EU-Notfallplan für Griechenland Merkels Mix setzt sich durch
25.03.2010, 22:10 Uhr
Einigung steht: EU-Ratspräsident Romuy, Frankreichs Präsident Sarkozy, Spaniens Premier Zapatero, Griechenlands Regierungschef Papandreou und Kanzlerin Merkel beim EU-Gipfel.
(Foto: REUTERS)
Das EU-Konzept zur Rettung des hoch verschuldeten Griechenlands steht. Die Staaten der Euro-Zone stimmen einem Notfallplan Frankreichs und Deutschlands zu. Dabei setzen sich Kanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy auch für eine europäische Wirtschaftsregierung ein.
Nach wochenlangem Streit haben die Euro-Länder einen Notfallplan für das hoch verschuldete Griechenland beschlossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte beim EU-Gipfel in Brüssel aber harte Bedingungen für mögliche Milliarden-Kredite durch. Diese sollen notfalls von den Euro-Ländern sowie vom Internationalen Währungsfonds (IWF) kommen. Diplomaten zufolge ist von einem Umfang von 20 bis 23 Milliarden Euro die Rede.
Die Staats- und Regierungschefs der 16 Euro-Länder mussten handeln, da der Euro auf Talfahrt ist. Weil Deutschland als stärkste Volkswirtschaft Europas am tiefsten in die Kasse greifen müsste, hatte Merkel im Finale des griechischen Schuldenpokers gute Karten. Jede Vereinbarung ohne Deutschland wäre in den Augen der Anleger wertlos gewesen, hätte die Spekulation auf eine griechische Staatspleite noch angeheizt und den Euro gegenüber anderen Währungen weiter unter Druck gesetzt.
Merkel zog zunächst Frankreichs Staatspräsident Sarkozy auf ihre Seite. An dem Treffen vor dem regulären EU-Gipfel nahm auch der ständige Gipfelchef Herman Van Rompuy teil. Zum Schluss wurde Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou hinzugezogen, der dem Plan erleichtert zugestimmt habe, berichteten Diplomaten.
Athen kämpft um billige Kredite
Griechenland will mögliche Milliarden-Kredite aus dem Notfall-Plan der Euro-Länder aber nicht nutzen. Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sagte, seiner Regierung sei es nur um die Zusage für Hilfe im Ernstfall gegangen. "Wir werden diesen Mechanismus nicht nutzen, weil wir hoffen, dass diese auf höchster Ebene getroffene Entscheidung eine Botschaft an die Märkte senden und die Zinssätze drücken wird", sagte der Minister.
Griechenland kämpft auf den Finanzmärkten um Kreditwürdigkeit und günstige Zinsen. Angesichts der dramatischen Verschuldung fordern die Banken inzwischen hohe Risikoaufschläge, was die Zinslasten weiter nach oben schraubt.
Auch Portugal, dessen Kreditwürdigkeit heruntergestuft worden war, dürfte von der Brüsseler Übereinkunft profitieren, da für die Märkte Wetten auf den Staatsbankrott eines Eurolandes unprofitabel werden. Die Mischung aus harter Haushaltssanierung wie im Fall Griechenlands und Kredithilfen der Partner sowie des IWF dürften eine Pleite vermeiden helfen.
Die in Aussicht gestellten Kredite sollen nur als letzte Möglichkeit gewährt werden. Dies wäre der Fall, wenn Griechenland nicht mehr genügend Kredite an den Kapitalmärkten bekommt. Dass dieser Fall eingetreten ist, müssen die Euro-Länder einstimmig feststellen. Jedes Mitglied hat also eine Art Vetorecht.
IWF umstritten
Auf diese Bedingung hatte Merkel in den wochenlangen Vorverhandlungen gedrungen. Sie hatte sich auch dafür stark gemacht, den IWF ins Boot zu holen, der Erfahrung in der Sanierung maroder Staatshaushalte hat.
