Politik

Tote bei Angriff auf koptische Kirche Militär nimmt 190 Menschen fest

Der Tag danach: Gerangel vor der koptischen Kirche in Kairo.

Der Tag danach: Gerangel vor der koptischen Kirche in Kairo.

(Foto: dpa)

Weil sie vermuten, dass eine zum Islam konvertierte Frau in einer Kirche festgehalten wird, greifen Muslime in Kairo das koptische Gotteshaus an. Bei den Zusammenstößen sterben mindestens zwölf Menschen, 232 weitere werden verletzt. Sicherheitskräfte müssen die Kirche schützen. Das Militär nimmt 190 Menschen fest.

Bei Zusammenstößen zwischen Christen und Muslimen sind am Samstagabend in Kairo mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. 232 weitere wurden nach Angaben des Staatsfernsehens verletzt, als in dem Arbeiterviertel Imbaba im Nordosten der ägyptischen Hauptstadt Muslime die koptische Kirche Sankt Mina angriffen. Demnach wollten sie eine Christin befreien, die dort angeblich festgehalten wurde, weil sie sich zum Islam bekehren wollte. Die neue Führung reagierte alarmiert: Das Kabinett kam zu einer Krisensitzung zusammen, 190 Menschen wurden festgenommen und sollen nun vors Militärgericht. Dies sei als Abschreckung gedacht, erklärte der Oberste Militärrat auf seiner Internetseite. Niemand dürfe zulassen, dass "Kräfte des Bösen" in dieser gefährlichen Phase versuchten, die Einheit des Landes zu zerstören.

Die Feuerwehr löscht den Brand in einer koptischen Kirche.

Die Feuerwehr löscht den Brand in einer koptischen Kirche.

(Foto: dpa)

Zuvor blockierten Soldaten mit gepanzerten Fahrzeugen den Zugang zur Kirche und schossen in die Luft, um die beiden Parteien auseinanderzuhalten, wie ein Augenzeuge berichtete. Die beiden Gruppen warfen Steine aufeinander, Muslime setzten eine Wohnung nahe der Kirche durch einen Molotow-Cocktail in Brand. "Oh Gott! Oh Jesus!", riefen die Christen. Einige warfen den Soldaten vor, sie nicht ausreichend zu beschützen. Später gingen Sondereinsatzkräfte vor der Kirche in Stellung.

Ministerpräsident Essam Scharaf berief eine Sondersitzung seines Kabinetts ein und sagte einen am selben Tag in Bahrain geplanten Besuch ab. Er wolle mit seinen Ministern die "bedauerlichen Ereignisse" untersuchen, sagte Regierungssprecher Ahmed el Saman. Kurz nach dem Zwischenfall in Imbaba zogen koptische Christen vor die US-Botschaft in Kairo. Sie kündigten an, solange dort ausharren zu wollen, bis der US-Botschafter mit ihnen über die "Ungerechtigkeiten gegen die christliche Minderheit" spreche. Die Regierung sagte den Angehörigen der Toten und allen Verletzten finanzielle Hilfen zu. Auch für den entstandenen Schaden wolle sie aufkommen.

Weitere Kirche angegriffen

Ein Vertreter der Gemeinde von Sankt Mina, Pater Hermina, sagte, fünf der Toten seien Kopten, die von "Schlägern und Salafisten" erschossen worden seien. In der Kirche war eine von einem Tuch bedeckte Leiche aufgebahrt, auf dem Boden waren Blutflecken zu sehen. Die Verletzten seien mit Brüchen und Schusswunden in vier Krankenhäuser eingeliefert worden, erklärten die Rettungskräfte. Unter den Toten seien auch mindestens zwei Muslime, hieß es.

Nach Angaben der Sicherheitskräfte griffen "Schläger" am Abend zudem die ebenfalls in dem Viertel gelegene Kirche der Jungfrau Maria an und setzten diese in Brand. Feuerwehrleute konnte das Feuer später löschen. An einer der Absperrungen machten Muslime die Christen für die Gewalteskalation verantwortlich. "Sie eröffneten das Feuer auf uns, wir waren friedlich", sagte Mamduh, der zu der Menge gehörte, die sich auf der Suche nach einer Frau, die sich ihren Angaben nach zum Islam bekehrt hatte, zur Kirche begeben hatte.

Auslöser der Gewalt soll ein gemischt-religiöses Paar gewesen sein.

Auslöser der Gewalt soll ein gemischt-religiöses Paar gewesen sein.

(Foto: dpa)

Die Frau, die angeblich in der Kirche festgehalten wurde, sei zum Islam konvertiert, um einen muslimischen Mann heiraten zu können, hieß es. Liebesbeziehungen gemischt-religiöser Paare sind in Ägypten immer wieder Auslöser von Gewalt. Frauen beider Religionen wird es zumeist nicht erlaubt, Männer anderen Glaubens zu heiraten.

Mufti verurteilt Gewalt

Der ägyptische Mufti Ali Gomaa verurteilte die Zusammenstöße. Sie könnten nicht von "gläubigen Menschen, die ihre Religion verstehen, ob Muslimen oder Christen" verursacht worden sein, sagte der vom Staat ernannte oberste Geistliche des Landes nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena. Ein General sagte im Fernsehsender ON-TV, die Armee werde nicht zulassen, dass eine Gruppe ihre Hegemonie in Ägypten durchsetze. Jeder am Ort der Zusammenstöße könne verhaftet werden, warnte er.

Die Kopten sind mit sechs bis zehn Prozent der 80 Millionen Ägypter die größte religiöse Minderheit in dem nordafrikanischen Land. Seit Monaten sorgen Gerüchte über Kopten, die an einer Konversion zum Islam gehindert werden, für Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften. Besonders Berichte über die Ehefrauen von zwei koptischen Priestern, die angeblich gegen ihren Willen festgehalten wurden, weil sie zum Islam übertreten wollten, sorgten für Streit.

In der Silvesternacht waren bei einem Bombenanschlag auf eine koptische Kirche in der nordägyptischen Metropole Alexandria 21 Menschen getötet worden. Die Kopten, die zu einer der ältesten christlichen Gemeinden der Welt gehören, klagen seit langem über Diskriminierung durch die Muslime. Seit der verstärkten Präsenz islamistischer Gruppen infolge des Sturzes des langjährigen Präsidenten Husni Mubarak am 11. Februar fühlen sie sich noch mehr bedroht. Zuletzt waren Anfang März in Kairo bei Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Kopten 13 Menschen getötet und rund 100 weitere verletzt worden. Auslöser der Gewalt im Vorort Mokattam waren Proteste gegen die Zerstörung einer Kirche südlich der ägyptischen Hauptstadt.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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