Streit um Kiewer Abkommen Moskau begrüßt Sonderstatus für Ostukraine
17.09.2014, 21:02 Uhr
An einer von prorussischen Separatisten besetzten Kaserne in Donezk.
Kaum beschließt das Parlament in Kiew einen Sonderstatus für die umkämpfte Ostukraine, wollen Abgeordnete das Angebot schon wieder kippen. Auch die Separatisten sind nicht glücklich damit. Ganz andere Töne kommen indes aus Moskau, wo das Gesetz begrüßt wird.
Im Gegenteil zu den prorussischen Separatisten hat die Regierung in Moskau das am Vortag vom Parlament in Kiew verabschiedete Autonomiegesetz für den Osten der Ukraine als "Schritt in die richtige Richtung" begrüßt. Das Gesetz, das einen "Sonderstatus" für die abtrünnigen Regionen Luhansk und Donezk vorsieht, lege die Grundlage für die Rückkehr zur Normalität, erklärte das russische Außenministerium. Auch die EU-Kommission sprach von einem "wichtigen Schritt" zu "einer dauerhaften politischen Lösung".
In Kiew selbst ist das Gesetz nicht unumstritten. Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte bei einer Kabinettssitzung, seine Regierung werde die selbst ernannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk nicht anerkennen. Einige Regierungsmitglieder wollen Beschwerde einlegen.
Mit dem neuen Sonderstatus räumt Kiew den Gebieten für drei Jahre Selbstverwaltungsrechte ein. Vorgesehen sind örtliche Wahlen am 7. Dezember sowie die Gründung einer eigenen Volksmiliz. Zudem garantiert es den Gebrauch der russischen Sprache in allen staatlichen Einrichtungen. Ein Amnestiegesetz gewährt den Separatisten zudem weitgehende Straffreiheit.
Die Rada hatte das entsprechende Gesetz am Vortag in einer nicht öffentlichen Sitzung angenommen. Die ukrainischen Beschwerdeführer - überwiegend aus der Vaterlandspartei von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko - kritisieren, bei der Abstimmung seien elektronische Abstimmungsmaschinen verwendet worden. Dadurch stehe die Glaubwürdigkeit infrage, weil nicht klar sei, wie die Volksvertreter gestimmt hätten, argumentierten sie.
Auch Separatisten sind unzufrieden
Separatistenführer Andrej Purgin kündigte an, trotz der scharfen Kritik an dem Sonderstatus weiter mit Kiew verhandeln zu wollen. Den für Dezember angesetzten Wahlen erteilte der Donezker Anführer Alexander Sachartschenko jedoch eine Absage. "Wir werden selber entscheiden, wann wir welche Wahlen abhalten", sagte er.
Russland kritisierte den Widerstand – vor allem aus Kiew – gegen den Sonderstatus: Die Gegner des Gesetzes wollten wieder einen Konfrontationskurs in der Ostukraine einschlagen, hieß es aus dem Außenministerium in Moskau. Neben dem Autonomiegesetz war am Dienstag auch das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der Ukraine unterzeichnet worden. Russland ist gegen den Freihandelspakt und hat zahlreiche Änderungswünsche angemeldet.
Kiew hält an Verpflichtungen von Minsk
Die Sprecherin des diplomatischen Dienstes der EU, Maja Kocijancic, sagte, die beiden Gesetze bildeten "wichtige Schritte bei der Suche nach einer dauerhaften politischen Lösung". Mit ihnen erfülle die Ukraine die Verpflichtungen von Minsk. In einer anschließenden Erklärung forderte die EU auch Moskau und die Separatisten auf, nun ihren Verpflichtungen zum Rückzug aller illegalen bewaffneten Gruppen aus der Ukraine und zur Kontrolle der Grenze nachzukommen.
Der Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff bezeichnete die Gesetze als "starkes Friedenssignal" und als "konkrete und konstruktive Beiträge" zur Beilegung des Konflikts. Es seien "mutige Entscheidungen", mit denen der ukrainische Präsident Petro Poroschenko erneut beweise, dass er seine Verpflichtungen verlässlich umsetze. "Es ist nun auch zu hoffen, dass Moskau seinen Einfluss auf die Separatisten (...) geltend macht", erklärte Schockenhoff.
Deutschland hilft
Seit dem 5. September herrscht im Konfliktgebiet eine - immer wieder brüchige - Waffenruhe zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten. Auch am Mittwoch berichtete die Stadtverwaltung von Donezk von zwei bei Beschuss getöteten Zivilisten. Die Bundesregierung beschloss derweil, die Modernisierung der ukrainischen Sicherheitskräfte mit der Entsendung von bis zu 20 Polizisten zu unterstützen. Die Beamten sind Teil einer EU-Mission zur Unterstützung des zivilen Sicherheitssektors der Ukraine. Ein Vorauskommando mit deutscher Beteiligung ist bereits vor Ort.
Quelle: ntv.de, ppo/AFP/dpa/rts