Reform des Weltfinanzsystems stockt Merkel will die Banken retten
06.10.2011, 20:41 Uhr
Klar ist hier noch gar nichts: Zoellick, Lagarde, Merkel und Gurria (vl) treffen sich in Berlin.
(Foto: dapd)
In hochkarätiger Runde berät Merkel über die Reform des globalen Währungssystems. An erster Stelle steht jedoch die Realität: Angst vor einer neuen Bankenkrise solle mit einer Rekapitalisierung der Finanzinstitute begegnet werden, sagt die Kanzlerin. Sonst drohten Schäden, die "Größenordnungen höher sind". Auch über die Reform der Weltfinanzen kann Merkel nicht viel Positives berichten.
Kanzlerin Angela Merkel will europäischen Banken in der Schuldenkrise notfalls rasch mit frischem Kapital unter die Arme greifen. Damit solle eine Bankenkrise wie 2008 abgewehrt werden, machte sie in Berlin nach einem Treffen mit den Chefs von Weltbank, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) deutlich. Zugleich will die Kanzlerin den weltweiten Kapitalfluss schärfer kontrollieren und regulieren.
Damit solle das internationale Währungssystem "stabiler und widerstandsfähiger" gemacht werden, so die Kanzlerin. Vorschläge dazu würden dem G20-Treffen am 3. und 4. November in Cannes vorgelegt, sagte Merkel. Damit werde die Arbeit aber noch nicht beendet sein. Man brauche ein "gemeinsames Verständnis im Umgang mit Kapitalströmen", sagte sie.
Fachleute "sehr ernst nehmen"
Über die drohende Bankenkrise sagte Merkel, die Politik müsse den Rat der Fachleute "sehr ernst nehmen". Diese kämen mehr und mehr zur Überzeugung, dass eine Kapitalaufstockung nötig sei. "Ich glaube, wenn die Notwendigkeit dafür besteht, dann ist es vernünftig investiertes Geld, und dann sollten wir nicht zögern, weil die Schäden, die sonst auftreten, um Größenordnungen höher sind." Zunächst aber sollten die Banken selbst zusehen, wie sie an ausreichend Kapital kämen.

Merkel will Warnungen der Fachleute vor einer neuen Bankenkrise "sehr ernst nehmen".
(Foto: REUTERS)
Bereits am Mittwoch hatte Merkel in Brüssel . In den vergangenen Tagen waren die Sorgen gewachsen, dass die Banken von der Schuldenkrise des Euro-Raums mitgerissen werden könnten. Scharfe Kritik kam dazu vom Bund der Steuerzahler: "Nachdem Staaten wie Griechenland, aber auch Portugal oder Irland vom europäischen Steuerzahler gerettet wurden und werden, sollen jetzt auch einzelne Banken hinzukommen. Dieser Weg führt nur weiter in eine Sackgasse", sagte Verbandsvizepräsident Reiner Holznagel dem "Handelsblatt".
Merkel betonte, der erweiterte Euro-Rettungsschirm EFSF "hat noch eine Menge von Ressourcen". Bislang seien nur zehn Prozent gebunden. Über den Schirm könne einem Land jedoch nur geholfen werden, wenn es den gesamten Euro-Raum gefährde und seine Banken nicht selbst stabilisieren könne.
Währungssystem "im Übergang"
Die Kanzlerin hatte mit IWF-Chefin Christine Lagarde, EZB-Präsident Jean-Claude Trichet, und Weltbank-Präsident Robert Zoellick über die Reform des Währungssystems beraten. Zudem nahmen OECD-Generalsekretär Ángel Gurria, die Finanzminister Frankreichs und Mexikos, sowie der Wirtschafts-Nobelpreisträger von 1999, Robert Mundell, an dem Gespräch teil. Deutschland leitet gemeinsam mit Mexiko eine G20-Arbeitsgruppe zur Reform des globalen Währungssystems.
Merkel hob anschließend hervor: "Das internationale Währungssystem und seine Stabilität sind natürlich von größter Bedeutung für eine vernünftige Weltwirtschaftsentwicklung." Das internationale Währungssystem befinde sich derzeit "im Übergang". Es verändere sich weg von einer starken Konzentration auf den Dollar und werde ein "multipolares" System, sagte Merkel.
Derzeit gebe es im globalen Währungssystem keinen Mechanismus, mit dem Ungleichgewichte automatisch korrigiert werden könnten, sagte die Kanzlerin. Nun müsse ein Rahmenwerk zum Umgang mit Kapitalströmen erarbeitet werden. Man sei sich einig, dass Kapitalverkehrskontrollen nur letztes Mittel sein sollten. Zunächst solle versucht werden, dass sich der Kapitalverkehr frei entwickeln könne.
Überwachungsfunktion des IWF unklar
Bei möglichen Kontrollmechanismen für die Währungsströme gebe es noch Diskussionsbedarf, räumte Merkel ein. Dies gelte auch für die angestrebte Überwachungsfunktion des IWF. Zudem solle darauf geachtet werden, dass Entwicklungs- und Schwellenländer nicht mehr zu stark von den Leitwährungen abhängig seien. Merkel und Lagarde sprachen von einem lokalen Liquiditätsmanagement. Lagarde sagte, Kapitalflüsse in Entwicklungs- und Schwellenländern müssten besser koordiniert und mit einem Verhaltenskodex versehen werden.
EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso schlug derweil in Brüssel eine koordinierte Aktion zur Rekapitalisierung von Banken vor. Ziel soll es sein, dass die Geldhäuser Risikopapiere loswerden können. Allerdings relativierte er seine Aussagen später, es sei eine "enge Koordinierung auf europäischer Ebene" nötig, sagte Barroso. Merkel sagte dazu: "Wir warten auf die Empfehlung, die von der europäischen Bankenaufsicht kommen wird."
Im Anschluss an die erste Gesprächsrunde traf sich Merkel mit den Vorsitzenden der fünf führenden internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen. Auf der Teilnehmerliste standen neben Lagarde, Zoellick, Gurria der Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO), Pascal Lamy, und der Chef der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Juan Somavia.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP