Kochs Ausstieg abwenden Merkel soll mehr delegieren
04.07.2010, 14:43 UhrDer deutsche Einzug ins Halbfinale mag die Kanzlerin abgelenkt haben, doch während bei den Fußball-Jungs das Mannschaftsspiel gerade perfekt klappt, kommt die Koalition einfach nicht ins Spiel. Die Kritik trifft vor allem Merkel.
Führende Unionspolitiker haben die Schwierigkeiten des Regierungslagers bei der Bundespräsidenten-Wahl als Warnschuss an die Adresse von Bundeskanzlerin Angela Merkel bewertet und eine bessere Zusammenarbeit in der Regierung gefordert. "Es ging vielen nicht um Joachim Gauck oder um Christian Wulff, sondern um Angela , sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Er warnte Merkel und Kanzleramtschef Ronald Pofalla indirekt, zu viele Entscheidungen im Alleingang zu treffen. "Lasst euch nicht zu viele Einzelheiten hinschieben und zieht nicht zu viel an euch", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag."
Der Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung Josef Schlarmann verlangte indirekt eine Regierungsumbildung. Nicht alle schwierigen Fragen könnten in einem kleinen Kreis um Merkel gelöst werden, sagte er dem "Spiegel". "Sie muss Partei und Regierung besser aufstellen."
"Warnschuss"
CSU-Chef Horst Seehofer Seehofer sagte in der "Bild am Sonntag", die Wahl Wulffs erst im dritten Wahlgang sei ein klares Signal dafür, dass sich im Regierungsbündnis einiges gegenüber den ersten acht Monaten seiner Amtszeit ändern müsse. Die Koalition müsse verlässlicher und vertrauensvoller zusammenarbeiten. Nun gelte es, in wichtigen Sachfragen ohne viel Streit Entscheidungen zu treffen.
Auch Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg erklärte in der "Welt am Sonntag": "Die Menschen erwarten statt des x-ten Aufrufs zum Neuanfang eine Regierung, die mit Substanz, Reformbereitschaft und Niveau die Probleme angeht." Der neue niedersächsische Ministerpräsident David McAllister mahnte eine stärkere Einbeziehung der Länder bei Entscheidungen der Bundesregierung an.
Neuer Streit wartet
Ungeachtet der Appelle zur Geschlossenheit zeichneten sich in zahlreichen Themen neue Streitigkeiten ab. So ging die CSU-Mittelstandsunion auf Distanz zu der erst am Freitag von den Spitzen der Koalition verabredeten Anhebung der Krankenkassenbeiträge. In der Steuerpolitik schloss die CSU eine weitere Belastung von Gutverdienenden nicht aus, während mehrere FDP-Politiker weiter Spielraum sogar für Steuersenkungen sahen. Zudem zeichneten sich neue Konflikte beim Datenschutz für Arbeitnehmer ab. Die FDP lehnt den Entwurf von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) zum Thema ab.
Auch in Personalfragen gibt es Debatten in der Union: Verschiedene Unionspolitiker forderten Merkel auf, den angekündigten Ausstieg des scheidenden hessischen Ministerpräsidenten Roland aus der Politik zu verhindern. Koch hatte nach Angaben von Teilnehmern in den entscheidenden Beratungen vor dem dritten Durchgang der Bundespräsidenten-Wahl mit einer aufrüttelnden Rede die Unions-Delegierten in der Bundesversammlung für die Wahl Wulffs zu gewinnen versucht. Der hessische Ministerpräsident habe "in schwieriger Situation ein Wir-Gefühl erzeugt", sagte der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber dem "Spiegel". Koch solle unbedingt in der Bundespolitik gehalten werden, forderte er. Koch selbst lehnt dies allerdings ab. Der Hesse will in die Privatwirtschaft wechseln.
Quelle: ntv.de, rts/dpa