Wer wird eigentlich Minister? Merkels unsichtbares Kabinett
28.11.2013, 15:28 Uhr
Doch wer sitzt auf den übrigen Stühlen im Bundeskanzleramt? Den Eindruck von verfrühtem Posten-Geschacher versuchen die Parteien natürlich zu zerstreuen.
(Foto: imago stock&people)
Der Koalitionsvertrag ist fertig, die Verteilung der Ressorts angeblich noch nicht. Vor ihrem Mitgliedervotum hält die SPD die Bekanntgabe zurück. Dabei stehen die meisten Minister der Großen Koalition längst fest.
Mit dem Rätselraten ist es spätestens seit Mittwochmorgen vorbei. Mindestlohn, Doppelpass, Mütterrente und die Maut: Plötzlich ist alles geklärt. Wirklich alles? Nicht ganz. Zu einem Thema wollen Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel vor dem Ausgang des SPD-Mitgliedervotums noch nichts sagen. Auf Bitten der Sozialdemokraten bleiben Zuteilung und Besetzung der Ministerien zumindest bis Mitte Dezember unter Verschluss.
In den Koalitionsverhandlungen hatten sich die drei Parteichefs zurückgezogen, um den Ressortzuschnitt in der kleinen Runde zu klären. Angeblich weiß sonst niemand Bescheid. Sogar der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble, der eigentlich als sicherer Kandidat gilt, beteuert, er wisse nicht, ob er im Kabinett bleibt, "weil es nicht entschieden ist".
Wäre es nach der SPD gegangen, stünde im Vertrag auch noch der Zusatz, die Ressortaufteilung werde erst nach dem Votum entschieden. Doch das ging der Kanzlerin zu weit. "Ich bin nicht bereit zu lügen", soll sie gesagt haben. Heißt: Natürlich gibt es schon Absprachen. Dass 15 Frauen und Männer noch nichts von ihrem Ministerglück ahnen, ist schlicht nicht vorstellbar. Sie werden sich an die Sprachregelung halten. Hinter den Kulissen wissen die meisten "Betroffenen" wohl längst Bescheid. So oder so ähnlich könnte das Kabinett der Großen Koalition aussehen:
Sicher
Angela Merkel bleibt Bundeskanzlerin. Ein Wechsel an der Spitze der Regierung stand angesichts des überragenden Wahlergebnisses der Union nie ernsthaft zur Debatte. Geht es nach CSU-Chef Horst Seehofer, bleibt Merkel übrigens noch bis 2021 Kanzlerin. Sie habe erst die Hälfte ihrer Amtszeit hinter sich, erklärte er beim Parteitag der Christsozialen.
Wahrscheinlich
Auch wenn er derzeit tiefstapelt: Wenn Wolfgang Schäuble nicht Finanzminister bliebe, wäre das eine faustdicke Überraschung. Er gilt als einer der loyalsten Vertrauten der Kanzlerin. Ein Wechsel wäre nur denkbar, würde die SPD den Anspruch auf das Finanzministerium erheben. Danach sah es in den vergangenen Wochen aber nicht aus.
Die Union kümmert sich um Finanzen, die SPD um Äußeres – in den Verhandlungen zeichnete sich diese Aufteilung zumindest ab. Eindeutiger Favorit ist Frank-Walter Steinmeier. Einarbeitungszeit bräuchte er keine. Schließlich war er schon zwischen 2005 und 2009 Außenminister einer Großen Koalition. Entsprechende Gerüchte dementierte der bisherige SPD-Fraktionschef zuletzt übrigens nicht.
Innenminister bleibt wohl der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich. Noch im August gab Seehofer dem Parteikollegen eine Garantie. In der NSA-Affäre war Friedrich zwar nicht immer souverän. Sollte man ihn nun austauschen, würde das jedoch zwangsläufig auch die Kanzlerin schwächen. Andrea Nahles erreichte als Verhandlungsführerin der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales wichtige SPD-Forderungen. Als Arbeitsministerin könnte sie den Mindestlohn und die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren durchsetzen. Nahles, bisher Generalsekretärin und Wahlkampf-Managerin, hat so etwas wie ein natürliches Zugriffsrecht auf einen Kabinettsposten.
Vor einem halben Jahr brachte ihn die Drohnen-Affäre ins Wanken. Doch inzwischen ist um Thomas de Maizière wieder Ruhe eingekehrt. Dass er Verteidigungsminister bleiben wird, liegt auch daran, dass sein Amt nicht besonders begehrt ist. Zu oft stolperten die Hausherren des Berliner Bendlerblocks über Skandale. Das will sich niemand antun. Sichere Kandidatin ist auch Manuela Schwesig. Im Wahlkampf brachte sie sich bereits als Gegenentwurf zu Familienministerin Kristina Schröder in Position. Regierungserfahrung sammelte die SPD-Vizechefin in Mecklenburg-Vorpommern.
