Diplomat der anderen Art Murphy stellt sich Enthüllungen
29.11.2010, 13:06 Uhr
Murphy wird die Enthüllungen von Wikileaks überleben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der US-Botschafter in Berlin, Philip Murphy, ist kein Diplomat der alten Schule. Und das ist vielleicht auch gut so. Nach den wenig schmeichelhaften Depeschen über deutsche Politiker ist der ehemalige Banker ungewöhnlich offen um Schadensbegrenzung bemüht.
Den Freitagabend konnte Philip D. Murphy noch einmal einigermaßen genießen. Beim Bundespresseball saß der US-Botschafter mit Frau Tammy standesgemäß am wichtigsten Tisch. Die Konversation mit Bundespräsident Christian Wulff und den anderen Sitznachbarn sah noch gewohnt locker aus. Aber natürlich ahnte der 53-Jährige schon, was auf ihn zukommt.
Denn mit sanften Plaudertönen ist es nun erst einmal vorbei. In den insgesamt 1719 Geheim-Depeschen der US-Botschaft in Berlin, die das Internet-Portal Wikileaks veröffentlichte, wird über die verschiedensten deutschen Spitzenpolitiker ziemlich hergezogen. Auch Murphy selbst lästerte mit. Jetzt muss er sich um Schadensbegrenzung kümmern.
Guter Umgang mit der Öffentlichkeit
Bei allem Ärger kommen dem Statthalter von US-Präsident Barack Obama zwei Sachen zugute. Zum einen ist er recht neu im Amt, seit September 2009. Die meisten Läster-Protokolle stammen also noch von den Vorgängern. Zum anderen ist Murphy kein Diplomat der alten Schule, sondern jemand, der mit Öffentlichkeit umgehen kann.
Für den Harvard-Absolventen ist der Job in Berlin der erste Diplomatenposten überhaupt. Zuvor war er 23 Jahre bei der Investmentbank Goldman Sachs beschäftigt. In dieser Zeit wurde er zum vielfachen Millionär. Den Botschafterposten bekam der Vater von vier Kindern als Dank dafür, dass er Obama beim Spendensammeln half. Auch 627.000 Dollar aus seinem Privatvermögen trug er bei.
Keine Kritik an der Presse
In seinen ersten 15 Monaten in Berlin hat sich Murphy bereits ein gutes Netzwerk aufgespannt. Das hilft ihm jetzt. Die letzten Tage verbrachte er mit vielen Telefonaten. Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP), der in den Einschätzungen der US-Diplomaten besonders schlecht wegkommt, bekam einen Anruf. Ansonsten war Murphy viel damit beschäftigt, Interviews zu geben.
Dabei äußerte er sich auch in eigener Sache. "Die letzten Tage waren eine Herausforderung. Die nächsten werden noch schlimmer werden. Aber am Ende werden wir das überleben." Im Umgang mit der Presse ließ der Fußball-Fan sogar Sportsgeist erkennen. "Ich kritisiere nicht den 'Spiegel' und die Presse, die nur ihren Job macht. Ich kritisiere denjenigen, der dieses Material gestohlen hat."
Quelle: ntv.de, Christoph Sator, dpa