mehrere CDU-Spitzenpolitiker warnten allerdings vor überstürzten Entscheidungen. Die schwarz-gelbe Koalition hatte die verlängerten Laufzeiten für die deutschen Atomkraftwerke nach dem Unglück in Japan für drei Monate auf Eis gelegt. Bis Mitte Juni sind acht Meiler vorläufig abgeschaltet.

Gröhe für Überprüfung

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hatte zuvor bei n-tv gesagt, aus der Wahlniederlage müssten Konsequenzen gezogen werden. So gehe es darum, etwa in der Energiepolitik durch Überprüfen der Atomanlagen und durch die Bereitschaft zur Kurskorrektur Vertrauen zurückzugewinnen. Gröhe bezeichnete es als "ganz unwahrscheinlich", dass die derzeit vorläufig abgeschalteten Alt-AKW nach Ablauf des dreimonatigen Moratoriums noch einmal ans Netz gehen."

Auch Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hält einen zügigen Ausstieg aus der Kernenergie für sinnvoll. "Dass wir sie möglichst schnell beenden wollen, ist ja Konsens und das tun wir auch", sagte sie. Aber: "Jeder weiß verantwortlich, dass das nicht von heute auf morgen zu machen ist." Es müsse forciert vorangetrieben werden. CDU-Vorstandsmitglied Philipp Mißfelder sprach von einer grundsätzlichen Neubewertung des Restrisikos. "Bei einer Partei, die sich über Jahrzehnte für Kernkraftwerke eingesetzt hat, ist das natürlich eine gravierende programmatische Umstellung." Die CSU will ebenfalls möglichst schnell aus der Kernenergie aussteigen. "Die Energiewende muss jetzt in den nächsten Tagen auf die Beine gestellt werden", sagte Parteichef Horst Seehofer. Bis Mitte Mai würden erste Konzepte vorgelegt, wie der Ausstieg aus der Atomenergie gelingen soll. "Wir drücken aufs Gas", sagte Seehofer. Die CSU müsse nun insbesondere bei ökologischen Themen und vor allem in Städten Überzeugungsarbeit leisten.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger warnte dagegen vor übereilten Schlüssen wegen des Atommoratoriums. "Wenn es ernst gemeint ist, muss die Zeit genutzt werden. Ich rate jedem, (...) sich nicht vorschnell festzulegen", sagte der frühere baden-württembergische Regierungschef. "Die grundlegenden Entscheidungen, welche Rolle sollte die deutsche Energiewirtschaft in Europa spielen, wie stark wollen wir unsere Ziele europäisieren, die kann man in drei Monaten schaffen - nur nicht heute Morgen."

SPD: Ausstieg bis 2020

"Keine Tricks mehr": SPD-Chef Gabriel am Wochenende bei einer Anti-Atomkraft-Demonstration in Berlin.

"Keine Tricks mehr": SPD-Chef Gabriel am Wochenende bei einer Anti-Atomkraft-Demonstration in Berlin.

(Foto: dapd)

Auch die Opposition drängt auf einen schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte einen vollständigen Atomausstieg "bis spätestens 2020". "Was wir gestern erlebt haben, war eine Volksabstimmung gegen die Atomenergie und für die Energiewende in Deutschland", sagte Gabriel. "Das ist das Ende der Atomenergie in Deutschland", stellte der SPD-Chef weiter klar.

Gabriel forderte Merkel auf, jetzt "keine Tricks mehr" zu machen und die bislang nur vorläufig abgeschalteten älteren Atomkraftwerke nicht mehr ans Netz gehen zu lassen. Die Kanzlerin dürfe jetzt nicht versuchen, einen Atomkonsens nur innerhalb ihrer Partei zu suchen. Die Landtagswahlen seien ein klares Signal für eine Energiewende in Deutschland. Allerdings müsse dabei auch darauf geachtet werden, "dass Industrie und Bürger die Strompreise noch bezahlen können".

Geißler für Volksabstimmung

Auf der Basis des Ausstiegs aus der Atomenergie reiche die Sozialdemokratie jedem zu Gesprächen die Hand, sagte der SPD-Chef. Erforderlich sei ein parteiübergreifender Konsens, in den auch Gewerkschaften und Arbeitgeber einbezogen werden müssten. Die Wahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg seien eine "Volksabstimmung gegen Atomenergie und für die Energiewende" gewesen. Die Wähler hätten ein "klares Signal gesetzt, dass sie raus wollen aus dieser Risikotechnologie".

Der Streit um die Atompolitik sich nach Ansicht des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler nur durch eine Volksabstimmung lösen. "Eine Befriedung in der ganzen Atompolitik kann in der Tat, nach meiner Auffassung, in der jetzigen Zusammensetzung auch des Bundestages, nur erreicht werden, wenn wir zu einer Volksabstimmung kommen", sagte Geißler dem SWR. Dazu müsse man allerdings die Verfassung ändern.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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