Politik

Doppel-Pass kein Wahlkampfthema Merkel lässt Liberale abblitzen

Merkel will die Diskussion bereits im Keim ersticken. Eine Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft kommt ihr ungelegen.

Merkel will die Diskussion bereits im Keim ersticken. Eine Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft kommt ihr ungelegen.

(Foto: dpa)

Mit Blick auf die nahende Bundestagswahl versucht die FDP, ihr programmatisches Profil zu schärfen und sich von der Union abzusetzen: Entgegen der schwarz-gelben Linie fordern mehrere Liberale, Doppel-Staatsbürgerschaften zu erleichtern. Die Kanzlerin weist das Ansinnen zurück: Kein Bedarf.

Aus den Reihen der FDP mehren sich Forderungen nach einer Reform des Staatsbürgerschaftsrechts. Damit scheinen die Liberalen zu versuchen, Ausländerpolitik zu einem Thema für den Bundestagswahlkampf zu machen. Mit ihren Äußerungen stellen sich die Liberalen im Detail auch gegen die offizielle schwarz-gelbe Regierungslinie.

(Foto: dpa)

Die letzte Wortmeldung stammt von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie stellte eine Reform in Aussicht, durch die mehr sogenannte Doppel-Pässe erlaubt würden. "Integration kann auch durch doppelte Staatsbürgerschaft gefördert werden, wie die vielen Fälle von gut integrierten Bürgern mit Doppelstaatsbürgerschaft zeigen", zitierte der "Spiegel" die FDP-Politikerin.

Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich für eine Überprüfung der seit 2000 geltenden Optionsregelung im Staatsbürgerschaftsrecht aus. "Die Optionslösung gehört auf den Prüfstand, wenn es dazu führt, dass sich Menschen von Deutschland abwenden", sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende. "Wir sollten uns einer weiteren Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts nicht verschließen und die doppelte Staatsangehörigkeit auf eine rechtlich breitere Basis stellen", fügte sie hinzu.

Merkel winkt ab

Steffen Seibert: Es gibt keinen Handlungsbedarf.

Steffen Seibert: Es gibt keinen Handlungsbedarf.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Sprecher das Ansinnen der Justizministerin zurückweisen. "Die Kanzlerin sieht keinen Bedarf für eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht gelte der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatlichkeit. Dafür gebe es gute Gründe. "Aktueller gesetzgeberischer Handlungsbedarf ist nicht ersichtlich", betonte Seibert.

Seit dem Jahr 2000 gilt in Deutschland das Optionsmodell. Danach müssen sich hier geborene Kinder ausländischer Staatsbürger, die aus Nicht-EU-Staaten kommen, spätestens mit dem 23. Lebensjahr entscheiden, ob sie die deutsche Staatsbürgerschaft behalten wollen oder jene des Herkunftslands der Eltern.

Löning bemängelt Ungleichbehandlung

Leutheusser-Schnarrenberger verwies gegenüber dem "Spiegel" auf die gültige Doppelstaatsbürgerschaftsregelung für Kinder, von denen mindestens ein Elternteil aus einem EU-Staat stammt: "Es gibt bereits zahlreiche doppelte Staatsangehörigkeiten in Deutschland. Wenn eine Berlinerin eine deutsche Mutter und einen italienischen Vater hat, kann sie nach geltendem Recht beide Staatsangehörigkeiten beanspruchen." Für andere, einzelne Staatsangehörigkeiten werde bereits jetzt auf Verwaltungsebene die doppelte Staatsangehörigkeit hingenommen, fügte die FDP-Politikerin hinzu.

Markus Löning kennt sich in der Thematik bestens aus, er ist der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Markus Löning kennt sich in der Thematik bestens aus, er ist der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zuvor hatte sich der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, der FDP-Politiker Markus Löning in der "Süddeutschen Zeitung" ähnlich geäußert. Er sagte, es sei "schwer auszuhalten", dass manche Bürger je nach Herkunft dauerhaft die doppelte Staatsbürgerschaft bekämen, andere aber nicht. Problematisch sei für ihn "vor allem die ungleiche Behandlung von Menschen unterschiedlicher Herkunft", sagte Löning. Das derzeitige Recht stelle junge Türken, die in Deutschland geboren und aufgewachsen seien, beim Thema Doppel-Pass schlechter als etwa die Urenkel von deutschen Einwanderern in Argentinien.

SPD und Grüne sind für Reform offen

Es sei falsch, den Kindern von Einwanderern aus der Türkei eine dauerhafte doppelte Staatsbürgerschaft zu verweigern, kritisierte der FDP-Politiker. Er verwies darauf, dass für Kinder binationaler Ehen, für Menschen aus der EU oder für Spätaussiedler die doppelte Staatsbürgerschaft ohne weiteres möglich sei.

Auch die FDP-Führung kann den Vorstößen etwas abgewinnen. Es gebe "gute Gründe", die Teilhabe von "integrierten Migranten" sicherzustellen, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring. Über eine mögliche Änderung der bisherigen Parteiposition könnte der FDP-Parteitag im Mai abstimmen. Die Union lehnt eine dauerhafte Doppel-Staatsbürgerschaft bislang ab. Die FDP hatte das Thema aus Rücksicht auf den größeren Koalitionspartner bisher nicht auf die Agenda der Regierung gebracht.

SPD und Grüne begrüßten den Vorstoß und forderten die Union zum Umdenken auf. Für die Union sei es offenbar kein Problem, dass der scheidende niedersächsische Ministerpräsident David McAllister den deutschen und den britischen Pass besitze, erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck. Wenn Jugendliche mit türkischen Eltern aber das gleiche Recht auf eine doppelte Staatsbürgerschaft für sich beanspruchen wollten, bereite ihr das plötzlich Sorgen. Dies sei eine "vorurteilsgeprägte Blockade".

SPD-Vizechefin Aydan Özoguz bezeichnete es als "nicht hinnehmbar", dass der Doppel-Pass bei einigen Menschen akzeptiert werde, bei anderen aber nicht. Die doppelte Staatsbürgerschaft müsse generell möglich sein.

Quelle: ntv.de, jog/ppo/AFP/dpa

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