Ungewiss
Minister wird Sigmar Gabriel mit großer Wahrscheinlichkeit werden, die Frage ist nur wofür. Nachdem der SPD-Chef zunächst als Finanz- oder Arbeitsminister gehandelt wurde, gibt es mittlerweile neue Spekulationen. Demnach könnte er als Superminister für Umwelt und Wirtschaft in Zukunft die Energiewende stemmen. Vize-Kanzler wäre er natürlich auch.
Noch ist Ronald Pofalla Kanzleramtsminister. Angeblich will der 54-Jährige aber lieber ein Fachressort übernehmen. Ob das klappt, hängt auch von der SPD ab. Sollte sie das Umwelt- oder Wirtschaftsministerium nicht beanspruchen, könnte Pofalla im Tausch mit Peter Altmaier dorthin wechseln. Wo auch immer die beiden am Ende landen: Sie werden dem Kabinett angehören.
Johanna Wanka ist noch nicht lange dabei. Erst im Januar wurde sie Bildungsministerin und Nachfolgerin von Annette Schavan. Die Union würde gerne an ihr festhalten, aber möglicherweise könnte das Ressort auch an die SPD gehen. Das Verkehrsministerium bleibt dagegen in CSU-Hand, einen Wechsel gibt es vermutlich trotzdem. Für Peter Ramsauer rückt Alexander Dobrindt nach. Seehofer stellte dem Generalsekretär zuletzt einen Posten in Aussicht. Ramsauer soll sich künftig um Verbraucherschutz und Landwirtschaft kümmern.
Sie galt mal als heimlicher Star des Kabinetts und als aussichtsreiche Merkel-Nachfolgerin. In der neuen Ressortverteilung gehört Ursula von der Leyen nicht zu den Gewinnern. Das Arbeitsministerium geht mit ziemlicher Sicherheit an die SPD. Für die ehrgeizige Niedersächsin blieben nur die Ministerien Gesundheit und Entwicklung übrig. Die Alternative lautet: Sie ist ganz raus. Für Gesundheit gilt auch der junge CDU-Mann Jens Spahn als ein Aspirant mit Außenseiterchancen.
Ob Rot-Grün oder Schwarz-Grün: Lange galt Thomas Oppermann als gesetzt. Doch der SPD-Fraktionsgeschäftsführer könnte am Ende leer ausgehen. Denn möglicherweise fällt Oppermann dem Geschlechter-Proporz zum Opfer. Nimmt seine Partei die Quote ernst, stellt sie drei Männer und drei Frauen ins Kabinett. In diesem Fall könnte statt Oppermann künftig auch Brigitte Zypries für den Bereich Justiz zuständig sein. Die Hessin war schon von 2002 bis 2009 Justizministerin. Für Oppermann würden derweil gleich zwei lukrative Funktionen frei: Fraktionschef oder Generalsekretär.
Unwahrscheinlich
Bisher ist Barbara Hendricks Schatzmeisterin der SPD. Angeblich schielt sie jedoch auf ein Ministeramt. Weil die Union das Verteidigungsressort wohl behalten wird, wäre auch das Entwicklungshilfe- oder das Bildungsministerium denkbar. Für Hendricks spricht der Länder-Proporz. Der starke Landesverband aus Nordrhein-Westfalen ist bisher noch nicht im Kabinett vertreten. Aber Hendricks kann nicht gut mit SPD-Chef Gabriel.
Als Kandidat gilt auch Michael Groschek, der derzeit noch Minister unter NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ist. Doch sein Ressort, das Verkehrsministerium, geht wahrscheinlich an die CSU. Nach dem Ausscheiden von Kristina Schröder würde die Hessen-CDU auch künftig gern in der neuen Bundesregierung vertreten sein. Vor allem der Name von Franz-Josef Jung fällt in diesem Kontext häufiger. Nach Gabriel und Pofalla ist er maximal dritte Wahl. Das Verbraucherschutzministerium gilt zwar als traditionelles CSU-Ressort. Hinter Ramsauer und Dobrindt hat die CSU-Bundestagsabgeordnete Marlene Morler jedoch nur geringe Chancen.
Traditionell besitzt der kleine Koalitionspartner das erste Zugriffsrecht auf ein Ministerium. Lange galt das Außenamt als wichtigstes und beliebtes Ressort, doch inzwischen ist es das Finanzministerium. Bisher heißt es, die SPD dränge nicht auf diesen Posten. Kompetente Kandidaten gäbe es allerdings: zum Beispiel das EZB-Direktionsmitglied Jörg Asmussen oder den durch seinen Kampf gegen Steuersünder bekannt gewordenen NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Ob die Genossen sich im Kampf um das begehrte Ministerium vielleicht doch noch durchgesetzt haben, wird sich erst Mitte Dezember zeigen.
Quelle: ntv.de