"Beispielloser Stil" Minister bleiben hart
10.04.2008, 16:15 UhrUm den Bundeshaushalt 2009 wird innerhalb der Regierung mit immer härteren Bandagen gekämpft. Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) will vier Kabinettskollegen, die besonders hohe Ausgabenforderungen haben, notfalls die Etathoheit entziehen. Dies wäre ein einmaliger Vorgang, ist laut Haushaltsordnung aber möglich.
Die betroffenen Ministerien reagierten empört und verteidigten ihre Pläne. Sie verwiesen auf Koalitionsbeschlüsse und internationale Verpflichtungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versuchte, die Wogen zu glätten. Ihr Sprecher Ulrich Wilhelm ging von einer einvernehmlichen Lösung mit allen Ressorts auf Grundlage des Sparkurses aus. CSU-Chef Erwin Huber warf Steinbrück Politik "mit der Brechstange" vor. SPD-Chef Kurt Beck äußerte sich zurückhaltend.
Union unterstützt Steinbrück
"Der Finanzminister macht nur das, was das Kabinett gemeinsam beschlossen hat", sagte Steffen Kampeter, haushaltspolitischer Sprecher der CDU, gegenüber n-tv. "Wir wollen auf den Weg gehen, 2011 keine neuen Schulden mehr aufzunehmen und das bedeutet, für diese Konsolidierung muss auch weniger ausgegeben werden", so Kampeter. Der Ton sei ein bisschen rau geworden, aber die Lage sei ja angesichts der Finanzkrise nicht gerade einfacher geworden. "Im Ergebnis muss ein konsolidierter Haushalt stehen. Herr Steinbrück hat die Unterstützung der Union."
Steinbrück ist nicht bereit, über die aus seiner Sicht völlig überzogenen Etatwünsche von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), Forschungsministerin Annette Schavan (CDU), Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (beide SPD) zu verhandeln. Laut "Süddeutscher Zeitung" hat er damit gedroht, den vier Ressortchefs das Budget zuzuweisen.
Drohung mit dem Veto
Das Finanzministerium nannte einen solchen Schritt eine allerletzte Möglichkeit. Die vier Ministerien hätten nicht auf die Aufforderung reagiert, ihre Etatpläne zu überarbeiten. Über die Mehrforderungen werde nicht verhandelt. Steinbrück drohte mit einem Veto. Dem "Handelsblatt" sagte er, es werde "keine Haushaltsbeschlüsse gegen den Finanzminister geben".
Aus dem Umfeld von Glos hieß es, Steinbrücks Nerven lägen wohl wegen der Finanzmarktkrise blank. Anders sei die Attacke nicht zu erklären. Man werde die Mehrforderungen von 430 Millionen Euro für den Etat 2009 vorerst nicht zurückschrauben. Dann gehe der Streit eben "auf die Chefebene". Man sei nur dann zu Abstrichen bereit, wenn die Bundesregierung insgesamt ihre Ziele ändere.
Mit ungewöhnlicher Schärfe attackierte Wieczorek-Zeul Finanzminister Steinbrück. Es sei ein "beispielloser Stil", dass die Minister Informationen zum Haushalt über die Presse erhielten, sagte sie in Berlin.
Internationale Verpflichtungen
Das Ministerium habe nur Ausgaben angemeldet, zu denen sich die Bundesregierung international verpflichtet habe. In der Sache blieb sie wie Glos hart und lehnte Kürzungen ab. Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte: "Ich halte die Reaktion für überzogen und im Ton für völlig unangemessen." BAföG-Erhöhung und mehr Forschungsgeld seien Kabinettsbeschlüsse.
Tiefensee bestätigte die regierungsinternen Auseinandersetzung über die Gestaltung des Bundeshaushalts. Er unterstütze zwar die Konsolidierungspolitik von Finanzminister Steinbrück, erklärte Tiefensee. "Ich rechne (aber), wie in den letzten Jahren mit schwierigen Budgetverhandlungen und intensiven Diskussionen im Deutschen Bundestag."
Wilhelm sagte, der Finanzminister werde "mit den Ressorts in Haushaltsgespräche eintreten, um eine geeignete Basis für die Haushaltsplanung zu erarbeiten, die die vorgegebene Konsolidierungslinie einhält". Auch er nannte die Etat-Wünsche "keine geeignete Grundlage für die Haushaltsberatungen". Tiefensee, der den größten Investitionsetat verwaltet, erwartet eine "gute Lösung".
Ausgeglichener Haushalt gefährdet
Die große Koalition will spätestens 2011 erstmals seit gut 40 Jahren einen ausgeglichenen Bundesetat ohne neue Schulden vorlegen. Durch die Finanzmarkt-Turbulenzen, die Abkühlung der Konjunktur und neue Beschlüsse der Koalition ist es aber schwieriger geworden, das Ziel zu erreichen. Ungeachtet dessen haben die Ministerien gegenüber der Finanzplanung für 2009 zusätzliche Ausgaben von 7,5 Milliarden Euro angemeldet. Bis 2012 summieren sie sich auf 41 Milliarden. Der Etatentwurf soll Ende Juni im Kabinett beschlossen werden, endgültig verabschiedet werden die Haushaltspläne Ende November vom Bundestag.
SPD-Chef Beck sagte lediglich, der Finanzminister "hat die Aufgabe, unsere Ziele umzusetzen". Dies seien die Konsolidierung des Haushalts und die Finanzierung wichtiger Zukunftsaufgaben. "Da sind wir absolut einer Meinung." Alles andere sei Sache des Bundeskabinetts und "im Zweifelsfall Sache der Regierungschefin".
Exorbitante Forderungen
Normalerweise melden die Fachressorts ihre Ausgabenwünsche im Februar beim Finanzminister an, im Laufe des Frühjahrs wird dann auf Beamten- und schließlich auf Ministerebene ein Kompromiss ausgehandelt. In diesem Jahr fielen die Forderungen jedoch exorbitant hoch aus: Für 2009 lagen sie um 7,5 Milliarden Euro über der geltenden Finanzplanung, bis 2012 summierten sie sich sogar auf 41 Milliarden Euro.
In sechs Fällen wich die Ausgabenplanung so deutlich von den Vorgaben ab, dass Haushaltsstaatssekretär Werner Gatzer sie ohne jede inhaltliche Kommentierung zurücksandte und eine neue, deutlich abgespeckte Wunschliste verlangte. Während das Außen- und das Innenressort der Bitte - wenn auch verspätet - nachkamen, blieben die übrigen vier Ministerien stur. Steinbrück und Gatzer wollen nun mit den betroffenen Kollegen lediglich über "technische Änderungen" in den Einzeletats diskutieren.
So muss etwa die vereinbarte Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst in die Budgets eingearbeitet werden. Mit diesen und einer Reihe weiterer kleiner Änderungen sei der Finanzrahmen aber ausgereizt, hieß es im Finanzministerium. "Über politische Wünsche und alles andere, was über das laufende Geschäft hinausgeht, werden wir deshalb nicht verhandeln."
Quelle: ntv.de