Gemeinsam, aber anders Merkel in Peking
27.08.2007, 06:53 UhrDie Pekinger Führung will gegen chinesische Hacker-Angriffe auf Computer der Bundesregierung vorgehen. Nach Gesprächen mit Kanzlerin Angela Merkel in Peking sagte Ministerpräsident Wen Jiabao: "Wir werden entschlossene Maßnahmen ergreifen, um Hacker-Angriffe auszuschließen." Er sprach von einem gemeinsamen Problem im Internetzeitalter und ging nicht auf Vermutungen ein, dass das chinesische Militär dahinter stecken könnte.
Die Kanzlerin mahnte in diesem Zusammenhang die Einhaltung "gemeinsamer Spielregeln und gegenseitigen Respekt" an, ging aber nicht direkt auf die Frage ein. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" sollen Computer des Kanzleramts sowie des Wirtschafts-, des Forschungs- und des Außenministeriums ausspioniert worden sein.
Wirtschaft warnt vor Übertreibung
Zahlreiche deutsche Politiker haben Aufklärung über solche angeblichen Hackerangriffe gefordert, hinter denen der Verfassungsschutz das chinesische Militär vermuten soll. Die deutsche Wirtschaft warnte jedoch vor Panikmache. "Wir dürfen nicht sagen, China ist an allem schuld", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Jürgen Thumann, der "Financial Times Deutschland". Auch BASF-Chef Jürgen Hambrecht riet zur Zurückhaltung. Er sagte dem Blatt, manche öffentliche Diskussionen machten ihm große Sorge, da sie nicht der Wirklichkeit entsprächen. Hambrecht sitzt dem Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft vor. Er und Thumann begleiten die Bundeskanzlerin auf ihrer China-Reise.
Produktpiraten killen Jobs
Hannes Köblitz von der China-Kontaktstelle des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) machte aber auf die Dimensionen der Produktpiraterie aufmerksam. "Wir sprechen nach den neuesten OECD-Schätzungen von einem Welthandelsvolumen von über 200 Milliarden US-Dollar", sagte Köblitz bei n-tv. "Das entspricht ungefähr dem Bruttosozialprodukt von Finnland oder Südafrika. Darauf entfällt ein Zehntel auf die bundesdeutsche Wirtschaft. Schätzungsweise gehen jedes Jahr etwa 70.000 Arbeitsplätze dadurch verloren." Es würden technisch immer komplexere Produkte gefälscht. "Früher war es eher ein Problem von Luxusartikel-Herstellern. Inzwischen werden aber sogar ganze Maschinen oder Industrieanlagen kopiert."
Gemeinsam, aber anders
In Peking äußerten sich Merkel und Wen zufrieden über den Stand der Beziehungen. Im Kampf gegen die globale Erwärmung, den Merkel auf ihrer bislang längsten Auslandsreise nach China und Japan voranbringen will, blieb Wen unverbindlich. Der Regierungschef sagte zwar besondere Anstrengungen für den Klimaschutz, betonte aber sein Prinzip der "gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung". "China wird die Verantwortung tragen, die für China zu tragen ist", sagte Wen. Er verwies darauf, dass China im Vergleich zu Deutschland noch starken Nachholbedarf bei der Wirtschaftskraft habe und im Gegensatz zu den reichen Industrienationen erst seit einigen Jahren zu klimaschädlichen Entwicklungen beitrage. "Die Aufgabe, vor der China steht, ist schwieriger als die in Deutschland." Gleichwohl stellte Wen strengere Selbstverpflichtungen Chinas ab 2011 in Aussicht.
Merkel pocht auf "Spielregeln"
Die Kanzlerin unterstrich das Recht eines jeden Staates auf Entwicklung, hob aber auch hier "bestimmte Spielregeln" hervor. Die Industrieländer müssten neueste Technologie zur Verfügung stellen. Wenn China sich wie erwartet weiter mit zehn Prozent Wachstum entwickele und die Technologie nicht effizienter werde, dann seien die Rohstoffe der Welt bald aufgebraucht, sagte Merkel. Es sei wichtig, mit Ressourcen nachhaltig umzugehen.
Angesichts der Nervosität in der chinesischen Führung über wachsende Unabhängigkeitsbestrebungen in Taiwan im Vorfeld der Olympischen Spiele mahnte Merkel zu einer friedlichen Lösung durch Gespräche, falls es zu einem Konflikt kommen sollte. Deutschland halte an der Ein-China-Politik fest, wonach Peking als einzige Regierung Chinas betrachtet wird, sagte Merkel.
Merkel machte vor der Presse auch deutlich, das Deutschland an erfolgreichen Olympischen Spielen im kommenden Jahr in der chinesischen Hauptstadt interessiert sei. In diesem Zusammenhang sollten auch offene Fragen weiter diskutiert werden, sagte Merkel, die damit indirekt auf Menschenrechte in China anspielte.
Die Kanzlerin forderte im Kampf gegen Produktpiraten erneut eine besser praktische Umsetzung der rechtlichen Grundlagen in China. Wie bei früheren Besuchen sicherte Chinas Regierungschef Anstrengungen zu, da der Schutz des geistigen Eigentums auch für Chinas eigene Entwicklung notwendig sei.
Nur zwei Wirtschaftsabkommen bei Merkel-Besuch
Auf dem Programm der Kanzlerin stand am Montag noch ein Treffen mit Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao. Bei ihrem zweiten China-Besuch werden 35 Jahre deutsch-chinesische Beziehungen gefeiert und eine drei Jahre andauernde Präsentation Deutschlands in verschiedenen Regionen Chinas eröffnet. Statt der früher bei solchen Gelegenheiten üblichen "Vertragsflut" wurden nur zwei Wirtschaftsabkommen unterzeichnet. Dennoch ist die deutsche Wirtschaft mit der Entwicklung des China-Geschäfts zufrieden. Im Beisein von Merkel und Chinas Regierungschef Wen Jiabao unterzeichnete nur ThyssenKrupp bei einer Zeremonie in der Großen Halle des Volkes ein Abkommen über die Fertigung von Kurbelwellen in der Nähe von Nanjing mit einem Umfang von rund 150 Millionen Euro.
Am Rande des Besuches unterschrieb ferner noch die Flugzeugleasingfirma Windrose Air eine Kooperation mit Deer Jet, einer Tochterfirma der chinesischen Hainan Airlines, die im Geschäft mit privaten Charterflügen tätig ist. Die Unternehmen wollen wechselseitig jeweils im anderen Land als Repräsentanten des anderen auftreten und sich gegenseitig unterstützen. Insbesondere während der Olympischen Spiele 2008 in Peking wollten beide Unternehmen eng zusammenarbeiten.
Die erwartete Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens des Nutzfahrzeug- und Maschinenbaukonzerns MAN wurde überraschend nicht besiegelt, weil die Genehmigung der Provinzregierung noch aussteht, wie es in Delegationskreisen hieß. Nach Angaben eines MAN-Sprechers geht es um eine Kooperationsvereinbarung zwischen MAN Nutzfahrzeuge und der chinesischen Weichai-Gruppe, einem chinesischen Motoren- und Lkw-Hersteller.
Quelle: ntv.de