Politik

Streit über ALG I Merkel bekommt Mitschuld

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für den Streit in den Koalitionsparteien über Korrekturen an der Reform-"Agenda 2010" mitverantwortlich gemacht. Seiner eigenen Partei empfahl er erneut, "Kurs zu halten". Müntefering bleibt damit konsequent auf Distanz zum Vorstoß von SPD-Chef Kurt Beck, das Arbeitslosengeld (ALG) I für Ältere wieder länger zu bezahlen. Beck hatte damit auch in der Union, die ein ähnliches Konzept verfolgt, Beifall erhalten. Allerdings wurden beim Koalitionspartner auch kritische Stimmen laut.

Müntefering wandte sich entschieden gegen das Modell des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) zur ALG-I-Verlängerung. Damit habe dieser "auf windige Art gegen den Koalitionsvertrag gehandelt". Die CDU hatte vor knapp einem Jahr auf Initiative von Rüttgers beschlossen, die Bezugsdauer für ältere ALG- I-Empfänger zu Lasten von Jüngeren zu verlängern. Müntefering warf der Kanzlerin vor, die "Verwirrung in der Koalition" rühre auch daher, "dass es Frau Merkel auf ihrem Parteitag nicht geschafft hat, den Rüttgers-Unsinn aufzuhalten."

Seine Ablehnung des Beck-Vorstoßes begründete Müntefering so: "Der Familienvater mit 35 Jahren und kleinen Kindern hat bei Arbeitslosigkeit doch größere Probleme als der Vater mit 60 und erwachsenen Kindern."

Breite Diskussion

Grundsätzliche Unterstützung bekam Beck vom saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU): Sollten Abstriche für jüngere Arbeitslose zu "zu unzumutbaren Schlechterstellungen" führen, müsse darüber nachgedacht werden, längere ALG-I-Zahlungen mit den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit zu finanzieren, sagte Müller der "Welt am Sonntag".

Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) schlug zur Finanzierung längerer ALG-I-Zahlungen vor, jüngeren Arbeitslosen nicht die Leistungen zu kürzen, sondern ihre Wartezeiten zu erhöhen. Derzeit muss ein Arbeitnehmer 24 Monate lang Beiträge zahlen, um Anspruch auf ein Jahr Arbeitslosengeld zu haben. Laumann schlug dafür im "Spiegel" nun 30 Monate Beitragszahlung vor.

Der stellvertretende CSU-Chef Horst Seehofer warnte vor ungedeckten Schecks bei einer längeren Zahlung des Arbeitslosengeldes I. "Wir können nicht jede Woche neue Leistungen verteilen", so Seehofer. Der Konsolidierungskurs dürfe nicht gefährdet werden.

"Müntefering hält das aus"

SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler rechnet nicht damit, dass Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) wegen des Streits mit SPD-Chef Kurt Beck zurücktritt. "Das würden sich manche in anderen Parteien wünschen. Aber das wird dieser verantwortungsbewusste und soziale Mann nicht tun", sagte Stiegler der "Berliner Zeitung". Dies aber forderte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel im "Mannheimer Morgen": "Wenn der SPD-Parteitag Änderungen beim Arbeitslosengeld beschließt, muss der Arbeitsminister konsequenterweise aus dem Amt scheiden."

Für SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hat eine Korrektur beim Arbeitslosengeld I "nichts mit einer Abwendung von der notwendigen Reformpolitik zu tun". Ein solcher Schritt erhöhe aber die Akzeptanz für Reformen, weil es dem Gerechtigkeitsgefühl der überwältigenden Mehrheit der Bürger entspreche, schreibt Heil in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sprach sich strikt gegen längere Zahlungen beim Arbeitslosengeld I aus. Er halte dies für "grundsätzlich falsch", sagte er der "Financial Times Deutschland" (Montag). "Für mich hat das nichts mit Gerechtigkeit zu tun, wenn man Arbeitslosigkeit länger finanziert." Kritik am Beck- Vorstoß kam von der sächsischen CDU. "Damit werden keine Probleme gelöst", sagte CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer der dpa. Es handele sich allenfalls um eine Scheinlösung. Er warnte CDU und CSU davor, sich vorschnell für Korrekturen auszusprechen.

Quelle: ntv.de

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