Politik

Wut-Telefonat mit Putin Merkel ist "aufs Äußerste besorgt"

Distanziert ist die Beziehung zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin schon länger. Durch das russische Eindringen auf der Krim wird das Verhältnis der beiden nicht besser.

Distanziert ist die Beziehung zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin schon länger. Durch das russische Eindringen auf der Krim wird das Verhältnis der beiden nicht besser.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am Sonntagabend telefoniert Angela Merkel mit Wladimir Putin. Es geht um die Lage auf der Krim, aber ein nettes Gespräch ist es nicht. Nicht einmal Regierungssprecher Seibert mag das später verheimlichen.

Wenn Regierungssprecher eines beherrschen, dann ist es die Kunst des diplomatischen Jargons. Auch wenn es im Gespräch zwischen zwei Staatschefs mal ruppiger zugeht, vermitteln ihre Sprecher im Anschluss den Eindruck eines herzlichen Miteinanders. Diplomatie ist von Zurückhaltung und Respekt geprägt, da gilt es, stets jede Silbe abzuwägen. Ausnahmen sind selten, aber es gibt sie.

Wie laut es beim Telefonat zwischen Angela Merkel und Wladimir Putin am Sonntagabend wurde, wissen nur die Teilnehmer selbst. Aber von deutscher Seite unternahm man später nicht einmal den Versuch, die Meinungsverschiedenheiten zu verbergen. Die Kanzlerin habe dem russischen Präsidenten vorgeworfen, mit seiner Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben, sagt Regierungssprecher Steffen Seibert, der Chefkommunikator der Kanzlerin. Merkel habe Putin aufgefordert, "die territoriale Integrität der Ukraine zu respektieren".

Die Bundesregierung ist höchst verärgert über die russische Politik. Seibert lässt daran keinen Zweifel. Man sei "aufs Äußerste besorgt" über die Entwicklung auf der Krim und "rufe alle Beteiligten auf, zurückhaltend und verantwortungsvoll zu handeln und zu den Mitteln der Diplomatie und des politischen Dialogs zurückzukehren". Es sind ungewohnt deutliche Worte, die Seibert an diesem Montag ausspricht. Mit "alle Beteiligten" kann nur Putin gemeint sein. Die Botschaft lautet: Wenn das Gebaren der Russen in den vergangenen Tagen eines nicht war, dann eben zurückhaltend und verantwortungsvoll. Viel höher kann der diplomatische Zeigefinger kaum schwingen. Mehr Rüge Richtung Moskau geht nicht - wenn das Tischtuch nicht zerschnitten werden soll.

"Weg von der Logik der Soldatenaufmärsche"

Seibert berichtet von einer Vielzahl von Gesprächen, die Merkel am Wochenende geführt hat: nicht nur mit Putin, sondern auch mit dem neuen ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk, mit US-Präsident Barack Obama und anderen westlichen Partnern. "Wir haben es mit einem inakzeptablen russischen Vorgehen auf der Krim zu tun. Ein Vorgehen, das im Widerspruch zu internationalen Abkommen steht, die Russland unterzeichnet hat." Seibert nennt das Budapester Memorandum von 1994 und den Vertrag über die Schwarzmeerflotte von 1997.

Aus der Haltung seiner Chefin macht Seibert keinen Hehl. Die Kanzlerin ist sauer. Angesichts der russischen Provokation auf der Krim könne man nicht einfach zur internationalen Tagesordnung übergehen. Das russische Verhalten stehe im Widerspruch zu den Werten und Prinzipien der G7-Staaten, daher habe man beschlossen, die Vorbereitungen für das G8-Treffen im Juni in Sotschi auszusetzen. "Bis eine Atmosphäre entsteht, in der wieder eine sinnvolle Diskussion möglich ist."

Aber so ungewohnt scharf die Worte auch ausfallen: In der letzten Konsequenz will die Bundesregierung ihre diplomatischen Brücken nach Russland nicht abbrechen. Deswegen widerspricht Seibert indirekt der Forderung von US-Außenminister John Kerry, Russland aus der G8-Gemeinschaft auszuschließen. Man wollte das Format bewahren, es habe sich vielfach bewährt. Außerdem sei es noch nicht zu spät, die Situation politisch friedlich zu lösen. "Deutschland und seine Partner wollen diesen Weg weg von der Logik der Truppenbewegungen und der Soldatenaufmärsche und zurück zum Gespräch unterstützen", sagt Seibert. Ohne Einbindung Russlands sei eine Lösung der Auseinandersetzung in der Ukraine jedoch nicht möglich.

Putin will Zustimmung nicht bestätigen

Die Hoffnung auf eine Beruhigung des Konflikts zieht man ausgerechnet aus ebenjenem Telefonat zwischen Merkel und Putin. So habe der russische Präsident dem Vorschlag zugestimmt, eine Kontaktgruppe einzusetzen, die sich mit der Beilegung der Krise beschäftigen soll. Das Gleiche gelte für eine "fact-finding-mission", deren Aufgabe es sein soll, die Lage auf der ukrainischen Halbinsel einzuschätzen. Seibert sagt: "Es ist gut, dass Präsident Putin im Gespräch mit der Kanzlerin beide Vorschläge aufgegriffen hat."

Aber hat er das wirklich? Tatsächlich bleiben wichtige Details des Gesprächs unklar. Putin selbst wollte jedenfalls nicht bestätigen, dass er einer "fact-finding-mission" zugestimmt habe. Für Rätselraten sorgt auch ein Artikel der "New York Times". Demnach soll Merkel in einem Telefonat mit Obama gesagt haben, Putin habe den Sinn für die Realität verloren und handle, als lebe er in einer anderen Welt.

Der Regierungssprecher mag dies nicht bestätigen, seine Version lautet: "Es ist unbestritten, dass Putin eine ganz andere Sicht auf die Lage in der Krim hat." Auch zu möglichen Sanktionen gegen Russland will Steffen Seibert erst einmal nichts sagen. Am Ende gibt er sich dann doch wieder ganz diplomatisch - so wie man ihn kennt.

Quelle: ntv.de

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