Politik

Prozess gegen "Schlächter vom Balkan" Mladic zeigt keine Reue

Ratko Mladic sieht sich selbst als Kämpfer für die "gerechte nationale Sache".

Ratko Mladic sieht sich selbst als Kämpfer für die "gerechte nationale Sache".

(Foto: AP)

Der Ex-Militärchef der bosnischen Serben, Mladic, wird als "Schlächter vom Balkan" tituliert. Er soll mitverantwortlich sein für den Tod Tausender Menschen während des Bosnienkriegs in den 90er Jahren. Nun wird dem heute 70-Jährigen vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag der Prozess gemacht. Der General ist sich keiner Schuld bewusst.

In Den Haag wird erneut über Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien verhandelt. Mit dem serbischen General Ratko Mladic steht einer der letzten, noch nicht belangten zentralen Figuren des Kriegs in Bosnien in den 90er Jahren vor Gericht.

Zum Auftakt des Prozesses verkündete die Staatsanwaltschaft den Gegenstand der Anklage, Dem früheren Militärchef der bosnischen Serben im Bürgerkrieg (1992-1995) werden "57 genau spezifizierte Verbrechen" zur Last gelegt, "für die Mladic persönlich verantwortlich ist", sagte Staatsanwalt Dermot Groome. In Anhörungen im Vorfeld des Verfahrens hatte Mladic stets jede Schuld von sich gewiesen und geltend gemacht, er habe für die gerechte nationale Sache seines Volkes gekämpft.

400.000 Menschen vertrieben

Der bei seiner Verhaftung schwer kranke Mladic wirkte körperlich gesund und ausgeruht. Von Zeit zu Zeit verzog er abschätzig den Mund und spielte mit seiner Lesebrille, die er pausenlos auf- und absetzte. Bei Anhörungen vor dem Prozess hatte er sich nicht ausführlich zur Anklage geäußert, diese aber als "monströs und ekelhaft" bezeichnet.

Der Ankläger eröffnete seine Anklage mit einem Verbrechen von November 1992, als Mladic-Truppen "150 muslimische Männer ermordet hatten". Er zeigte weiter, wie Mladic und seine politischen Gesinnungsgenossen ihre Landsleute mit Lügen und Schauergeschichten über ihre drohende Auslöschung durch die Muslime an die Waffen gebracht hatten. Es habe sich um "die Mobilisierung friedlicher Menschen durch ihre Verängstigung" gehandelt.

Die Staatsanwaltschaft beschrieb weiter, wie die Mladic-Soldaten mit Hilfe paramilitärischer Gruppen aus Serbien "brutale ethnische Säuberungen" mit Hilfe von Massakern und grausamen Gefangenenlagern erzwungen hatten. Auf Landkarten wurde "eine dramatische Veränderung der Bevölkerung" zugunsten der Serben dokumentiert. "400.000 Menschen wurden aus ihrer Heimat vertrieben", damit die Serben ein zusammenhängendes Territorium in Bosnien schaffen konnten.

Tausende Tote in Srebrenica und Sarajevo

Die Anklage zitiert auch aus dem Tagebuch von Mladic, das der General während des Krieges mit akkurater Schrift verfasst hatte. Darin wird als "strategisches Ziel" die Verbindung der serbischen Teile Bosniens mit der benachbarten Mutterrepublik Serbien zu einem Großserbien aufgeführt. Der Staatsanwalt beschrieb anhand von Videoaufnahmen, Dokumenten und Zitaten, wie Mladic und sein ebenfalls vor dem UN-Tribunal stehender politischer Vorgesetzter Radovan Karadzic die Kriegsverbrechen geplant und in die Tat umgesetzt hätten.

Um das Riesenverfahren zu beschleunigen, hat sich die Anklage auf besonders schwere Kriegsverbrechen konzentriert. Besonders schwerwiegend ist dabei die jahrelange Belagerung Sarajevos, die Mladic mit veranlasst und aufrechterhalten hatte. Während der fast vier Jahre währenden Blockade verloren über 11.500 Menschen ihr Leben.

Als besonders grausam gilt das Mladic ebenfalls zur Last gelegte Massaker von Srebrenica. Innerhalb weniger Tage erschossen in der in einer UN-Schutzzone gelegenen ostbosnischen Stadt Truppen rund 8000 muslimische Männer und Jugendliche. Als Armeechef der bosnischen Serben kommt Mladic in den Augen der Anklage hier eine zentrale Rolle zu.

Serbisches TV überträgt Auftakt nicht

Die Staatsanwaltschaft will 413 Zeugen aufbieten. Um das Verfahren abzukürzen, werden die meisten Augenzeugen nicht persönlich im Gerichtssaal erscheinen, vielmehr werden ihre Aussagen aus früheren Prozessen lediglich verlesen. Die Verteidigung und Mladic selbst wollen sich erst zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher äußern.

Mladic ist vor fast genau einem Jahr nach über zehn Jahren Flucht in Serbien verhaftet worden. Karadzic steht bereits seit vier Jahren wegen der Gräueltaten während des Bosnienkriegs vor dem UN-Tribunal. Ohne Urteil endete 2006 der Prozess gegen den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Er starb 2006 in der Tribunalszelle an einem Herzinfarkt.

In Serbien wurde der Beginn des Prozesses von keiner TV-Anstalt übertragen. Dort gilt Mladic bis heute vielen als nationaler Held. Demgegenüber war das Verfahren live im Fernsehen des serbischen Teils von Bosnien zu verfolgen.

Quelle: ntv.de, jog/dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen