"Keine Besitzstände" Minister müssen sparen lernen
19.05.2010, 07:27 UhrFinanzminister Schäuble schwört das Kabinett auf einen strikten Sparkurs ein. Hintergrund ist die durch Schulden verursachte Euro-Krise. Die Bundesregierung will die gesamte EU auf einen schnelleren Abbau der Haushaltsdefizite verpflichten. Dazu muss Berlin mit gutem Beispiel vorangehen.

Von 2011 an muss "mit Verstand" gespart werden, sagt Kanzlerin Merkel. Die Minister müssen sich bereits jetzt darauf einstellen.
(Foto: dpa)
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) drängt seine Kabinettskollegen zu einem energischen Sparkurs. Die ersten Ressortentwürfe für den Bundeshaushalt 2011 seien viel zu hoch gewesen, kritisierte Schäuble in der Kabinettssitzung nach Angaben von Teilnehmern. Nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums würden alle Ressort-Anmeldungen derzeit die bisherigen Haushaltsplanungen für die Jahre 2011 bis 2014 um neun Milliarden Euro übersteigen.
Im Bundestag kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an, von 2011 an müsse "mit Verstand" gespart werden. Ziel der Sparmaßnahmen müsse es sein, "dass wir solide Finanzen haben und zugleich die Zukunft unseres Landes gestalten können und Wachstum erzeugen". Merkel warb im Bundestag zudem für das milliardenschwere Euro-Rettungspaket.
Schäuble verlangt Umsteuern
In einem Brief an alle Ressorts fordert das Finanzministerium ein Umsteuern: "Um die notwendigen Konsolidierungsbeträge tatsächlich gewährleisten zu können, erwarte ich von Ihren Häusern zunächst Einsparungen in Höhe von drei Milliarden Euro", schrieb Finanzstaatssekretär Werner Gatzer laut Nachrichtenagentur Reuters in einem Brief an die Staatssekretäre aller Ministerien vom 18. Mai 2010. Dies sei aber nur ein "erster, kleiner Schritt". In den kommenden Wochen müsse über weitere Einsparungen gesprochen werden, warnte Gatzer. "Aus dem geltenden Finanzplan lassen sich (...) keine Besitzstände ableiten."
Der Vorstoß des Finanzministeriums ist Teil eines mit der Bundeskanzlerin und den Koalitionsspitzen abgesprochenen Versuchs, im Bundesetat 2011 höhere Einsparungen durchzusetzen als dies durch die im kommenden Jahr erstmals wirkende Schuldenbremse nötig wäre. Danach müsste das strukturelle Defizit in den kommenden sechs Jahren um jeweils zehn Milliarden Euro abgebaut werden. Die Regierungsspitze strebt aber ein höheres Einsparvolumen schon im kommenden Jahr an.
Mit gutem Beispiel voran
Hintergrund der verstärkten Sparanstrengungen ist auch die europaweite Debatte um einen verschärften Stabilitätspakt. Da die Bundesregierung alle EU-Partner zu einem schnelleren Abbau der Haushaltsdefizite drängt, müsse auch Berlin mit gutem Beispiel vorangehen, hieß es in Regierungskreisen. Am Freitag will Schäuble der EU ein Maßnahmenpaket vorlegen.
Merkel hatte vergangenes Wochenende in Gespräch mit etlichen Koalitionspolitikern das weitere Vorgehen besprochen. Die Regierung will in einer Kabinettsklausur am 6. und 7. Juni ihre Prioritäten für die Haushaltskonsolidierung festlegen. Das Kabinett soll den Entwurf des Etats 2011 und die mittelfristige Finanzplanung dann Ende Juni oder Anfang Juli beschließen. Als Tabu bei den Einsparungen hat die Kanzlerin dabei bisher nur den Bildungsbereich genannt. Auch im Brief des Finanzministeriums wird betont, dass bei den Sparanstrengungen "einzige Ausnahme die noch zu verteilenden zusätzlichen Mittel des 12-Milliarden-Euro-Programms für Bildung und Forschung" seien.
Keine Rasenmäher-Methode
Im Streit um die Einsparungen wandte sich Schäuble gegen die von Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) geforderten Einsparungen auch im Bildungsbereich. "Der Rasenmäher ist ein wunderbares Gerät, um ein Garten zu pflegen. Aber in der Finanzpolitik taugt er nichts", sagte er der ARD. Investitionen in Bildung und Kinderbetreuung seien Teil einer "vernünftigen Wachstumspolitik", daher seien Kürzungen in diesen Bereichen nicht sinnvoll.
Schäuble schloss erneut eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Hauhaltskonsolidierung aus. "Sie steht in dieser Legislaturperiode nicht auf der Tagesordnung", sagte er im Deutschlandfunk. In der Regierung wird zudem überlegt, ob angesichts der öffentlichen Debatte um mögliche Steuererhöhungen wirklich noch die Frage der in einzelnen Sektoren abgesenkten Mehrwertsteuersätze angepackt werden kann, wie sich dies Union und FDP im Koalitionsvertrag vorgenommen hatten.
Quelle: ntv.de, rts/AFP