Bald alles vergessen? Merkel will Wulff aushalten
09.01.2012, 08:10 Uhr
Christian Wulff will bleiben und die Kanzlerin will ihn aushalten.
(Foto: dapd)
Union und FDP wollen die öffentliche Debatte um Christian Wulff durchstehen und den Bundespräsidenten im Amt halten. Voraussetzung ist aber, dass keine neuen Affären über das Staatsoberhaupt bekannt werden. Auch wenn sich die Koalition zerknirscht über Wulffs Krisenmanagement zeigt, lehnt sie Offerten aus der Opposition für einen gemeinsamen neuen Kandidaten ab.
Noch nie hat es in Deutschland einen Bundespräsidenten gegeben, über dessen Amtsführung in aller Öffentlichkeit so vehement diskutiert wurde wie über Christian Wulff. Am Wochenende versammelten sich zahlreiche Bürger aus der gesamten Bundesrepublik, um vor dem Schloss Bellevue gegen den Staatspräsidenten zu demonstrieren. Auch das ist ein Novum.
Die Regierungskoalition gab dem Druck insofern nach, als dass Unionsfraktionschef Volker Kauder das Krisenmanagement Wulffs deutlich kritisierte. "Das war wirklich nicht gut", sagte der CDU-Politiker in Berlin. So deutliche Worte wie die des Bundespräsidenten auf der Mailbox eines Chefredakteurs seien "kein Ausweis von Klugheit", so Kauder in der ARD. Doch schließlich habe sich Wulff für seinen Fehler entschuldigt, was man akzeptieren müsse.
"Bild": Wulff ging aufs Ganze
Derweil beharrt die "Bild"-Zeitung darauf, dass Wulff die Berichterstattung über die Finanzierung seines Privathauses verhindern und nicht nur verschieben lassen wollte. Mit seinem Anruf auf die Mailbox von Chefredakteur Kai Diekmann habe Wulff den Artikel "eindeutig" verhindern wollen, sagte der stellvertretende "Bild"-Chefredakteur Nikolaus Blome in der ARD. "Der Bundespräsident hat vielleicht das Verschieben als Etappe gesehen, das Verhindern ganz eindeutig als Ziel."
Wulff hatte dagegen in der vergangenen Woche in einem Interview von ARD und ZDF erklärt, es sei ihm nur darum gegangen, dass die Berichterstattung um einen Tag verschoben wird, bis er von seiner Auslandsreise zurück sei, um darüber miteinander reden zu können. "Ich habe nicht versucht, sie zu verhindern."
Blome sagte indes, Wulff sei ein enormes politisches Risiko eingegangen, indem er sich auf der Mailbox verewigt habe. "Der Präsident ist aufs Ganze gegangen mit einem politischen Risiko, weil er das Ganze wollte, nämlich diesen Bericht zu verhindern." Auch der Springer Verlag hatte am Wochenende bestätigt, dass Wulff auch den Chef der Springer AG, Mathias Döpfner, angerufen hatte, um eine Veröffentlichung des Artikels zu seinem umstrittenen Hauskredit zu verhindern.
SPD und Grüne bieten gemeinsame Sache an
Nach inzwischen vier Wochen dauernder Debatte über Wulff wegen seiner Kredit- und Medienaffäre spricht die Opposition inzwischen offen über die Wahl eines Nachfolgers. Kauder lehnte das Ansinnen von SPD und Grünen ab, gemeinsam nach einem neuen Kandidaten zu suchen. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die Namen des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert und des ehemaligen Umweltministers Klaus Töpfer (beide CDU) genannt.
SPD denkt weiter an Gauck
Weiterhin ist Joachim Gauck, der 2010 Wulff als Gegenkandidat nur knapp unterlag, im Gespräch. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Bartels verwies erneut auf den ostdeutschen Bürgerrechtler. "Für die SPD gibt es keinen Grund, mit einem anderen Kandidaten als Joachim Gauck in die Gespräche zu gehen", sagte Bartels der Zeitung "Die Welt". Auch Michael Roth, Bundestagsabgeordneter und Generalsekretär der hessischen SPD, sprach sich für Gauck aus. "Joachim Gauck passt in diese Zeit. Er wäre ein Bundespräsident, der weder sich noch das Land blamiert", sagte Roth. Weil Wulff weiter im Amt bleiben werde, seien diese Debatten fehl am Platze, konterte Kauder.
Mutmaßungen, nach denen CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits mit den Spitzen von CSU und FDP über ein Vorgehen im Falle von Wulffs Rücktritt beraten wurden, wurden am Wochenende in Berlin entschieden zurückgewiesen. "Alles frei erfunden", hieß es. Es habe keine Gespräche auf der obersten Ebene darüber gegeben, sagte Kauder in der ARD.
Wulff selbst stellte erneut klar, dass er nicht hinwerfen werde. "In einem Jahr ist alles vergessen", sagte er kaut "Bild am Sonntag" vor Mitarbeitern. Dieses "Stahlgewitter" werde bald vorbei sein und er wolle dem Amt den zweiten Rücktritt nach Horst Köhlers Abgang 2010 ersparen.
Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP/rts