Nahost-Mission Merkel zeigt Bereitschaft
11.01.2009, 08:24 UhrBundeskanzlerin Angela Merkel hat die grundsätzliche Bereitschaft zur Teilnahme Deutschlands an einer internationalen Mission signalisiert, die sicherstellt, dass die radikal-islamische Hamas Israel künftig nicht mehr mit Raketen beschießt. Merkel sagte "Bild am Sonntag" auf eine entsprechende Frage: "Deutschland ist sich seiner Verantwortung bewusst und wird ihr gerecht. Das haben wir auch bei der Lösung der Libanon-Krise vor zwei Jahren gezeigt. Ich setze mich intensiv für eine schnelle Waffenruhe ein."
Es müsse "eine wichtige Voraussetzung für eine Waffenruhe erfüllt werden. Es muss sichergestellt sein, dass zur Hamas durch die Tunnel vom Sinai zum Gazastreifen keine weiteren Waffen geschmuggelt werden." Zugleich äußerte sich die Bundeskanzlerin besorgt über die Lage der Bevölkerung im Krisengebiet: "Die humanitäre Situation im Gazastreifen ist katastrophal."
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, derzeit im Nahen Osten unterwegs, will schnellstmöglich eine deutsche Expertengruppe nach Ägypten entsenden. Deutschland wolle dabei helfen, die schwierige Grenze zum Gaza-Streifen möglichst effektiv zu kontrollieren, sagte Steinmeier der "Welt am Sonntag". Der ägyptische Präsident Hosni Mubarak habe dieses Angebot angenommen. Einem Einsatz von UN-Blauhelmsoldaten im Rahmen einer internationalen Friedenstruppe in Nahost steht Steinmeier dagegen skeptisch gegenüber. Denkbar sei ein Einsatz internationaler Beobachter nur dann, "wenn alle Parteien vor Ort dem zustimmen und verbindlich auf die Anwendung von Gewalt verzichten. Erst dann würde sich die Frage einer deutschen Beteiligung stellen."
Auch der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckart von Klaeden, hatte sich skeptisch zu einem Einsatz der Bundeswehr im Rahmen einer internationalen Friedentruppe in der Region geäußert. "Ein Vorgehen gegen die Hamas, also eine mögliche Entwaffnung oder ähnliches, wäre doch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden" so Klaeden bei n-tv. Deswegen befürworte er eine "deutliche Zurückhaltung gegenüber einer Mission im Gazastreifen, aber Offenheit für Unterstützung für ein effizientes Grenzregime, das den illegalen und fortgesetzten Waffenschmuggel in den Gazastreifen unterbindet." Eine solche technische Unterstützung muss laut Klaeden aber nicht unbedingt durch die Bundeswehr erfolgen.
Vor Ort setzte Steinmeier inzwischen seine Bemühungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen mit Gesprächen in Israel fort. Ziel ist es, die Voraussetzungen für einen dauerhaften Waffenstillstand im umkämpften Gaza-Streifen auszuloten. Auf dem Programm stehen am Sonntag unter anderem Treffen mit Staatspräsident Schimon Peres, Außenministerin Zipi Livni und Verteidigungsminister Ehud Barak.
Am ersten Tag seiner Nahost-Reise hatte Steinmeier Ägypten deutsche Unterstützung bei den Grenzkontrollen in Aussicht gestellt. Damit soll der Waffenschmuggel für die Palästinenser im Gazastreifen besser bekämpft werden. Am Grenzposten Rafah erlebte der Außenminister selbst mit, wie Israel den Gazastreifen bombardierte.
Bombardements gehen weiter
Israel hat seine Offensive im Gazastreifen in der Nacht zum Sonntag unvermindert fortgesetzt. Die Korrespondentin des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira berichtete am frühen Morgen von Luftangriffen und Explosionen. Offensichtlich habe auch die israelische Marine weiter Ziele im Gazastreifen beschossen. Nach Angaben einer israelischen Armeesprecherin griff die Luftwaffe das Haus von einem der wichtigsten Führer der radikal- islamischen Hamas-Organisation im Gazastreifen, Ahmed al-Jabari, an. Es sei unklar, ob es dabei Opfer gab. Die Hamas-Spitze ist während der seit mehr als zwei Wochen andauernden israelischen Militäroffensive untergetaucht.
Auch Jabari, Kommandeur des militärischen Hamas-Flügels, wechselt aus Furcht vor Anschlägen ständig das Versteck. Er steht hinter dem Putsch, der die Hamas im Juni 2007 im Gazastreifen an die Macht brachte. Der Hardliner will mit seinen Kämpfern das historische Palästina einschließlich Israels "befreien".
Offensive wird ausgedehnt
Die israelische Armee kündigte in über Gaza abgeworfenen Flugblättern eine weitere Ausdehnung ihrer Offensive an. In Gaza tötete sie nach eigenen Angaben den Hamas-Kommandeur Amir Mansi, Sohn von Hamas-Telekommunikationsminister Jussef Mansi. Der bewaffnete Arm der Hamas, die Essedin-el-Kassam-Brigaden, bestätigten dies. Bei den israelischen Angriffen am Samstag wurden nach Angaben palästinensischer Rettungskräfte 22 Menschen getötet. Die Hamas feuerte acht Raketen auf den Süden Israels ab, zwei Israelis wurden nach Armeeangaben leicht verletzt.
Wie der Chef der Rettungskräfte in Gaza, Muawija Hassanein, sagte, starben durch die vor zwei Wochen begonnenen israelischen Offensive "Gegossenes Blei" 854 Palästinenser. Unter den Toten seien 270 Kinder und 93 Frauen; 3490 Menschen seien verletzt worden. Auch 13 Israelis wurden getötet, darunter drei Zivilisten durch Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen.
Hamas wirft Israel "Holocaust" vor
Hamas-Chef Chaled Maschaal sprach von einem "Holocaust". Das Blut palästinensischer Kinder werde vergossen, um die Aussichten der israelischen Führung bei den Wahlen im kommenden Monat zu verbessern, sagte der im syrischen Exil lebende Maschaal in einer Fernsehaufzeichnung für die Sender Al-Dschasira und Al-Arabija. Die israelische Militäroffensive werde scheitern. Bislang habe die Armee kein einziges ihrer Ziele erreicht. Der Sieg der Hamas sei nahe.
Israel wirft der Hamas vor, für den Tod von Zivilisten selbst verantwortlich zu sein. Die Extremisten versteckten sich in Wohnhäusern in den Städten und benutzten die Bevölkerung als Schutzschild. Bisher seien mindestens 550 Hamas-Kämpfer getötet worden.
Quelle: ntv.de