Frankreich hatte ein Eingreifen des IWF lange abgelehnt und auf eine Vereinbarung im Kreis der Euro-Gruppe gedrungen, um die Glaubwürdigkeit des Euro nicht zu beschädigen und den von den USA dominierten IWF aus europäischen Angelegenheiten rauszuhalten.
Der deutsch-französische Vorschlag wurde auf eineinhalb Seiten niedergeschrieben. Die Europäer sollten nach diesen Spielregeln bei einer möglichen Rettung die Hauptrolle spielen. Auch andere hochverschuldete Länder der Eurozone wie Portugal haben Anspruch auf solche Hilfe.
Koordination der Wirtschaft
Mehr Wirtschaftskontrolle: Merkel und Sarkozy wollen die Zusammenarbeit in Europa ausbauen.
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Merkel und Sarkozy wollen zudem die Wirtschaftspolitik besser koordinieren. "Wir denken, dass der Europäische Rat die Wirtschaftsregierung der Europäischen Union werden sollte", heißt es in dem Text. Der Europäische Rat, also die Versammlung der Staats- und Regierungschefs, soll künftig eine größere Rolle bei der Überwachung der Wirtschaft spielen. Frankreich hatte sich im Gegensatz zu Deutschland stets für eine europäische Wirtschaftsregierung stark gemacht.
Außerdem wollen Frankreich und Deutschland die Mechanismen zur Haushaltskontrolle in der EU verbessern. Der ständige EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy soll dazu eine Gruppe mit Vertretern der Mitgliedsstaaten, der Kommission und der Europäischen Zentralbank zusammenstellen. Die Experten sollen bis Jahresende Vorschläge ausarbeiten. Merkel hatte als mögliche Strafmaßnahme den Ausschluss eines Landes aus der Euro-Zone ins Gespräch gebracht.
Ernst der Lage
Wie ernst die Lage ist, zeigen diese Zahlen: Bisher hat Athen zwar keine Hilfe beantragt - weder beim IWF noch bei den europäischen Partnern. Doch schon im April und Mai müssen die Griechen voraussichtlich etwa 20 Milliarden Euro an Schulden neu finanzieren. Gelingt dies nicht, ist das Land pleite.
Erst vor kurzem hat Griechenland indes erfolgreich eine neue Anleihe am Markt platziert und sich frisches Geld beschafft. Das Land benötigt Experten zufolge dieses Jahr insgesamt 55 Milliarden Euro.
Mögliche IWF-Finanzspritzen werden dem Vernehmen nach maximal zehn Milliarden Euro betragen. Denn IWF-Hilfen sind begrenzt und richten sich nach dem Anteil eines Landes am Fonds. Mehr Hilfe müsste deshalb von anderen Geldgeber aus der Eurozone kommen.
Mögliche IWF-Hilfen könnten die Zinslasten für Athen verringern. Der Fonds leiht zu günstigeren Konditionen aus. Derzeit zahlt Griechenland am Kapitalmarkt deutlich über drei Prozentpunkte höhere Zinsen als Deutschland, das an den Märkten die höchste Kreditwürdigkeit genießt.
Merkel im Bundestag
Merkel hatte schon bei einer Regierungserklärung in Berlin den Weg für den Kompromiss gewiesen. "Es geht nicht um konkrete Hilfen, sondern um eine Spezifizierung und Fortschreibung der Entscheidungen vom 11. Februar".
Damals hatte ein Sondergipfel der EU eine Rettungsaktion für Griechenland ins Auge gefasst, um die Finanzmärkte zu beruhigen. Seitdem aber hatte Berlin mit Blick auf einen konkreten Notfall-Plan gebremst.
Papandreou wurde auch in Brüssel nicht müde zu betonen, dass Griechenland ohne Hilfen auskommen wolle. "Griechenland ist entschlossen, mit seinen eigenen Problemen fertig zu werden."
Er hatte schon vor Tagen unterstrichen, mit dem Beschluss für einen Notfall-Mechanismus die Zinsen drücken zu wollen. Griechenland hat Schulden von gut 300 Milliarden Euro und ein Staats-Defizit, das fast vier Mal höher als erlaubt ist.
Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts