Bis zu 100 Tote in Tibet Merkel schaltet sich ein
15.03.2008, 15:51 UhrAngesichts der schweren Unruhen in Tibet hat die Bundesregierung zu einem direkten Dialog zwischen der chinesischen Regierung und dem religiösen Führer der Tibeter, dem Dalai Lama, aufgerufen. Nur so könne eine nachhaltige Lösung der Tibetfrage gefunden werden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. In Berlin und Frankfurt am Main demonstrierten unterdessen hunderte Tibeter vor den chinesischen Vertretungen. In Frankfurt kam es dabei zu einer "kleineren Rangelei" zwischen Demonstranten und Polizisten.
Merkel äußerte sich besorgt über die Unruhen. "Gewalt - egal von welcher Seite - führt zu keiner Lösung der offenen Fragen", sagte sie. Es sei deshalb umso wichtiger, dass Demonstranten wie Sicherheitskräfte zur Mäßigung aufgerufen und die Rechte der Einzelnen geachtet würden.
Bis zu 100 Tote
Nach amtlichen chinesischen Angaben waren bei den Ausschreitungen in Lhasa am Freitag mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Die exiltibetische Regierung hat nach eigenen Angaben "unbestätigte Berichte" aus Tibet erhalten, nach denen bis zu 100 Menschen ums Leben gekommen seien.
Schuldzuweisung aus Peking
Die von Peking aus gesteuerten tibetischen Behörden machen Anhänger des Dalai Lama, des religiösen Oberhauptes der Tibeter, für die schweren Ausschreitungen in Lhasa verantwortlich. Es gebe "genug Beweise, um nachzuweisen, dass die Sabotage in Lhasa von der Clique des Dalai Lama organisiert und federführend geplant worden ist", zitierte die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua einen tibetischen Regierungsbeamten.
Aus seinem indischen Exil hatte der Dalai Lama nach Ausbruch der Unruhen am Vortag zur Gewaltlosigkeit und zur Ruhe aufgerufen. Der Friedensnobelpreisträger hatte an seine Landsleute appelliert, trotz ihrer tief sitzenden Abneigung gegen die chinesische Herrschaft in Tibet den Ausweg nicht in Gewalt zu suchen.
China stellt Ultimatum
Derweil setzte China den Beteiligten an den Unruhen eine Frist bis Montagnacht, um sich zu ergeben. Bis dann könnten sie mit Nachsicht rechnen, meldete Xinhua. Die Behörden werfen den Demonstranten vor, Schulen, Krankenhäuser und Geschäfte angezündet zu haben. Im chinesischen Fernsehen waren erstmals Bilder der Unruhen zu sehen.
Bei den Toten handle es sich um Zivilisten, sagte ein Mitarbeiter der örtlichen Behörden laut Xinhua. Sie seien verbrannt. Die Polizei habe mehr als 580 Menschen aus den Flammen gerettet, darunter auch drei japanische Touristen. Insgesamt seien 160 Feuer ausgebrochen, sagte er weiter. Eine Bestätigung von unanhängiger Seite gibt es nicht.
Weitere Proteste erwartet
Auch am Samstag brachen vereinzelt neue Proteste aus. Nach Augenzeugenberichten sollen chinesische Sicherheitskräfte wieder geschossen haben. In Lhasa seien am Nachmittag trotz des massiven Sicherheitsaufgebots wieder Demonstranten auf die Straße gegangen, berichtete die Organisation Free Tibet Campaign. Es seien Schüsse zu hören gewesen. Auch buddhistische Mönche des Labrang Tashikyil Klosters in Sangchu in der chinesischen Provinz Gansu haben nach exiltibetischen Angaben wieder demonstriert. Ihnen hätten sich viele "einfache Tibeter" angeschlossen.
Anlass der Proteste ist der 49. Jahrestag des gescheiterten Aufstandes gegen die chinesische Herrschaft in der Himalaya-Region.
Quelle: ntv.de