"Impuls für mehr Konsum" Merkel gibt sich erfreut
09.12.2008, 17:32 UhrNach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Entfernungspauschale hat die Regierung den Pendlern eine schnelle Steuerrückzahlung in Aussicht gestellt. "Ich halte es für absolut richtig, dass wir angesichts der Wirtschaftslage das Geld den Menschen jetzt direkt zurückgeben", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Rande eines Besuchs in Warschau.
Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor die Kürzung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig erklärt. Seit Anfang 2007 wurden die Wegekosten zur Arbeit bis zu 20 Kilometern nicht mehr als steuermindernd anerkannt. Damit konnten nur noch Fernpendler mit Arbeitswegen von mehr als 21 Kilometern ihre Kosten in Höhe von 30 Cent pro Kilometer geltend machen. Der Bundesfinanzhof hatte diese Kürzung für grundgesetzwidrig gehalten und den Streit in Karlsruhe vorgelegt.
Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz
Die Verfassungsrichter entschieden nun, dass die Beschränkung der Kilometerpauschale auf Strecken über 21 Kilometer gegen das Gleichheitsgebot im Grundgesetz verstößt. Der Vizepräsident des obersten Gerichts, Andreas Vosskuhle, sagte, die von der Regierung angeführte Haushaltssanierung reiche zur Begründung einer Ungleichbehandlung von Nah- und Fernpendlern nicht aus. Bis zu einer Korrektur der jetzigen Rechtslage gilt deshalb wieder die alte Regelung. Für 2007 wird die zuviel gezahlte Steuer möglichst im ersten Quartal 2009 rückerstattet.
Voßkuhle betonte, der Gesetzgeber sei mit dem Urteil "nicht verpflichtet, die Pendlerpauschale in ihrer alten Form wieder einzuführen". Sie könnte künftig auch niedriger ausfallen, wenn der Gesetzgeber dies mit den geforderten Lenkungszielen oder Erfordernissen der Typisierung und Vereinfachung begründet. Das Gericht ließ selbst den Weg eines grundlegenden "Systemwechsels" im Steuerrecht offen.
Niederlage als "Impuls für mehr Konsum"
Merkel nannte eine schnelle Rückzahlung der Fahrtkosten auch einen "Impuls für mehr Konsummöglichkeiten". Mit Blick auf die vom Gericht erwirkte Rückkehr zur alten Pendlerpauschale sagte die Kanzlerin am Rande der deutsch-polnischen Regierungskonsultationen: "Das ist die richtige Antwort auf die augenblickliche, schwierige Situation in der Wirtschaft".
Das Bundesfinanzministerium bezeichnete das Urteil als "falsch", kündigte aber an, dass die Steuern für 2007 möglichst schon in den ersten drei Monaten 2009 zurückgezahlt werden sollten. Mit der Umsetzung würden Steuerausfälle von rund 7,5 Milliarden Euro für die Jahre 2007 bis 2009 anfallen. Angesichts der wirtschaftlichen Situation würden die Gelder nicht an anderer Stelle eingespart. Mit der schnellen Auszahlung solle "ein zusätzlicher Kaufimpuls" gesetzt werden, erklärten Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Sie ließen offen, wie eine Neuregelung der Pendlerpauschale ab 2010 aussehen könnte.
Seehofer freut sich
CSU-Chef Horst Seehofer nannte die Karlsruher Entscheidung eine "volle Bestätigung für die CSU". Es sei "höchst bedauerlich, dass Politik in wichtigen Grundsatzfragen erst auf Gerichte wartet, anstatt selber aktiv zu werden und zu gestalten", erklärte der bayerische Ministerpräsident in München. Allerdings hatte die CSU zusammen mit CDU und SPD die jetzt vom Bundesverfassungsgericht gekippte Regelung zur Pendlerpauschale mit beschlossen. Flächenländer wie Bayern setzten zudem die beanstandete Härtefallregelung für Fernpendler vom 21. Kilometer an durch. Später im Landtagswahlkampf rückte die CSU aber wieder vom gemeinsamen Koalitionsbeschluss ab, den auch der Bundesrat gebilligt hatte.
CSU: Steinbrück soll zurücktreten
Nun fordert CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg sogar den Rücktritt des Bundesfinanzministers. "Wer in einer steuerpolitischen Grundsatzfrage so neben der Spur liegt und trotzdem so verbohrt an seinem falschen Kurs festhält wie Steinbrück, muss sich die Frage politischer Lernfähigkeit stellen. Letzteres bleibt Grundvoraussetzung für jedes hohe Staatsamt", sagte er dem "Hamburger Abendblatt".
FDP sieht sich bestätigt
Auch die Opposition begrüßte das Kippen der Regelung durch die Richter. "Wir sehen uns einmal mehr bestätigt mit unserer Kritik an der Hochsteuerpolitik der Bundesregierung", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle dem Bonner "General-Anzeiger". Allerding sei es "eine Frechheit der Kanzlerin, wenn sie die vom Bundesverfassungsgericht erzwungenen Steuerrückzahlungen jetzt als Merkel-Konjunkturspritze verkaufen will", sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel dem "Hamburger Abendblatt".
Linksfraktionschef Gregor Gysi forderte eine Auszahlung auch für diejenigen, "die so wenig verdienen, dass sie eine Entfernungspauschale nicht von der Steuer absetzen können". Grünen-Fraktionsvize Christine Scheel sprach von einer "schallenden Ohrfeige" für die "willkürliche" Politik der großen Koalition.
Der Automobilclub ADAC freute sich, nun sei die Benachteiligung von Pendlern vorbei. Der Bund für Umwelt und Naturschutz bedauerte dagegen den Richterspruch.
Quelle: ntv.de