Politik

"Kanzlermehrheit" nicht das Ziel Merkel lässt Latte tiefer legen

Nach ersten Abstimmungen in den Koalitionsfraktionen stellt die Union klar, dass sie keineswegs - wie allgemein erwartet - die Kanzlermehrheit für die Abstimmung über den Euro-Rettungsschirm anstrebt. Ihr reicht die einfache Mehrheit. Die Opposition spricht von Taschenspielertricks.

Unionsfraktionschef Kauder, Kanzlerin Merkel und Fraktionsgeschäftsführer Altmaier versuchten am Montag vergeblich, eine ausreichend große Zahl von Unionsabgeordneten auf Linie zu bringen.

Unionsfraktionschef Kauder, Kanzlerin Merkel und Fraktionsgeschäftsführer Altmaier versuchten am Montag vergeblich, eine ausreichend große Zahl von Unionsabgeordneten auf Linie zu bringen.

(Foto: dpa)

Trotz der Abweichler in der Koalition beim Euro-Rettungsschirm EFSF geht Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier von einer schwarz-gelben Bundestagsmehrheit Ende September aus. Funktionieren soll dies, indem nicht mehr die hohe Hürde der sogenannten Kanzlermehrheit das Ziel ist, sondern die "eigene Mehrheit" - also eine Stimme mehr als die versammelte Opposition.

SPD, Linke und Grüne stellen zusammen 290 Abgeordnete, Union und FDP 330 der insgesamt 620 Sitze. Für die "Kanzlermehrheit" (die nur bei der Wahl eines Kanzlers nötig ist), müssten CDU, CSU und FDP 311 Ja-Stimmen haben, also mehr als 50 Prozent der Abgeordneten des Bundestags. Bei normalen Abstimmungen - auch bei der über den EFSF - reicht es jedoch, wenn die Opposition überstimmt wird. Sind alle Abgeordneten von SPD, Linken und Grünen anwesend, benötigt die Koalition dazu 291 Stimmen.

Altmaier zufolge kann sich die Koalition somit zum Beispiel 19 Nein-Stimmen oder 39 Enthaltungen erlauben und trotzdem noch von einer eigenen Mehrheit sprechen. Bei der Einbringung des Gesetzentwurfes am Montagabend gab es bei der Unionsfraktion 12 Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen, bei der FDP 2 Nein-Stimmen und 4 Enthaltungen. Mit einem solchen Ergebnis von 25 Abweichlern bei der Schlussabstimmung am 29. September hätte die Koalition zwar dann laut Altmaier eine eigene Mehrheit von 305 Stimmen - aber eben keine Kanzlermehrheit. Nach Ansicht der Opposition wäre das ein Zeichen des Vertrauensverlustes für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ein Grund für Neuwahlen.

"Ohne Kanzlermehrheit ist Merkel gescheitert"

Bei der Opposition wird von einem Taschenspielertrick gesprochen. "Offensichtlich traut sich die Koalition selbst nicht mehr zu, die eigenen Reihen zu überzeugen, und stellt sich schon auf schwindende Mehrheiten ein", kommentierte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. "In grundlegenden Fragen wie der Euro-Rettung reicht ein Durchlavieren nicht aus", betonte er. "In einer Kanzlerdemokratie muss in allen grundsätzlichen Fragen die Kanzlermehrheit stehen. Wenn Angela Merkel die Kanzlermehrheit nicht erreicht, ist sie politisch gescheitert."

Zwei Tage vor der Schlussabstimmung soll es in den Koalitionsfraktionen eine Probeabstimmung geben. Altmaier sagte, es sei schon oft vorgekommen, dass Kritiker gegen die Einbringung eines Gesetzentwurfes gestimmt und damit ihre abweichende Position deutlich gemacht hätten. Bei der eigentlichen Abstimmung seien sie dann aber der breiten Mehrheit der Fraktion gefolgt. Zumindest sei es in dieser Legislaturperiode noch nicht anders gewesen.

Quelle: ntv.de, hvo/dpa

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