Politik

Vor allem Wirtschaftsthemen Merkel in Lateinamerika

Mit der Hoffnung auf einen Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur ersten Lateinamerikareise ihrer Amtszeit nach Brasilien aufgebrochen. Am Mittwoch wird sie zunächst in der Hauptstadt Brasilia mit Staats- und Regierungschef Luiz Incio Lula da Silva zusammenkommen. Anschließend reist sie weiter nach So Paolo, wo sie vor Wirtschaftsvertretern sprechen und ein Werk von Volkswagen do Brasil besuchen wird.

Energieabkommen

Merkel will auf ihrer Reise die Partnerschaft mit Brasilien in der Energiepolitik ausbauen. Das geplante Energieabkommen mit Deutschlands größtem Handelspartner in der Region solle die Zusammenarbeit bei Energiespartechniken und erneuerbaren Energien fördern, hieß es zu Beginn der einwöchigen Reise aus dem Kanzleramt.

Konkrete Lieferungen der umstrittenen Bio-Kraftstoffe beinhaltet das Abkommen demnach nicht. Vielmehr soll eine Arbeitsgruppe bilaterale Kriterien für die Produktion von Bio-Kraftstoffen erarbeiten, damit für die Gewinnung von Ethanol kein Regenwald zerstört wird. Umweltschützer bezweifeln die Angaben der brasilianischen Regierung, dass für den Zuckerrohr-Anbau für Bio-Kraftstoff ohnehin kein Regenwald abgeholzt wird.

Wie aus Regierungskreisen verlautete, will die Bundesregierung auch die Fortführung der Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Atomenergie gewährleisten. Eine entsprechende gesonderte diplomatische Note sei vorbereitet und mit CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos sowie SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel abgestimmt.

Freihandelsabkommen

Deutsche Unternehmer setzten hohe Erwartungen in die Reise. Von dem EU-Lateinamerika-Gipfel in der peruanischen Hauptstadt Lima, an dem Merkel Ende der Woche teilnehmen wird, erhoffen sie sich Impulse für Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Staaten des Subkontinents. Weitere Stationen der Reise der Kanzlerin sind Kolumbien und Mexiko.

Vor dem Abflug Merkels aus Berlin hatte Venezuelas Präsident Hugo Chvez für Wirbel gesorgt, als er die Kanzlerin in die Nähe von Adolf Hitler und dem Faschismus rückte. Merkel hatte zuvor erklärt, der linksnationalistische Chvez, der in der Vergangenheit harsche Kritik an den USA und auch an Europa geäußert hatte, spreche nicht für ganz Lateinamerika.

In Lima will sich die Kanzlerin auch mit Repräsentanten von Staaten treffen, die dem Freihandel ähnlich wie Chvez kritisch gegenüber stehen. Ob auch Chvez zum Gipfel nach Lima kommen und dort mit Merkel zusammentreffen wird, war zunächst unklar.

"Ansehen nicht beeinträchtigt"

Diese Angriffe würden das Ansehen Merkels in Lateinamerika nicht beeinträchtigen, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckart von Klaeden, der zur Delegation gehört. Die Vorbereitungen der Reise hätten gezeigt, dass viele lateinamerikanische Länder großen Wert auf die Teilnahme Merkels an dem Gipfeltreffen legten.

"Herr Chavez sollte das beherzigen, was der spanische König Juan Carlos ihm unlängst gesagt hat", sagte von Klaeden. Der Monarch hatte Chavez während eines Iberoamerika-Gipfels im November mit den Worten "Warum hältst Du nicht die Klappe?" zurechtgewiesen, als dieser permanent mit Zwischenrufen die spanische Politik angriff.

Die Regierung von Venezuela hat derweil von Deutschland mehr "Respekt" in den bilateralen Beziehungen gefordert. Merkel sei außerdem nicht die einzige Stimme der Europäischen Union (EU), heißt es in einem in Caracas veröffentlichten Kommuniqu des Außenministeriums.

Barroso kritisiert Chvez

EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso hatte den verbalen Ausfall von Chvez als Belastung der Beziehungen zwischen Lateinamerika und Europa kritisiert. Solche "aufwiegelnden Reden" würden die Bemühungen um eine "freundschaftliche Kooperation" zwischen Lateinamerika und Europa behindern, sagte Barroso am Montag am Rande eines Besuchs in Mexiko.

Man habe hohe Erwartungen an die Lateinamerika-Reise der Kanzlerin, setze aber auch selbst schon wieder stärker auf den Kontinent, sagte der Vorsitzende des Lateinamerika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Bodo Liesenfeld, vor dem Abflug Merkels aus Berlin. Neben Impulsen für Freihandelsabkommen seien aus Sicht der Wirtschaft auch Anstöße für zahlreiche bilaterale Themen wie ein Abkommen über die Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und Brasilien wünschenswert.

Proteste gegen Energieabkommen

Umweltorganisationen protestierten in Bonn gegen die während des Besuchs der Kanzlerin geplante Unterzeichnung eines deutsch-brasilianischen Energieabkommens. Entgegen den Aussagen der brasilianischen Regierung entspreche die dortige Ethanol-Produktion weder sozialen Mindeststandards, noch sei sie ökologisch nachhaltig, erklärten die Organisationen INKOTA-Netzwerk, Aktionsbündnis Gerechter Welthandel und Rettet den Regenwald.

Während in Bonn die UN-Konferenzen zum Erhalt der biologischen Vielfalt beginnen, wolle Merkel zur Intensivierung der Agrosprit-Importe aus Brasilien nach Deutschland in Brasilien ein Abkommen unterzeichnen, dass zu "Regenwaldvernichtung und Naturzerstörung" beitrage.

Menschenrechte ansprechen

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) forderte Merkel auf, sich in Lateinamerika für die Achtung der Menschenrechte einzusetzen. In allen lateinamerikanischen Ländern, die Merkel diese Woche bereise, würden Menschenrechte teilweise schwer verletzt, sagte die Generalsekretärin von AI Deutschland, Barbara Lochbihler. "Die Bundeskanzlerin hat in der Vergangenheit bei Staatsbesuchen deutliche Worte zu Menschenrechtsverletzungen gefunden, sie sollte bei dieser Reise nicht von dieser Linie abweichen."

So blieben beispielsweise in Brasilien, der ersten Station der Reise, Menschenrechtsverletzungen in der Regel ungesühnt, sagte die AI-Generalsekretärin. Allein im Bundesstaat Rio de Janeiro habe die Polizei 2007 mindestens 1260 Menschen getötet. Alle Fälle seien offiziell als "Tod nach Widerstand gegen die Staatsgewalt" eingestuft worden und zogen keine oder keine ernsthaften Ermittlungen nach sich.

Quelle: ntv.de

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