Umstrittene Brennelementesteuer Merkel berät mit Atom-Chefs
23.06.2010, 18:31 UhrBundeskanzlerin Merkel bleibt auch nach dem Spitzentreffen mit den vier großen Energiekonzernen bei ihrem Plan einer Brennelementesteuer. Rund eineinhalb Stunden berieten beide Seiten im Kanzleramt über Energiefragen – allerdings ohne Entscheidungen zu treffen.

Atomkraftgegner demonstrieren vor dem Kanzleramt gegen die Aufhebung des Atomausstiegs.
(Foto: REUTERS)
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat mit den Chefs der vier großen Energiekonzerne über die umstrittenen Atom-Laufzeitverlängerungen und die geplante Brennelemente-Steuer diskutiert. Bei dem etwa eineinhalb Stunden dauernden Treffen im Kanzleramt habe es einen umfassenden Meinungsaustausch gegeben, sagte ein Regierungssprecher. Opposition und Umweltverbände kritisierten die Gespräche.
An dem Treffen nahmen neben Merkel die Chefs der vier großen Energieversorger Eon, EnBW, Vattenfall Europe und RWE teil, weitere Mitglieder des schwarz-gelben Kabinetts waren nicht dabei. Bei dem Gespräch kamen nach Angaben des Regierungssprechers auch strittige Themen zur Sprache. Details wurden nicht bekannt.
Energiekonzept erst nach der Sommerpause
Die Bundesregierung arbeitet derzeit an ihrem Energiekonzept. Deshalb strebt die schwarz-gelbe Koalition in Berlin auch eine Verlängerung der Akw-Laufzeiten über die im Atomausstieg von 2002 unter Rot-Grün vereinbarte Zeitspanne an. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, dass ein Gesetzentwurf zu dem neuen Energiekonzept frühestens nach der Sommerpause vorliegen dürfte. Umstritten ist auch die Frage, ob der Bundesrat einer Laufzeit-Verlängerung zustimmen müsste. Union und FDP haben nach der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen dort voraussichtlich bald keine Mehrheit mehr.
In der Opposition stieß das Treffen Merkels mit den Konzernlenkern auf Kritik. SPD-Energieexperte Hermann Scheer forderte in der "Thüringer Allgemeinen", die Regierung dürfe sich nicht gefallen lassen, dass sich die Energiekonzerne aufführten "wie ein Staat im Staate". Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete Merkels Verhalten mit Blick auf das Treffen als "unmöglich". Eine Kanzlerin könne nicht sagen, sie wolle eine Laufzeitverlängerung und dafür versuchen, "ein bisschen Geld herauszuwringen".
Konzerne lehnen Steuer ab

Gesprächsbedarf: EnBW-Chef Hans-Peter Villis, Vatenfall-Boss Tuomo Hatakka, Eon-Chef Johannes Teyssen und RWE-Boss Jürgen Großmann (von oben links nach rechts unten).
(Foto: dpa)
Die Brennelementesteuer ist Teil des Sparprogramms der Bundesregierung. Mit ihr sollen ab 2011 rund 2,3 Milliarden Euro jährlich eingenommen werden. Die großen Energiekonzerne lehnen die Abgabe ab. Vattenfall-Europachef Tuoma Hatakka deutete vor dem Treffen mit Merkel ein mögliches juristisches Vorgehen gegen die Steuer an, die Vattenfall weit über 100 Millionen Euro im Jahr kosten werde. Der Vorsitzende des BDI-Energie- und Klimaausschusses, Christopher Grünewald, erklärte, "höhere Steuern gefährden die Industrien, die den Aufschwung tragen sollen".
Grüne unterstützen Steuer
Für die Grünen weist die Brennelementesteuer in die richtige Richtung. "Die großen vier Stromkonzerne machen zusammen über 20 Milliarden Euro Gewinn jedes Jahr und das insbesondere weil sie als Quasi-Monopolisten überteuerte Preise einnehmen können", sagte Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn der "Rheinischen Post". "Da fallen die 2,3 Milliarden Euro bei der eingeplanten Brennelementesteuer kaum ins Gewicht."
Als Schritt zu mehr Wettbewerbsgerechtigkeit bezeichnete hingegen der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) die Steuer. "Im Moment genießt die Atomenergie Steuerbegünstigungen, die durch eine solche Abgabe teilweise kompensiert würden", sagte BEE-Hauptgeschäftsführer Björn Klusmann.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte sogar eine deutlich höhere Steuer. Statt 1,5 Cent pro Kilowattstunde sollten die Stromversorger 2,5 Cent pro Kilowattstunde zahlen, teilte Greenpeace mit. Das brächte der Bundesregierung Einnahmen von rund 3,5 Milliarden Euro im Jahr statt wie geplant 2,3 Milliarden Euro. Greenpeace orientiert sich mit seinem Vorschlag für eine Atomsteuer an den Mitnahmegewinnen der Stromkonzerne. Wegen des Handels mit Verschmutzungsrechten müssten höhere Preise für Atomstrom gezahlt werden, obwohl die Konzerne keine Mehrausgaben hätten.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts