Zwei Pünktchen über dem O Müntefering sucht Lösung
09.10.2007, 07:35 UhrIm SPD-internen Konflikt um das Arbeitslosengeld I stehen die Zeichen nach zwei Wochen wieder auf Entspannung. Vizekanzler Franz Müntefering zeigte sich erstmals kompromissbereit. Er wolle zusammen mit dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck bis zum Parteitag Ende Oktober nach einer "einvernehmlichen Lösung" suchen, kündigte der Arbeitsminister vor der SPD-Bundestagfraktion an. Er sperre sich nicht gegen Überlegungen, für ältere Arbeitslose mehr zu tun.
"Ich bin mehr für Fordern. Kurt Beck ist mehr für Fördern. Jetzt müssen wir mal sehen, wie wird das mit dem zwei Pünktchen über dem O hinkriegen", sagte der Arbeitsminister in einer betont kämpferischen Rede. Müntefering warnte die Partei vor dem "Fehler", sich von der Union nach links drängen zu lassen. "Wir müssen die ganze Breite als Spielfeld nutzen", sagte er laut Teilnehmerangaben.
An die eigenen Reihen appellierte er, "in der Tradition von Helmut Schmidt und Gerhard Schröder" weiter Wohlstand und soziale Gerechtigkeit zu sichern. Die Grundlinien der "Agenda 2010" bezeichnete Müntefering vor den Abgeordneten als "Erfolgsmodell". Er rief dazu auf, den SPD-Teil der Regierung und die Partei zusammenzuhalten. Dieses Verhältnis dürfe nicht beschädigt werden.
Starker Beifall für Müntefering
Der Vizekanzler erhielt bei seinem Auftritt mehrfach starken Beifall. Die Fraktion habe ihm deutlich gemacht: "Wir wollen Dich, wir brauchen Dich", sagte der SPD-Wirtschaftsexperte Rainer Wend im Blick auf die Rücktrittspekulationen der vergangenen Tage.
Fraktionschef Peter Struck brachte als Kompromissmöglichkeit eine befristete Verlängerung des Arbeitslosengeldes ins Gespräch. Vor den SPD-Abgeordneten erinnerte Struck daran, dass die damals von Müntefering geleitete Fraktion Mitte 2005 beschlossen habe, älteren Beschäftigungslosen für zunächst zwei Jahre länger Arbeitslosengeld I zu zahlen. Diese Regelung sei damals von der Union im Bundesrat blockiert worden.
Keine Anreize für Frühverrentung
Als ein entscheidendes Kriterium für einen Kompromiss nannte Struck, dass es keine neuen Anreize für die Frühverrentung geben dürfe. Eine Neuregelung dürfe auch nicht zu Lasten Jüngerer gehen. Deshalb sei das Modell des nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers für die SPD "kein akzeptables Vorbild".
Ferner dürften eine Verwendung der Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit für die geplante Beitragssenkung und die längere Zahldauer bei Älteren nicht zu Lasten von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen gehen. Nach Strucks Worten soll der nächste Koalitionsausschuss von Union und SPD Anfang November darüber beraten, was in dieser Wahlperiode noch umgesetzt werden kann.
Merkel will zunächst Lohnnebenkosten senken
In der Unionsfraktion äußerte sich unterdessen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zurückhaltend zu einer Ausweitung des Arbeitslosengeldes I. Mit Blick auf den heftigen Streit innerhalb der SPD über einen entsprechenden Vorstoß von Parteichef Kurt Beck sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmern, für sie habe die Senkung der Lohnnebenkosten "allerhöchste Priorität".
Die Kanzlerin meinte, dass "eine Diskussion" in der SPD derzeit besonders hohe Wellen schlage. Ihr mache aber vielmehr Sorgen, dass auch andere Punkte wie die Rente mit 67 in der SPD zunehmend kritisch gesehen würden.
Als Ziel gab Merkel aus, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gesenkt werden müsse. Es bestehe immer noch Reformbedarf. In der Koalition müsse die Union "Stimme der Vernunft" sein. Die Kanzlerin verwies den Angaben zufolge darauf, dass die Vorschläge der Union zur Korrektur beim Arbeitslosengeld I immer aufkommensneutral, das heißt ohne Mehrkosten gewesen seien.
Unionsfraktionschef Volker Kauder meinte, Beck verbinde mit seinem Vorstoß Sach- und Machtfragen. Es gehe bei der SPD um eine Kurskorrektur. Unionsfraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen hatte zuvor mit harten Worten die sich abzeichnende Kurskorrektur der SPD kritisiert. Er sagte, dass der Vorstoß Becks die Grundlagen für die Zusammenarbeit in der Koalition verändere.
Quelle: ntv.de