Politik

Ukraine reagiert verärgert Merkel droht offen mit Boykott

Kanzlerin Merkel stellt einen Besuch in der Ukraine unter den "Vorbehalt der Rechtsstaatlichkeit", EU-Kommissionspräsident Barroso will sich ebenfalls keine EM-Spiele in der Ukraine ansehen. Die Regierung in Kiew reagiert verärgert: Die Bundesregierung verfolge "Methoden des Kalten Kriegs".

Julia Timoschenko befindet sich seit dem 20. April im Hungerstreik (das Archivbild zeigt sie im November in einem Gefängnis in Kiew).

Julia Timoschenko befindet sich seit dem 20. April im Hungerstreik (das Archivbild zeigt sie im November in einem Gefängnis in Kiew).

(Foto: AP)

Die Bundesregierung hat erklärt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Besuch in der Ukraine zur Fußball-EM von der politischen Entwicklung dort abhängig macht. Jede Planung stehe unter dem Vorbehalt des Schicksals der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko sowie unter dem "Vorbehalt der Rechtsstaatlichkeit" in der Ukraine, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter. Es gebe weiter keine konkreten Reiseplanungen.

In Deutschland waren am Wochenende die Forderungen nach einem politischen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine lauter geworden. Laut "Spiegel" erwägt Merkel, ihren Ministern zu empfehlen, den EM-Spielen in der Ukraine fernzubleiben.

Die deutsche Mannschaft trägt alle drei Vorrundenspiele in der Ukraine aus, das die EM gemeinsam mit Polen ausrichtet. Das Endspiel findet am 1. Juli in Kiew statt.

Barroso bleibt ebenfalls fern

Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, ein bekennender Fußballfan, wird keine Spiele in der Ukraine besuchen. "Nach jetzigem Stand hat Barroso keine Absicht, in die Ukraine zu reisen oder an irgendwelchen Veranstaltungen in der Ukraine teilzunehmen", sagte seine Sprecherin Pia Ahrenkilde Hansen.

"Wir hoffen, dass wir Entwicklungen sehen werden, die zu einem Ende dieser sehr, sehr ernsten Lage beitragen können", sagte sie. Die Mitglieder der EU-Kommission hätten keinen offiziellen Beschluss zu einem politischen Boykott der Ukraine getroffen. Die EU-Behörde habe aber "sehr, sehr große Sorgen über das, was derzeit in der Ukraine passiert".

"Methoden des Kalten Kriegs"

Unterdessen wies die Ukraine Forderungen Deutschlands nach einer Freilassung Timoschenkos scharf zurück. Mit Blick auf einen politischen Boykott der EM warnte das ukrainische Außenministerium die Bundesregierung davor, die "Methoden der Zeiten des Kalten Krieges wiederzubeleben". Außenamtssprecher Oleg Woloschin sagte, er hoffe, dass der "Spiegel"-Bericht nur eine "Zeitungsente" sei.

Deutschland erhält für seine scharfe Kritik an der ukrainischen Menschenrechtspolitik von anderen EU-Mitgliedern bislang wenig direkte Unterstützung. In Polen, dem Co-Gastgeberland der Fußball-Europameisterschaft, herrscht Schweigen zu den Boykott-Forderungen gegen die Spiele in der Ukraine.

Allerdings sagte nach Bundespräsident Joachim Gauck auch der tschechische Präsident Václav Klaus seine Reise zum geplanten Gipfeltreffen Mitte Mai in der Ukraine ab - mit Verweis auf die Lage Timoschenkos.

Deutscher Arzt will Timoschenko erneut besuchen

Die 51-jährige Timoschenko wurde im vorigen Jahr zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt und klagt über Misshandlungen im Gefängnis. Die Verfahren gegen sie und andere Mitglieder der früheren Regierung sind in ihren Augen Schauprozesse, um die Opposition mundtot zu machen. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die erkrankte Timoschenko zur medizinischen Behandlung ausreisen darf. Die Berliner Universitätsklinik Charité hat angeboten, Timoschenko zu behandeln.

Charité-Chefarzt Karl Max Einhäupl sagte im ZDF, er habe darum gebeten, in dieser Woche erneut Timoschenko besuchen zu dürfen, um über sich ein Bild vom Gesundheitszustand der Politikerin machen und gegebenenfalls helfen zu können. Der Neurologe hat die Oppositionsführerin, die unter einem Bandscheibenschaden leidet und in einen Hungerstreik getreten ist, auf Bitten der Familie Timoschenkos schon mehrfach untersucht.

Quelle: ntv.de, rts/dpa

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