Politik

Nach Karadzic-Verhaftung Morddrohung gegen Tadic

Nach der Verhaftung des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic wird Staatschef Boris Tadic offen mit Mord gedroht. "Wir erinnern Tadic daran, dass in Serbien Verrat niemals vergeben wurde", sagte eine führende Politikerin der extrem nationalistischen Radikalen (SRS) nach übereinstimmenden Medienberichten in Belgrad. "Wir drohen nicht, aber verweisen warnend auf den Fluch, der alle Verräter in der serbischen Geschichte begleitet hat", sagte Vjerica Radeta. Von den "heutigen Machthabern werden vielleicht nicht alle das 'Glück' von Zoran Djindjic haben, weil Gott (die Verräter) bis zur siebenten Generation bestraft."

Djindjic war nach dem Sturz des Autokraten Slobodan Milosevic der erste demokratische Regierungschef Serbiens und 2003 vor seinem Amtssitz ermordet worden. Bisher sind nur die unmittelbaren Mörder verurteilt worden. Die Auftraggeber, die in der extremistischen politischen Szene und in der Mafia vermutet werden, sind weiter unbekannt. Kurz vor dem Mord an Djindjic hatten führende Vertreter des extremistischen Lagers das Attentat mit Anspielungen indirekt angekündigt.

Parlamentspräsidentin bedauert Verhaftung

Auch Parlamentspräsidentin Slavica Djukic-Dejanovic ist offenbar die Politik Tadics ein Dorn im Auge. Sie sei "traurig" über die Verhaftung von Karadzic, sagte sie der Belgrader Zeitung "Danas". Die Sozialistin, für die der frühere bosnische Serbenführer immer noch ein Volksheld ist, sagte weiter, jetzt müsse der Staat Sorge tragen, dass Karadzic sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verteidigen kann.

Radovan Karadzic ist vor dem UN- Kriegsverbrechertribunal wegen Völkermordes angeklagt. Ein Anklagepunkt wirft ihm die Errichtung von Straflagern vor, in dem Tausende Muslime misshandelt und brutal ermordet worden sind. Muslimische Frauen waren von serbischen Soldaten und Freischärlern systematisch vergewaltigt worden.

Gegen die Auslieferung an das UN-Tribunal will Karadzic-Anwalt Svetozar Vujacic Widerspruch einlegen. Einem solchen Antrag werden allerdings keine Chancen eingeräumt. Letztlich muss ohnehin das Justizministerium seine Zustimmung geben, was als reine Formalität betrachtet wird. Karadzic könnte dann bereits am Wochenende oder zu Beginn der kommenden Woche nach Den Haag gebracht werden.

Mehrheit der Serben gegen Auslieferung

Einer Umfrage zufolge lehnen die meisten Serben eine Auslieferung Karadzics an das UN- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ab. 54 Prozent sprachen sich gegen seine Überstellung an die UN-Justiz aus, 43 Prozent dafür.

42 Prozent der rund Tausend Befragten betrachten Karadzic weder als Kriegsverbrecher, noch als Helden, wie aus der Umfrage des angesehenen Belgrader Strategic Marketing Instituts hervorgeht. Für ein Drittel ist er ein nationaler Held, nur 17 Prozent sehen in ihm einen Kriegsverbrecher. Eine große Mehrheit von 86 Prozent sehen das UN-Gericht als "voreingenommen" und "Anti-Serbisch" an. Trotzdem befürworten 70 Prozent die Zusammenarbeit mit dem Tribunal.

Schmerzensgeld von Karadzic

Radovan Karadzic schuldet Opfern des Bürgerkrieges in Bosnien- Herzegowina (1992-1995) Schadenersatz und Schmerzensgeld in Höhe von mehreren Milliarden Dollar. Das bestätigte der stellvertretende internationale Vertreter in Bosnien, der US-Diplomat Raffi Gregorian, der Zeitung "Dnevni avaz" in Sarajevo. "Vor einigen Jahren hat Karadzic mehrere Prozesse vor amerikanischen Gerichten verloren, wo er für die Errichtung von Lagern verurteilt wurde, in denen Frauen systematisch vergewaltigt wurden", begründete Gregorian die Ansprüche.

Die internationalen Bosnien-Aufseher überlegen nach Darstellung von Gregorian jetzt, "das gesamte Vermögen (von Karadzic) einzuziehen, um den Opfern zumindest eine symbolische Entschädigung zu zahlen".

Richter warten auf Karadzic

Vladimir Vukcevic, Chefankläger des serbischen Kriegsverbrechergerichts, sagte, Karadzic könne frühestens am kommenden Montag nach Den Haag geflogen werden. Dort wird mit dessen Ankunft spätestens Anfang der Woche gerechnet. Bald danach muss Karadzic erstmals einem Richter gegenübergestellt werden. Er hat dann bereits die Gelegenheit, auf schuldig oder nicht schuldig zu plädieren. Damit kann er aber auch 30 Tage warten.

Niederländer übernimmt Prozessverantwortung

Der niederländische Richter Alphons Orie wird zunächst die Verantwortung für den Kriegsverbrecherprozess übernehmen. Der Präsident des UN-Tribunals in Den Haag, Fausto Pocar, wies den Fall der Ersten Strafkammer zu, deren Vorsitzender Orie ist. Der niederländische Jurist muss nun entscheiden, welche Richter seiner Kammer das Verfahren übernehmen. Orie kann die erste Prozesshandlung auch selbst übernehmen

Liste mit Mladic-Verstecken

Nach der Festnahme von Karadzic ist jetzt dessen früherer Armeechef, der als "Schlächter vom Balkan" bekanntgewordene Ratko Mladic, der meistgesuchte mutmaßliche bosnisch-serbische Kriegsverbrecher. Die Zeitung "Politika" veröffentlichte die Adressen von sechs Verstecken, in denen sich die beiden bis 2006 in Belgrad aufgehalten haben sollen. Es handele sich um Adressen, die schon seit zwei Jahren bekannt seien und eine zentrale Rolle im laufenden Prozess gegen elf angebliche Helfershelfer des früheren Generals spielten, berichtete "Politika". Bis auf eine Ausnahme befinden sich die angegebenen Wohnungen alle in Neu-Belgrad, wo sehr viele Offiziere, Staatsbeamte und Zugezogene aus anderen Teilen des früheren Jugoslawien leben.

Auch der frühere Militärchef der bosnischen Serben im Bürgerkrieg (1992-1995) ist vom UN-Tribunal seit 13 Jahren wegen schwerster Kriegsverbrechen angeklagt. Bis 2001 konnte er sich in Serbien völlig frei bewegen und war zuletzt in einem Belgrader Fußballstadion gesehen worden. Seitdem hatte es immer wieder Spekulationen gegeben, Mladic werde von der Armee in deren Kasernen versteckt. Die Militärführung hat das stets bestritten. Die Regierung hatte wiederholt beteuert, sie kenne den Aufenthaltsort von Mladic nicht.

Die USA und die EU haben nach der Verhaftung des ehemaligen politischen Führers der bosnischen Serben, Karadzic, auch die unverzügliche Festsetzung von Mladic verlan

Quelle: ntv.de

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