"Ich bin der Saddam der Geschäftswelt" Monti überzeugt das Parlament
18.11.2011, 17:23 Uhr
Monti überzeugt in seinen ersten Amtstagen.
(Foto: REUTERS)
Italiens neuer Premierminister Monti kann gestärkt an seine Reformvorhaben gehen. Wie auch schon der Senat spricht das Parlament dem frühreren EU-Kommissar das Vertrauen aus. Zweifel an seiner Unabhängigkeit versucht Monti in seiner Rede in Rom zu zerstreuen. Ex-Premier Berlusconi bastelt derweil schon an seiner Zukunft.
Jetzt kann Italiens neuer Regierungschef Mario Monti seine schwierige Aufgabe angehen. Der 68-jährige frühere EU-Wettbewerbskommissar hat das Vertrauen des römischen Parlaments für sein ehrgeiziges Reformprogramm. 561 Abgeordnete stimmten für Monti und sein Programm, 61 dagegen. In den nächsten Monaten will seine Technokraten-Regierung das angeschlagene Land von Grund auf reformieren, aus der Schulden- und Wachstumskrise führen und so auch - wie Monti selbst es sieht - einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung Europas und des gefährdeten Euro leisten.
Auch die Rückendeckung des Senats war deutlich. 281 Senatoren hatten Monti gestern das Vertrauen ausgesprochen, 25 stimmten dagegen. In beiden Kammern verweigerte ihm lediglich die rechtspopulistische Lega Nord von Umberto Bossi das Vertrauen. Denn sie hätte Neuwahlen vorgezogen.
Offensiv gegen die Zweifler

Das Parlament steht hinter Monti.
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Auch wenn Monti im politischen Rom hohen Kredit besitzt, bleiben Zweifel an seiner Unabhängigkeit. Der Premier richtete sich denn auch direkt an seine Kritiker, die ihm eine zu große Nähe zu großen Unternehmen unterstellen. Monti erinnerte daran, dass er früher als "Saddam Hussein der Geschäftswelt" bekannt war. Während seiner Zeit als EU-Wettbewerbskommissar sei er von einflussreichen US-Unternehmen wegen seiner Unbeugsamkeit mit dem damaligen irakischen Machthaber verglichen worden, sagte er im italienischen Parlament.
"Lassen Sie mich deutlich zur Frage der Interessenkonflikte und der 'mächtigen Kräfte' Stellung beziehen - Ausdrücke, die ich verletzend finde", sagte Monti. Die "mächtigen Kräfte" in der Welt könnten sich noch gut daran erinnern, wie er die Fusion zweier US-Konzerne blockierte. Monti war vorgeworfen worden, etwa als Berater des US-Bankkonzerns Goldman Sachs zu enge Kontakte zur Finanzwelt zu unterhalten. Zudem war die Berufung mehrerer Ex-Konzernchefs in sein Kabinett kritisiert worden.
Lob für den neuen Stil
Die Mehrheit der Italien gibt dem neuen Mann an der Spitze"Niemals zuvor hat ein Regierungschef die Prioritäten des Landes so genau aufgezählt", lobte die liberale Turiner Zeitung "La Stampa" den neuen Stil, den Monti mit seiner Regierungserklärung in die italienische Politik eingeführt hat. Der ruhige und gelassene Ministerpräsident tritt mit dem klaren Willen an, in einer Notlage Reformen durchzusetzen - von den Renten bis zum Arbeitsmarkt. "Applaudiert nicht, hört mir zu", rief er den Senatoren zu, als er ihnen ein Regierungsprogramm der "Strenge, des Wachstums und der Gerechtigkeit" in Aussicht stellte. Italien müsse Europa helfen, dürfe nicht länger das schwache Glied sein.
Den neuen Stil hat Monti schon eingeführt, ganz Regierungschef. Die neue Politik muss nun schnell folgen. Überraschend verabschiedete Monti - immerhin vor der entscheidenden Vertrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus - am römischen Flughafen Fiumicino Papst Benedikt XVI. vor dessen Reise nach Benin.
In der nächsten Woche tourt Monti durch europäische Hauptstädte, stimmt sich in Brüssel mit den Spitzen der ihm gut vertrauten EU weiter ab. Er trifft Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Das hatte man in den letzten Jahren unter Silvio Berlusconi nicht gesehen. Europas Schuldenkrise will er gemeinsam mit den beiden Partnern angehen.
Berlusconis Schatten
Apropos Berlusconi: Der gescheiterte Medienzar und Milliardär scheint nicht gewillt, den mit viel Vorschusslorbeeren bedachten Monti ungestört wirken zu lassen. Zwar sorgte er dafür, dass Monti das Vertrauen auch seiner Partei erhielt. Doch machte er auch deutlich, dass die Technokraten-Regierung nicht "aufs Geratewohl" unterstützt werde.

Berlusconi bleibt weiter präsent.
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Berlusconi kündigte einen Nationalkongress seiner PdL-Partei (Volk der Freiheit) im Frühjahr an. Außerdem will er eine "Art Schattenkabinett" aufstellen. Hat damit der Wahlkampf in Italien schon begonnen, ehe Monti noch richtig an die Arbeit gehen kann? Wie lange wird sich der Neue halten können, sitzen doch, weil es keine Neuwahlen gab, die bisherigen Parteien in der alten Mehrheitsverteilung im Parlament?
Monti ist sich der Schwierigkeit durchaus bewusst. Er bitte das Parlament nicht um ein blindes, sondern um ein wachsames Vertrauen, erklärte der frühere EU-Kommissar. Am Vortag hatten Tausende Studenten in Italien gegen eine "Regierung der Banker" protestiert. Damit waren auch Monti und sein Kabinett gemeint.
Montis schwierige Arbeit wird entscheidend sein. Nach dem Vertrauen des Parlaments muss er nun auch das der Finanzmärkte zurückgewinnen, die Italien ein größeres "Glaubwürdigkeitsproblem" bescheinigt hatten. Das dürfte die "Regierung der Professoren", wie manche das Technokraten-Kabinett des Mario Monti nennen, bei allen positiven Ansätzen nicht über Nacht schaffen. Rasche Fortschritte wird das Land jedoch machen müssen.
Fitch gibt sich optimistisch
Nach Einschätzung der US-Ratingagentur Fitch steht Monti vor großen Herausforderungen, er könne aber "eine positive Überraschung liefern". Sein Kabinett sei glaubwürdig, um die geplanten Reformen in die Tat umzusetzen, hieß es in einem Sonderbericht der Ratingagentur. Außerdem verfüge die Regierung aus Fachleuten über das notwendige Potenzial, bis zur nächsten Wahl im April 2013 im Amt zu bleiben.
Eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Italiens drohe nur dann, wenn sich das Land kein frisches Geld mehr an den Kapitalmärkten besorgen könne. Von einer solchen Zuspitzung der Lage geht Fitch derzeit aber nicht aus.
Quelle: ntv.de, dpa/rts