"Hochnäsige Politik" der USA Moskau stellt Raketen auf
05.11.2008, 21:21 UhrDer russische Präsident Dmitri Medwedew hat am Tag des Wahlsiegs des künftigen US-Präsidenten Barack Obama einen harten außenpolitischen Kurs Moskaus angekündigt. In seiner ersten Rede zur Lage der Nation bekräftigte der Kremlchef, dass Russland "Iskander"-Kurzstreckenraketen bei der Stadt Kaliningrad (Königsberg) zwischen den NATO-Staaten Polen und Litauen stationieren werde.
Dies sei eine Reaktion auf den geplanten US-Raketenschild in Mitteleuropa. In der Rede, deren Schwerpunkt auf der angestrebten Demokratisierung Russlands lag, gab Medwedew den USA eine Mitverantwortung für den Krieg gegen Georgien. Moskau werde aber im Kaukasus nicht nachgeben.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat die russische Ankündigung zur Stationierung von Kurzstreckenraketen an der NATO-Grenze scharf kritisiert. "Das ist das falsche Signal zum falschen Zeitpunkt", sagte Steinmeier in Berlin nach einem Gespräch mit seinem dänischen Amtskollegen Per Stig Möller.
Stationierung von Störsendern
Als Antwort auf das in Polen und Tschechien vorgesehene US-Raketensystem rückte Medwedew vom geplanten Abbau dreier Regimenter einer Raketendivision nahe Moskau ab und kündigte auch die Stationierung von Störsendern an. Russland habe den USA wiederholt vergeblich die Zusammenarbeit angeboten, kritisierte er. Allerdings lasse sich Moskau trotz einer "zügellosen NATO-Erweiterung" nicht in ein neues Wettrüsten locken. Medwedew kritisierte eine "Umzingelung Russlands durch militärische Blöcke".
Die US-Regierung bezeichnete die Pläne für die Stationierung von Raketen bei Kaliningrad (Königsberg) als "enttäuschend". Der Sprecher des US-Außenamts, Sean McCormack, bekräftigte in Washington, dass die geplante Stationierung von US-Abwehrraketen in Polen und eines Radarsystems in Tschechien keine Bedrohung für das russische strategische Atomarsenal darstelle. "Dies richtet sich nicht gegen Russland", sagte McCormack. "Hoffentlich werden sie es eines Tages einsehen."
"Hochnäsige" Politik
Der Gouverneur von Kaliningrad begrüßte die Entscheidung seines Präsidenten. Das Aufstellen von "Iskander"-Systemen und Störsendern als Antwort auf den in Mitteleuropa geplanten US-Raketenabwehrschild sei "angemessen und verständlich", sagte der Kaliningrader Gouverneur Georgi Boos. Die russischen Raketen seien nicht als Bedrohung der Nachbarn gedacht, sondern als Gegengewicht einer einseitigen militärischen Aufrüstung in Europa.
Ein westlicher Experte nannte die angekündigte "Iskander"-Stationierung "nicht überraschend". Drei Monate nach dem Georgien-Krieg warf Medwedew der scheidenden US-Regierung von George W. Bush vor, das Blutvergießen mit einer "hochnäsigen" Politik sowie "einseitigen Entscheidungen" mitverschuldet zu haben.
Längere Amtszeit angestrebt
Vor dem Hintergrund der internationalen Finanzkrise forderte der Kremlchef eine radikale Reform des Weltfinanzsystems. Russland sei zur Zusammenarbeit mit den USA, der Europäischen Union und den BRIC-Schwellenländern Brasilien, Indien und China bereit. Russland werde gestärkt aus der Krise hervorgehen, meinte Medwedew während der rund eineinhalbstündigen Ansprache im Kreml, die vom Staatsfernsehen live übertragen wurde.
Innenpolitisch schlug er eine Verlängerung der Amtszeit des Staatsoberhauptes von vier auf sechs Jahre vor. "Es geht nicht um eine Reform der Verfassung, sondern nur um eine Korrektur." Auch die Legislaturperiode des Parlaments solle von vier auf fünf Jahre verlängert werden.
Die Kremlpartei Geeintes Russland kann mit ihrer Zweidrittel-Mehrheit in der Staatsduma die Verfassung ändern. Außerdem forderte Medwedew vor etwa 1000 Politikern, Unternehmern, Geistlichen und Repräsentanten des öffentlichen Lebens, dass auch kleinere Parteien künftig über eine Änderung des Wahlgesetzes im Parlament vertreten sein sollen.
Quelle: ntv.de