Rösler besucht Griechenland Merkel für Euro-Sonderkommissar
07.10.2011, 22:40 Uhr
Merkel trifft den niederländischen Premier Rutte.
(Foto: AP)
Den niederländischen Vorschlag eines EU-Sonderkommissars für den Euro verfolgt Kanzlerin Merkel mit Interesse. Die EU-Kommission reagiert bisher reserviert. Wirtschaftsminister Rösler besucht derweil Athen. Deutschland und Griechenland vereinbaren eine engere Kooperation. Dabei gibt es auch Proteste mit Hitlerbärtchen.
Merkel unterstützt im Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise auch die Idee eines EU-Sonderkommissars für den Euro. Ein solcher niederländischer Vorstoß sei eine "interessante Idee", sagte sie in Berlin nach einem Treffen mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte. In diese Richtung müsse weiter gedacht werden.
Merkel begründete ihre Zustimmung mit nicht ausreichenden Eingriffsmöglichkeiten bei Verstößen gegen den verbesserten Stabilitätspakt. Dieser sei zwar schon ein großer Fortschritt. "Aber das Durchgriffsrecht, wie man es eigentlich braucht, wenn ein Land immer wieder den Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht erfüllt, ist noch nicht ausreichend ausgeprägt." Die Europäische Kommission reagierte bei dem Thema bislang eher zurückhaltend. Für Währungsfragen ist derzeit der finnische Kommissar Olli Rehn zuständig.
Die niederländische Zustimmung zum erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF nannte Merkel ein wichtiges Signal. Sie hoffe nun auf Zustimmung in den noch ausstehenden Ländern Malta (am Montag) und der Slowakei (am Dienstag), so dass der Schirm in Kraft gesetzt werden könne.
Rösler in Griechenland
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sagte derweil bei seinem Besuch in Griechenland Hilfen für eine wirtschaftliche Wiederbelebung des Euro-Pleitekandidaten zu. Er unterzeichnete dazu in Athen eine Erklärung mit seinem griechischen Amtskollegen Michalis Chrysochoidis.
So sollen Experten von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur für mehr Wettbewerb bei Energie und Telekom sorgen. Deutsche Solarfirmen prüfen Investitionen in griechischen Sonnenstrom. Eon Ruhrgas bewirbt sich mit Partnern darum, für 1,5 Milliarden Euro eine Pipeline durch Griechenland zu bauen, um Gas aus Aserbaidschan nach Europa zu bringen.
Ministerpräsident Giorgos Papandreou signalisierte dem deutschen Vizekanzler, Griechenland könnte nicht bezahlte Rechnungen bei deutschen Firmen in dreistelliger Millionenhöhe begleichen. Dies wäre ein wichtiges Signal an ausländische Investoren, hieß es.
Proteste in Athen
Rösler hatte mit Papandreou und Finanzminister Evangelos Venizelos über das stockende Sparprogramm der Regierung beraten. Röslers wiederholte Warnung vor einer möglichen Staatspleite Griechenlands spielte nach offizieller Darstellung dabei keine Rolle. Rösler betonte, die Griechen blieben in der Euro-Gruppe. "Wir müssen alles dafür tun, alle Staaten in der Euro-Zone zu halten." Dazu müsse die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einzelner Länder gestärkt oder wiederhergestellt werden.
Vor der deutschen Botschaft in Athen demonstrierten aufgebrachte Griechen zum Teil in Nazi-Verkleidungen und mit Hitlerbärtchen versehen gegen die deutsche Griechenland-Politik. Rösler musste bei seinem Besuch in Griechenland von mehreren BKA-Personenschützern abgeschirmt werden.
Irland will unterdessen als erster der notleidenden Euro-Staaten wieder auf den Rettungsschirm verzichten und den Weg zurück an den Kapitalmarkt einschlagen. Die Regierung wolle bereits im kommenden Jahr versuchen, wieder Staatsanleihen auf den Markt zu geben, sagte der irische Premierminister Enda Kenny dem Fernsehsender Bloomberg.
Kein Streit um Bankenhilfe?
An diesem Sonntag werden Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in Berlin über weitere Schritte in der Euro-Krise beraten. Im Vorfeld des Treffens sieht die französische Regierung keine Meinungsverschiedenheiten über die Bankennothilfe. Frankreich wolle eine europäische Lösung, sagte ein Vertreter des Pariser Finanzministeriums. Wie Deutschland sei auch Frankreich der Meinung, dass das Geld für eine Rekapitalisierung der Geldinstitute zunächst aus "privaten Quellen" kommen solle, sagte ein Ministeriumsvertreter. Eine Spritze mit öffentlichen Geldern könne nur das "letzte Mittel" sein.
Die Bundesregierung sieht nach Angaben einer Sprecherin des Finanzministeriums in Berlin zuerst die Banken selbst in der Pflicht. In zweiter Linie sollten die Nationalstaaten einspringen und nur im Notfall solle der Rettungsfonds EFSF herangezogen werden. Diese Vorgehensweise trifft EU-Diplomaten zufolge insbesondere in Frankreich auf Widerstand. Französische Banken sitzen auf besonders vielen Staatsanleihen Griechenlands und anderer Wackelkandidaten.
Staatshilfen für in Not geratene Banken stoßen dagegen bei Grünen und Linken auf Kritik. "Es ist bemerkenswert, wie schnell Bundeskanzlerin Angela Merkel bereit ist, Banken mit Steuergeldern zu retten und wie lange sie gezögert und gezaudert hat, als es um ein europäisches Partnerland ging", erklärte Grünen-Chef Cem Özdemir in Berlin. Er gab Merkel und ihrer Regierung eine "erhebliche Mitverantwortung" dafür, dass Finanzmärkte und Banken in Europa gegenwärtig "erneut in eine Krise schlittern". Linksfraktionschef Gregor Gysi nannte es, "ungeheuerlich", sollten europäische und deutsche Steuerzahler zur Begleichung der Schulden der Banken herangezogen werden. "Die Sozialisierung der Schulden und die Privatisierung der Gewinne müssen ein Ende haben."
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP