Sarkozys Mittelmeer-Union Merkel sieht Sprengstoff für EU
05.12.2007, 14:12 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor Plänen des französischen Staatspräsidenten Nikolas Sarkozy für eine Mittelmeer-Union gewarnt. Sie sehe diese Überlegungen mit Skepsis, weil sie langfristig den Kernbestand der EU bedrohen könnten, sagte Merkel in Berlin bei einer europapolitischen Tagung des "Konvent für Deutschland".
In der Weiterentwicklung könne eine solche, von der EU getrennte Zusammenarbeit mit Rückgriff auf die finanziellen Mittel der Union dazu führen, "dass die EU in ihrem Kernbereich zerfällt". Merkel: "Dies könnte Sprengkräfte in der EU freimachen, die ich nicht möchte."
Merkel eröffnete auch die Debatte um die Besetzung der neuen EU-Ämter für die Außenpolitik und die neu strukturierte Ratspräsidentschaft. Die erste Besetzung dieser Positionen werde sehr viel für das Zusammenspiel der EU-Institutionen bedeuten. Als Präsident kommt für Merkel eine "Person des Ausgleichs" infrage. Die Position soll ein ehemaliger Regierungschef einnehmen. Merkel kündigte an, dass die Bundesregierung noch vor der Weihnachtspause den neuen EU-Vertrag von Lissabon beraten wird. Er soll bis zur Sommerpause 2008 von Bundestag und Bundesrat ratifiziert werden.
"Keine neue Institution"
Auch der italienische Außenminister Massimo d'Alema wandte sich gegen die französischen Pläne für eine Mittelmeer-Union. Er befürwortete ein stärker auf den Süden ausgerichtetes Augenmerk der EU, betonte aber: "Mir scheint, dass man von den vorhandenen Formen der Zusammenarbeit zwischen den beiden Ufern des Mittelmeeres ausgehen muss." Was von Frankreich ins Gespräch gebracht worden sei, "kann keine neue internationale Institution sein", sagte der Minister der neapolitanischen Zeitung "Il Mattino".
Freundschaftsdienst
Sarkozy hatte bei seinem Algerien-Besuch angeregt, sein Land und Algerien zur Hauptachse einer von ihm vorgeschlagenen Mittelmeer-Union zu machen. "So wie Frankreich Deutschland angeboten hat, die Europäische Union auf der französisch-deutschen Freundschaft aufzubauen, so bietet es heute Algerien an, die Mittelmeer-Union auf die französisch-algerischen Freundschaft zu gründen", sagte Sarkozy am Ende seines dreitägigen Staatsbesuchs in Constantine. In Anspielung auf die Kolonialgeschichte sagte der Präsident, gerade weil es so viel Schmerz zu überwinden gebe, sei die Zusammenarbeit von Frankreich und Algerien entscheidend für die Zukunft des Mittelmeerraums.
Sarkozy verurteilte in einer Rede vor Studenten erneut die "Ungerechtigkeit" des Kolonialsystems. "Die Fehler und Verbrechen der Vergangenheit sind unentschuldbar", sagte Sarkozy und reagierte damit indirekt auf algerische Erwartungen, Frankreich solle für die Vergehen als Kolonialmacht öffentlich Abbitte leisten. "Ich bin nicht gekommen um die Vergangenheit zu leugnen, sondern um euch zu sagen, dass die Zukunft wichtiger ist", sagte er. Die algerische Zeitung "El Watan" nannte Sarkozys Aussagen zur Kolonialzeit ein "Ausweichmanöver". "Der französische Präsident wird mit Verträgen in Höhe von fünf Millionen Euro in der Tasche nach Hause fahren und hinterlässt uns nur eine weitere Provokation", schreibt das Blatt.
Quelle: ntv.de